Millionärsinitiative: Diese Rechnung geht nicht auf – eine toxische Mischung

Am 23. September stimmen die Aargauerinnen und Aargauer über die Millionärssteuerinitiative ab. Diese ist von den Aargauer Jungsozialisten (Juso) eingereicht worden. Damit sollen Personen mit einem steuerbaren Vermögen von weniger als 475’000 Franken leicht weniger, solche mit mehr Vermögen stärker besteuert werden. Maximal soll die Besteuerung um über 100 Prozent steigen. Die Initianten wollen damit jüngste Steuerreformen beziehungsweise Sparbeschlüsse teilweise rückgängig machen, zum Beispiel im Bildungs- und Sozialbereich.

Sollte die Initiative angenommen werden, würden gegen 80’000 kleine Vermögende zusammen um 1,3 Millionen Franken beziehungsweise mit den Vermögenssteuern der Gemeinden um rund 2,6 Millionen Franken entlastet. Konkret: Wer 400’000 Franken Vermögen versteuert, spart mit der Initiative 63 Franken. Lohnt es sich, für so eine minime Einsparung mit der Initiative ein hohes Risiko für den Kanton Aargau einzugehen? Bei denjenigen mit höherem Vermögen sieht die Rechnung nämlich ganz anders aus. Rund 39’000 Steuerpflichtige zahlten 2013 zusammen knapp 104 Millionen Franken Vermögenssteuern (und noch mal fast so viel in den Gemeinden). Das ist auch richtig so.

Zudem fällt der Aargau hier heute im Vergleich zu den Nachbarkantonen nicht ab. Sollte die Initiative jedoch angenommen werden, müssten alle Vermögenden zusammen per 2016 rund 160 Millionen Franken mehr zahlen. Umgekehrt sind zwei Drittel der Steuerpflichtigen nicht betroffen, weil sie so oder so keine Vermögenssteuer zahlen müssen.

Welche Wirkung hätte die Initiative? Würde ein zehnfacher Millionär, der knapp 45’000 Franken mehr pro Jahr zahlen müsste, gleich die Flucht ergreifen? Bei der Wohnortswahl müssen viele Kriterien stimmen – die Steuerbelastung ist eine davon. Doch je mehr Vermögen jemand hat, desto stärker käme er an die Kasse und ins Grübeln. Schöne Wohnlagen gibt es schliesslich überall – und vielleicht sind die Kinder ja nicht mehr im Schulalter?

Nun sind «Reiche» nicht einfach Leute, die zusehen, wie sich ihr Geld an der Börse vermehrt. Das gibt es natürlich. Die Meisten arbeiten aber hart dafür – wie alle anderen auch. Etwa Haus- und Wohnungseigentümer, die ihre eigenen vier Wände ein Leben lang unter viel Verzicht abzahlen, damit sie im Alter etwas haben. Viele müssten künftig mehr zahlen. Das gilt auch für viele Pensionäre, die sich ihre Pension auszahlen lassen. Und für viele KMU-Unternehmer, die ihr Geld in der Firma haben, es dort reinvestieren, und so Arbeitsplätze sichern und schaffen. Sie müssten Geld aus dem KMU ziehen, um zusätzliche Steuern zu zahlen. Angesichts immer härterer Konkurrenz und kleinerer Margen täte das sehr weh.

Nun ist der Aargau bekanntlich nicht mit Vermögenden und Gutverdienenden gesegnet. Er versucht, mehr anzuziehen. Das gelingt ungenügend. Allen Unkenrufen zum Trotz ist der Kanton aber auch heute noch sehr attraktiv für zuziehende Familien, die indes oft mehr Kosten auslösen, als sie Steuern zahlen können. Dies zeigt die Zuwanderung gerade aus Zürich. Auch darum braucht der Aargau mehr Vermögende, die das ausgleichen können, und die übrigens auch Einkommenssteuern zahlen. Die bleiben aber aus, wenn die Vermögenssteuer derart hochschnellt. Erst recht, wenn der Aargau zusätzlich bald eine der höchsten Unternehmensgewinnbesteuerungen hat. Das blüht ihm nämlich mit der Steuerreform 17 des Bundes. Die Herausforderung, Firmen zu halten und neue anzulocken, wird dann auch ohne massiv höhere Vermögenssteuer gross genug sein. Beides zusammen wäre eine toxische Mischung.

Anfang der 2000er-Jahre galt der Aargau als aufstrebender Kanton. Er verbesserte sich Jahr für Jahr. So konnten die Steuern für alle Einkommensklassen in homöopathischen Dosen sukzessive gesenkt werden, auch für Unternehmen. Doch die jüngste Steuersenkung konnte die Kantonskasse nicht mehr verkraften. Unter anderem, weil die Gesundheits- und andere Kosten massiv gestiegen sind, und weil der Frankenschock den Aargau weit überdurchschnittlich getroffen hat. Jetzt erholt er sich langsam. Für 2019 ist erstmals kein Sparpaket mehr nötig. Der Haushalt ist aber noch nicht saniert, das bedarf noch grosser Anstrengungen.

Da ist die Verlockung gross, die Reichen die Lücke im Kantonshaushalt stopfen zu lassen. Doch damit täte sich der Aargau keinen Gefallen. Mittel- und längerfristig brächte es ihm sogar noch grössere Probleme. Richtig Reiche kämen kaum mehr her. Statt diese mit der Juso-Initiative abzuschrecken, sollte der Aargau den eingeschlagenen Weg zur Haushaltsanierung fortführen – aber mit Augenmass.