
Michael Webers grosse Hoffnung auf ein letztes Feuerwerk in den USA
Plötzlich ging alles schnell: Eine Woche, bevor die kalifornische Regierung wegen der Corona-Pandemie den Lockdown für den gesamten US-Bundesstaat ausrief, teilte die Leitung der Menlo-Universität ihren Schülern mit, dass der Unterricht ab sofort nur noch online stattfinden werde. Der Campus bleibe zwar offen, mehr als die Benützung der Wohnzimmer und des Esssaals sei aber nicht gestattet. Aus diesem Grund entschlossen sich viele Studenten, nach Hause zu reisen – so auch Michael Weber.
Der 25-jährige Zofinger studiert am Menlo College, das rund eine halbe Autostunde südlich von San Francisco entfernt liegt, seit Januar 2019 Wirtschaft mit Fokus auf Sportmanagement. Nebenbei läuft der frühere U21-Junior des FC Basel und Challenge-League-Spieler des FC Wohlen für Menlos Fussballteam in der College-Liga auf. «Wir wollten einfach dahin, wo wir uns am wohlsten fühlen. Im Campus zu bleiben, ergab für uns keinen Sinn», erklärt Weber, dessen Freundin zu jenem Zeitpunkt Mitte März ebenfalls in Übersee weilte, seine Abreise aus Kalifornien.
Lernen am Tag, Prüfungen schreiben am Abend
Nach der Ankunft in der Schweiz zogen sich Michael Weber und seine Partnerin für zwei Wochen in die Ferienwohnung der Eltern in Lenzerheide zurück. Im Anschluss an die folgenlos gebliebene Quarantäne kehrte Weber ins Elternhaus nach Zofingen zurück, von wo aus er seither für sein Studium büffelt. Bis zum Ende des Semesters Anfang Mai stehen mehrere Prüfungen an, die Weber am Computer schreiben kann. «Den Tag durch lerne ich für die Schule, von 20 Uhr bis 1 Uhr morgens findet der Online-Unterricht statt», erzählt Weber, der den Informationsaustausch zwischen der Schule und den Studenten lobt. «Die Universität kommt uns sehr entgegen, einige Prüfungen werden an die jeweilige Zeitzone angepasst», so Weber.
Allgemein stellt er den Menlo-Verantwortlichen ein gutes Zeugnis im Umgang mit der Pandemie aus. «Die Schule hat sich früh mit dem Thema befasst und ein Komitee zusammengestellt», sagt Weber. Auch die kalifornische Regierung habe den Virus rechtzeitig auf den Schirm genommen und gehandelt. Dass sich San Francisco nach seiner Abreise trotzdem zu einem Corona-Hotspot in den USA entwickelte, überrascht Weber wegen der vielen international tätigen Firmen, die im Silicon Valley ihren Sitz haben, ebenso wenig wie die Geschehnisse in anderen amerikanischen Grossstädten. «Eine solche Krise ist in New York schwieriger zu bewältigen als in der ganzen Schweiz, weil die Bevölkerungsdichte da viel grösser ist», sagt er.
Michael Weber hofft nun, dass sich die Situation soweit beruhigt, dass er von August bis Dezember sein letztes Semester in den USA absolvieren und mit dem Bachelor-Abschluss heimkehren kann. Weil im College-Fussball die eigentliche Meisterschaft im Herbst innerhalb von vier Monaten ausgetragen wird – im Frühling finden «nur» Testpartien statt –, steht auch in sportlicher Hinsicht viel auf dem Spiel. «Ich will nochmals mein ganzes Können zeigen. Es wäre schade, wenn mir die letzte Saison verwehrt bleiben sollte.»
Der Traum von der MLS ist ziemlich sicher geplatzt
Seit dem Beginn seines USA-Abenteuers im August 2017 lief es für Michael Weber auf dem Rasen rund. Mit den Georgia Gwinnett Grizzlies, seinem ersten Klub in Übersee, qualifizierte sich der Mittelfeldspieler in der College-Liga je einmal für die besten 16 Teams und das nationale Finalturnier. Ausserdem wurde er in jeder Saison als «All American Player» ausgezeichnet. «Das ist die höchste individuelle Ehrung der Liga», freut sich Weber.
Gerne hätte sich der Zofinger nach seinem Engagement bei den Grizzlies in einer grösseren College-Liga versucht. Weil seine Einsätze mit Wohlen in der Challenge League aber als «Spiele in einer Profiliga» eingestuft wurden, erhielt er keine Spielberechtigung. Somit bleibt sein Traum von der Major League Soccer, der höchsten nordamerikanischen Fussballliga, sehrwahrscheinlich unerfüllt.
Den Wechsel nach Kalifornien bereut Michael Weber indes nicht. «Ich wollte mein Studium sowieso an zwei Universitäten absolvieren», sagt er. Umso mehr wünscht sich Weber, die USA-Reise auch sportlich positiv abschliessen zu können. Anhand eines App-Trainingsplans hält sich Weber fit, geht joggen, stemmt Gewichte oder unternimmt mit Bruder Manuel – Mittelfeldspieler beim SC Zofingen – eine Biketour. Ab Mitte Juni will er die Intensität steigern, um im August bereit zu sein.
Im Idealfall macht Michael Weber wie letzten Sommer als Gast die Vorbereitung des SCZ mit. «Ich bin meinem Heimatverein sehr dankbar für diese Option», sagt er, «das Training mit dem Ball und die Spielsimulation helfen enorm.» Ob Weber in der Winterpause als «echte» Verstärkung zu seinem Stammklub zurückkehrt, wird sich zeigen. Vielleicht sucht er bereits im Sommer mit einigen Klubs das Gespräch. «Im Winter sehe ich dann, auf welchem Level ich in der Schweiz wieder einsteigen kann», sagt er.