
Martina Bircher war chancenlos: SVP Aargau mit klarer Mehrheit gegen «Ehe für alle»
Lange mussten sich SVP-Mitglieder wegen Corona gedulden, bis sie wieder einmal zu einem Kantonalparteitag kommen konnten. So kamen sie am Mittwochabend in grosser Zahl in den Gasthof Schützen nach Aarau, wo der Anlass unter Gastrobedingungen stattfand (Maskenpflicht im Stehen). Unter ihnen Gesundheitsdirektor Jean-Pierre Gallati. Präsident Andreas Glarner wies einleitend ausdrücklich auf die Coronaregeln hin: «Wenn sich jemand nicht daran hält, liefert er das Bild des Tages.» Das wollte offenkundig niemand riskieren.
Glarner wünscht Burkart jetzt schon viel Glück
Glarner eröffnete den Parteitag mit einem kleinen politischen ABC. Er wehrte sich unter «A» sehr gegen Forderungen, 10’000 afghanische Flüchtlinge aufzunehmen. Ständerat Thierry Burkart wünschte er unter «B» viel Glück als künftiger FDP-Präsident. Er sei einer der letzten aufrechten Freisinnigen.
Corona habe alle anfangs geschockt, sagte Glarner weiter. Doch jetzt müsse der Bundesrat glaubhaft machen, «warum er uns weiterhin Freiheiten vorenthält». Wenn man eine Zertifikatspflicht für Restaurants fordere, dann, so Glarner: «Was ist mit dem öV? Fassen wir diese heilige Kuh nicht an?»

Andreas Glarner bei seiner Präsidialansprache.
Glarner einstimmig als Präsident bestätigt
Nebst Parolen für den 26. September stand die Wahl des Präsidiums auf der Traktandenliste. Jean-Pierre Gallati hatte einen wohl nicht unbedingt zu erwartenden ruhigen Abend, er leitete dafür die Wahl. Glarner wurde als Präsident einstimmig bestätigt. Gegen drei Gegenstimmen wurden auch Michelle Rüti und Clemens Hochreuter als Vizepräsidenten wiedergewählt. Den Vorschlag eines Teilnehmers, Nationalrat Benjamin Giezendanner ins Vizepräsidium zu wählen, blockte dieser sogleich ab: Es brauche wenn schon mehr Frauen.

Vizepräsident Clemens Hochreuter, links, Parteipräsident Andreas Glarner und Vizepräsidentin Michelle Rütti wurden für ein weiteres Mal gewählt.
Einstimmiges Nein zu 99-Prozent-Initiative
In der Abstimmungsdiskussion warnte Giezendanner eindringlich vor der 99-Prozent-Initiative der Juso: «Am Ende des Tages wird nicht mehr investiert, es sitzt kein Schweizer mehr im Lastwagen mit Schweizer Nummer, dafür fahren dann Ausländer in Lastwagen aus dem Ausland in der Schweiz.» Die Sozialisten wollten so lange abschöpfen, bis nichts mehr in der Kasse sei, so Giezendanner. Es gebe in der Schweiz einen vergleichsweise kleinen Unterschied zwischen arm und reich. Ein Nein zur Initiative würde daran nichts ändern, schloss er. Diskussionsbedarf gab es nicht. Die SVP sagt mit 76 : 0 Nein.
Ehe für alle: Bircher gegen Burgherr
Spannend versprach die Debatte über «Ehe für alle» zu werden. Da fochten die SVP-Nationalräte Martina Bircher (pro) und Thomas Burgherr (contra). Sie sehe Freiheit und Selbstbestimmung als eines der wichtigsten Güter an, sagte Bircher. Es sei doch deren Sache, wenn zwei Männer oder zwei Frauen miteinander ihr Glück finden, das gehe den Staat nichts an, warb Bircher für die Vorlage: «Gleichgeschlechtliche Ehen würden niemandem von Ihnen etwas wegnehmen.»
Das Durchschnittsalter der jährlich in Partnerschaft Eingetragenen sei über 40 Jahre. Dass es da ganz viele Adoptionen oder Samenspenden gäbe, sei nicht zu erwarten. Zudem sei eine Adoption ein sehr steiniger Weg. Sie wäre froh, wenn man bei Paaren, die «auf normalen Weg Kinder bekommen können, auch so genau hingeschaut würde» wie bei Paaren die ein Kind adoptieren wollen, so Bircher.
Anders klang es bei Thomas Burgherr. Gegen die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare mit eingetragener Partnerschaft habe er gar nichts, sagte er, das sei ja bereits gesetzlich geregelt. Homosexualität sei anerkannt, jedem sei es richtigerweise freigestellt, mit wem er oder sie das Leben teilen wolle.

Nationalrat Thomas Burgherr im Votum gegen «Ehe für alle», sitzend Andreas Glarner und Martina Bircher.
Das habe aber nichts mit «Ehe für alle» zu tun, mahnte Burgherr. Mit dieser Vorlage werde die Demokratie umgangen, weil sie als Gesetz durchgedrückt werde, obwohl zuvor gesagt worden sei, dies bedürfe einer Verfassungsänderung: «Die absichtliche Zeugung eines Kindes ohne Vater finde ich etwas Abstruses. Tun wir damit dem Kind einen Gefallen?» fragte er rhetorisch. Dieses könne dann erst mit 18 erfahren, wer der Vater ist. Ob der Vater das Kind dann noch kennen lernen wolle, doch wohl eher nicht? Das wolle er einem Kind nicht zumuten, plädierte er für ein Nein. Ein Kind brauche Vater und Mutter, «das können gleichgeschlechtliche Eltern nicht gewährleisten».
Diskussion zeigt rasch, wohin sich die Waage neigt
In der Diskussion zeigte sich rasch, dass Bircher chancenlos war. Es dominierten Voten für ein Nein, wonach es, um ein Kind zu bekommen, eben einen Mann und eine Frau brauche. Einzig Grossrätin Kathrin Hasler unterstützte Bircher. Der Parteitag beschloss mit 55 : 17 (bei 2 Enthaltungen) die Nein-Parole.