
Mehr Licht als Schatten für Rollstuhlschützin Nicole Häusler an den Paralympics
Weitere Medaillen für die Schweiz
Heinz Frei wurde am Mittwoch wird Zweiter im paralympischen Strassenrennen in Fuji, mit diesem Exploit beendet der 63-Jährige seine einzigartige Einzelkarriere. 35 Medaillen hat der Solothurner insgesamt gesammelt bei 16 paralympischen Teilnahmen in Sommer und Winter. Die Luzerner Rolllstuhl-Leichtathletin Manuela Schär gewann bei ihrem dritten Start an den Paralympics in Tokio ihre dritte Medaille: Silber über 1500 m. Über die selbe Distanz fuhr Marcel Hug mit Weltrekord zu Gold.
«Ich habe einen versöhnlichen Abschluss erlebt und bin happy», sagt Nicole Häusler kurz nach ihrem zweiten Einsatz an den Paralympics in Tokio. Am Mittwoch schoss die mit Multipler Sklerose lebende Luzernerin den Luftgewehr-Liegend-Wettbewerb. «Das Feld ist da extrem nah beieinander, ich wusste, selbst mit einer guten Leistung kann ich top oder flop sein, Millimeter sprich Zehntelspunkte entscheiden.»
Die 42-Jährige beschloss, sich nicht wahnsinnig zu machen im Schiessstand, zog ihr 60-Schuss-Programm durch, ohne gross auf den Monitor zu blicken, der die Passen anzeigt. «Am Ende stand auf dem Bildschirm 633,1. Meine Freude war riesig.» Am prestigeträchtigsten Wettkampf gelang Häusler das zweitbeste Resultat, das sie je an einem internationalen Event erzielt hat. Was würde es wert sein? «Insgeheim träumte ich vom Final, aber ich weiss, dass das fast ausser Reichweite liegt», so Häusler. Sie tritt im Mixed an, weil es für ihr Handicap keine Frauen-Kategorie gibt. «Ich müsste zwei gesunde Arme haben, um bei den Frauen-Einzelwertungen dabei sein zu können», erklärt die Rollstuhlfahrerin, deren rechter Arm seit einem MS-Schub eine Dysfunktion aufweist.
Die beste Frau hinter den dominierenden Männern
In den Final schaffen es in der Mixed-Luftgewehr-Konkurrenz liegend und stehend meistens nur Männer. «Es ist schwer zu sagen, weshalb das so ist», so die mehrfache Schweizer Meisterin. Zum einen treten viele Kriegsversehrte an, die in ihrem Leben deutlich mehr Schiesstrainings absolviert haben als Nicole Häusler. Und dann gebe es sicher Athleten mit Profistatus, gegen die es die in einem Teilzeitpensum arbeitende Radiologiefachfrau schwer hat. Umso beachtlicher ist ihr Resultat. «Als beste Frau und auf Rang 13 abzuschliessen, zeigt mir, dass sich mein Training gelohnt hat und es rechtfertig meine Selektion.»
Anders war ihre Gefühlslage nach dem ihr eigentlich besser liegenden Stehend-Wettbewerb am Montag, in dem sie nicht zeigen konnte, was sie draufhat. Durch die MS hat Häusler geschädigte Sehnerven, schnelle Wechsel zwischen Licht und Schatten machen ihren Augen zu schaffen. Der Start in den Wettkampf gelang, doch dann drang die Sonne durch die Blache, die hinter der Tribüne und hinter Häusler hing. Häusler gab ihrem Trainer und Betreuer Walter Berger zu verstehen, dass etwas nicht stimme mit der Optik an ihrem Gewehr, dass sie nicht richtig zielen könne. «Wale» amtet im Wettkampf als Lader, weil Häusler mit ihrem rechten Arm nicht selber Munition nachlegen kann. Miteinander sprechen dürfen die beiden nicht. Walter Berger versuchte, mit Umstellungen der Optik korrigierend einzugreifen, was wenig brachte. So waren die letzten zwei Passen mit 103,4 und 102,9 deutlich schlechter als die vorangegangenen (zweimal 104, 105,3 und 105,4). «Aber es hätte auch nicht für den Final gereicht, wenn ich meine Bestleistung gezeigt hätte», sagt Nicole Häusler.
Sich für den zweiten Einsatz zu motivieren, sei nicht schwierig gewesen: «Ich darf hier gegen die Besten der Welt antreten, erlebe wahnsinnig spannende Momente. Dafür bin ich dankbar.» Der Traum, einst doch in den Final vorzustossen, ist nicht ausgeträumt. Diverse Schützen sind älter als Nicole Häusler : «Vielleicht waren Tokio und Rio vor fünf Jahren nicht alles, was es für mich paralympisch zu erleben gibt.»
Hier spricht Nicole Häusler über ihre Krankheit und was ihr der Schiesssport bedeutet.
