
Medikamente auf Intensivstationen werden knapp – das spüren die Aargauer Spitäler
Je mehr Coronapatienten auf den Intensivstationen künstlich beatmet werden müssen, desto mehr Medikamente braucht es. Rudolf Hauri, Präsident der Schweizer Kantonsärzte, warnte Anfang Woche im «Tages-Anzeiger», dass die Medikamentenvorräte nicht sehr lange reichen werden, wenn die Intensivstationen in den nächsten Wochen wirklich komplett gefüllt werden. Das Bundesamt für Gesundheit teilte mit, man nehme die Situation sehr ernst. Der Bund nutze alle Kanäle, um die nötigen Produkte zu beschaffen.
Die Medikamentenknappheit auf den Intensivstationen sei auch im Aargau ein Thema, bestätigt Kantonsärztin Yvonne Hummel. «Die Sedativa zum Beispiel, die gebraucht werden, um Intensivpatienten in einen schlafähnlichen Zustand zu versetzen, werden knapp.» Ebenso die Relaxanzien, die Patientinnen verabreicht werden, bevor sie künstlich beatmet werden. Die üblichen Kanäle, um diese Medikamente zu beschaffen, seien im Moment ausgetrocknet, sagt Yvonne Hummel.
Dubiose Angebote in der Mailbox der Kantonsärztin
Die Versorgungsknappheit ruft auch dubiose Anbieter auf den Plan. Die Kantonsärztin sagt, sie erhalte regelmässig E-Mails von Anbietern – beispielsweise aus der Türkei –, die Medikamente verkaufen wollen. «Wir leiten solche Angebote relativ schnell an den Bund weiter. Dort hat es Fachpersonen, die diese prüfen können.» Der Kanton selber verfügt laut Yvonne Hummel über keine solchen Fachpersonen. «Die Bestellung von Medikamenten läuft normalerweise direkt über die Spitäler.»
Im Aargau werden schwerkranke Coronapatientinnen auf den Intensivstationen in den Kantonsspitälern Aarau (KSA) und Baden (KSB), in der Hirslanden Klinik Aarau und im Spital Muri behandelt. KSA-Sprecherin Isabelle Wenzinger sagt, die Versorgung mit den Medikamenten sei «momentan gewährleistet». In Muri sind die Medikamente «teilweise knapp», wie Sprecherin Martina Elisabeth Wagner sagt. Die Vorräte würden für das erwartete Patientenaufkommen in den nächsten Wochen ausreichen.
Philipp Lenz, Sprecher der Hirslanden Klinik Aarau, sagt: «Wir spüren die Knappheit auf dem Medikamentenmarkt. Die Situation ändert sich laufend.» Für die Behandlung der Patientinnen und Patienten in der Hirslanden Klinik sei zum aktuellen Zeitpunkt jedoch gesorgt. Im KSB sind «die Vorräte an bestimmten Medikamenten, die zur Sedation und Relaxation verwendet werden, in der Tat knapp», wie Sprecher Omar Gisler sagt. Bisher habe die Versorgung mit Medikamenten jedoch «den Umständen entsprechend gut geklappt». Damit die Versorgung auch in Zukunft aufrechterhalten werden könne, sei das Zusammenspiel von Lieferanten, Behörden und Spitälern «mehr denn je von fundamentaler Bedeutung», so der Sprecher.
Verteilung erfolgt anhand der Fallzahlen pro Spital
Der Bund hat das Thema auf dem Schirm. Der Bundesrat hat letzte Woche in der Covid-19- Verordnung zusätzliche Massnahmen in Kraft gesetzt. Seither erhebt das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung die Lagerbestände von Covid- 19-relevanten Medikamenten. Die Spitalapotheken sind verpflichtet, dem Bund einmal wöchentlich – jeweils am Montag – ihre Bestände zu melden, inklusive der Anzahl beatmeter Patientinnen und Patienten. Dadurch werde eine «situationsgerechte Verteilung der zur Verfügung stehenden Güter durch eine zentrale Stelle» ermöglicht, heisst es im Schreiben an die Spitäler.
KSB-Sprecher Omar Gisler sagt, die Verteilung der Medikamente erfolge anhand der Fallzahlen pro Spital. Der Bund könne zum Beispiel – basierend auf den Fallzahlen – eine Neuzuteilung der Arzneimittel anordnen oder Lieferanten anweisen, nur bestimmte Kontingente an die Spitäler zu liefern.