
Mit dem Helm ins Bett
Kürzlich machte ich mit dem Smartphone ein Bild von unserer Enkelin, wie sie mit ihren neuen, goldenen Schuhen auf unserer Terrasse steht, neben sich das hölzerne Laufrad. Das Bild schickte ich unserer Tochter weiter. Anderntags erzählte sie mir, Kolleginnen hätten reklamiert, das Kind auf dem Bild trage trotz Laufrad keinen Helm, das sei etwas verantwortungslos. Ich war, nett ausgedrückt, leicht irritiert. Die Welt mag voller Gefahren sein. Auch auf unserer Terrasse gibt es Blumenkübel, an denen man sich den Kopf anstossen und abgebrochene Bambustriebe, mit denen man sich aufspiessen könnte, heisse Blechabdeckungen, an denen man sich verbrennen kann und bestimmt liegen auch ein paar Glassplitter auf dem Boden, an denen man sich die Füsse zerschneiden könnte. Kurz gesagt, ich müsste unsere kleine Enkelin für alle Fälle in einen Overall stecken, ihr Handschuhe anziehen, Knie- und Ellenbogenschoner, Helm, Sonnenbrille und Sicherheitsschuhe mit Stahlkappen, denn grosse Steine hin- und hertragen mag sie eben auch ziemlich gerne. Klar ist: Würde ich das Kind so anziehen, dann könnte ich die Einzelteile der Sicherheitsausrüstung alle drei Minuten auf der ganzen Terrasse aufsammeln und versuchen, ihr das Zeug mit Gewalt wieder anzuziehen. Danach wäre der Opi wahrscheinlich in der Liste unerwünschter Lebewesen ganz zuoberst, noch vor den Krokodilen, Schlangen und Spinnen. Lebensgefährlich, allerdings für mich, würde es spätestens dann, wenn ich ihr nach der Gutenachtgeschichte erklären würde, dass ich ihr nun Helm und Rückenpanzer zum Schlafen anziehen muss. Weil: Das Hochbett! Lebensgefährlich!
Als ich vom Kanonen-Vorfall am Kinderfest hörte – dem ersten ernsteren Unfall überhaupt während des Gefechts, der mir persönlich bekannt ist – hatte ich ähnliche Gedanken. Natürlich folgten gleich die obligatorischen «Abschaffen!»-Rufe. Was hätte da noch viel Schlimmeres passieren können, wäre dieser hölzerne Rohrfeger weiter, höher oder tiefer geflogen. Oder in die andere Richtung. Nun, passiert ist, was passiert ist. Alles andere findet lediglich in den Köpfen überängstlicher Menschen statt, deren Gedanken permanent in der Zukunft statt im Hier und Jetzt kreisen.
Das heisst nicht, dass man das Gefecht nicht abschaffen sollte. Aber sicher nicht, weil es gefährlich ist, sondern weil es ein überflüssiger, anachronistischer Kitsch ist.