
Marco Truttmann schlägt ein neues Kapitel auf
Es läuft gegen Langenthal die entscheidende Phase des Derbys im Schoren, als sich der EHC Olten in doppelter Unterzahl über komplette zwei Minuten gegen den Ausgleichstreffer wehren muss. Und so mancher Oltner Anhänger traute seinen Augen nicht: Nach einem Spielunterbruch machen sich Tim Bucher, Jewgeni Schirjajew und Marco Truttmann zum Bully bereit. Truttmann in doppelter Unterzahl? Ausgerechnet er, der von vielen in den letzten Jahren als Schönwetterspieler abgestempelt wurde? Ausgerechnet er, dessen Formkurve in den letzten beiden Jahren rapide nach unten zeigte? Marco Truttmann beweist im folgenden Shift, dass er es kann: Er wirft sich in einen Schuss, den er mit dem Schlittschuh blockt und sich damit sogar noch selber eine Konterchance erspielt. Es ist die Ausgabe Marco Truttmann der Saison 18/19 – selbstsicher, kämpferisch, aber auch spielwitzig, gelöst, teamdienlich. Und ganz offensichtlich auch bescheiden: «Ob ich es war oder nicht: Übersteht man eine 3-gegen-5-Situation, geht immer ein Ruck durch die Mannschaft. Jeder geht für den anderen», sagt Truttmann auf die Szene angesprochen.
Spieler nicht schubladisieren
Es sind solche beschriebene Szenen, die ein Team im Laufe einer Meisterschaft zusammenrücken lassen. Szenen, die für ein Miteinander sprechen. Diese eine Szene um Truttmann zeigt aber auch, was EHCO-Trainer Chris Bartolone, der den Umgang mit den Spielern als seine grösste Stärke bezeichnet, sich umzusetzen vorgenommen hat: Er will Spieler nicht schubladisieren, sie nicht voreilig als Schönwetterspieler, Passeur, Schütze, Checker oder Box- und Powerplay-Spieler abstempeln. Er, der ehrgeizige Spielerversteher will, dass alle am gleichen Strick ziehen. Und so kommt es, dass auch der vermeintliche Schönwetterspieler Marco Truttmann plötzlich in doppelter Unterzahl mannschaftsdienliche Drecksarbeit verrichtet. «Ich denke, ich konnte dem Team bislang gut helfen. Ich fühle mich wohl. Es war sicher ein positiver Start für mich persönlich», bilanziert Truttmann seinen Saisonstart und fügt hinzu: «Aber wir haben nun erst zwei Spiele bestritten. Es kann noch viel passieren.»
Dass keiner sich zurücklehnen kann, lebt Trainer Bartolone mit seiner Philosophie vor: «Wir haben ein grosses Kader. Wer seine Leistung nicht bringt, der muss, auch wenn ich ihn noch so schätze, damit rechnen, dass ein anderer Spieler zum Zug kommt», sagte er bereits vor dem ersten Puckeinwurf der Saison. Dies scheint Marco Truttmann in diesen ersten Saisonspielen zu beflügeln: 2 Spiele, 3 Tore, eine Plus-2-Bilanz. Dazu war er einer der Reisser im Cupspiel beim EHC Thun, als es darum ging, nach einem Fehlstart gegen den Underdog einen Gang höher zu schalten.
Damit wird Marco Truttmann im Spiel gegen die Ticino Rockets (Kleinholz, 17.30 Uhr) als EHCO-Topskorer auflaufen. Auf die Bedeutung angesprochen, winkt er ab: «Es ist noch immer ein Teamsport. Aber es freut mich, wenn ich meinen Beitrag zu erfolgreichen Spielen leisten kann.»
Saison hinter sich gelassen
Topskorer-Helm hin oder her: Marco Truttmanns Körpersprache ist nicht zu vergleichen zu jener vor einem Jahr. Insbesondere die letzte Saison war nicht einfach: «Unter Gustafsson bekam ich nicht viel Eiszeit, spürte mit sechs oder sieben Minuten Eiszeit, dass sie lieber nicht auf mich setzen möchten.» Inmitten des Tiefs kamen Verletzungen hinzu. Unmittelbar nach der Genesung einer langwierigen Verletzung schlug das Pech wieder zu, was eine Schulteroperation mit sich zog. Truttmann fiel vier Monate aus. «Ich war in einem Loch und musste die Motivation für das Eishockey wieder neu finden.» Er hat im Sommer bewusst daran gearbeitet, das Geschehene hinter sich zu lassen, nach vorne zu schauen, ein neues Kapitel aufzuschlagen. «Ich habe gut an mir gearbeitet. Und das gemacht, was ich brauche, um wieder fit zu sein», sagt Truttmann.
Spuren haben die vergangenen Spielzeiten aber dennoch hinterlassen. In intensiven Wochen mit vielen Spielen und Trainings spüre er seinen Körper intensiver als früher. «Ich bin ja auch nicht mehr der Jüngste», sagt der 33-Jährige schmunzelnd. Er habe aber gelernt, damit umzugehen und mit Wärmekissen, Physiotherapien und gezielten Übungen dagegenzuhalten, sodass er jeweils wieder fit in das nächste Spiel gehe. Truttmann: «Ich will wieder Eishockey spielen. Ich will auf dem Eis aktiv und kreativ sein, mit der Scheibe etwas machen. Ich merke, dass ich dem Team dann am meisten helfen kann.»