Mit der Testoffensive drohen Engpässe: Setzt der Bund bald auf Veterinärlabore?

Ob Maul- und Klauenseuche, afrikanische Schweinepest oder Blauzungenkrankheit: Patrik Buholzer, studierter Biotechnologe, bekämpft Tierkrankheiten seit langem – und hat viel Erfahrung im Umgang mit Seuchen.

Jetzt wartet der Co-Geschäftsführer von Sanoso, einer Beratungsfirma für das Management von Tierseuchen, mit einem überraschenden Vorschlag auf: Beim Kampf gegen die Coronapandemie sollen Bund und Kantone auf die Expertise der Tierseuchenbekämpfer zurückgreifen. Buholzer schlägt zum Beispiel vor, dass auch Veterinärlabore PCR-Tests durchführen. Buholzer sagt:

«Verglichen mit einem Humanlabor, sind sie sich hohe Probeaufkommen gewohnt.»

Bund und Kantone sagen zwar, die Testkapazitäten reichten derzeit aus, auch für die erweiterte Strategie mit regelmässigen Massentests zum Beispiel an Altersheimen oder Schulen. Buholzer ist jedoch skeptisch– und bringt deshalb den Veterinärbereich ins Spiel. «Die Experten haben sehr viel Know-how mit Massentests bei Nutztieren.»

Buholzer mit Sympathien für Strategie des Bundes

Er denkt dabei auch an das sogenannte Pooling, das bei den neuen PCR-Coronaspeicheltests teilweise bereits angewendet wird. Dabei werden mehrere Proben zusammengefügt und in einem Durchgang getestet. Solange damit gerechnet werden kann, dass weniger als ein Prozent der Proben das Virus enthalten, sollen gemäss Vorgaben des Bundes pro Pool mehr als 10 Personen getestet werden. Patrik Buholzer begrüsst die neue Strategie der Bundesbehörden. Er sagt:

«Es braucht neue Wege, damit Infektionsketten frühzeitig unterbrochen werden können.»

Der Bund übernimmt die Testkosten seit kurzem auch bei Personen ohne Coronasymptome, wenn bei einem lokalen Ausbruch die Bevölkerung flächendeckend durchgetestet wird. Das gleiche gilt, wenn an Orten mit hohem Infektionsrisiko – etwa Alters- und Pflegeheimen oder Schulen – präventiv Menschen ohne Krankheitssymptome getestet werden.

Die Idee: Durch regelmässiges Testen sollen Personen eruiert werden, die bereits infiziert sind, aber noch keine Symptome spüren und das Virus deshalb unkontrolliert weiterverbreiten. Der Bund geht davon aus, dass symptomfreie Personen mehr als die Hälfte aller Ansteckungen verursachen.

BAG warnte vor «knappen Ressourcen»

Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) wagt aufgrund der «sehr vielen Variablen» keine Schätzung, wie viele Tests unter dem neuen Regime durchgeführt werden. Die Kapazitäten würden dafür reichen, sie seien weit höher als derzeit ausgeschöpft, hält ein Sprecher fest. In einem Merkblatt spricht das BAG jedoch selber von «knappen Ressourcen» bei den Laboren.

Immer mehr Kantone künden flächendeckende und repetitive Tests in Altersheimen, Schulen, Verwaltungen und auch Betrieben mit viel Kundenkontakt an. Allein der Kanton Baselland will so bis im Juli wöchentlich 5000 Personen testen. Das entspricht rund einem Sechstel der Wohnbevölkerung. Rechnet man diesen Wert auf das ganze Land hoch, ergibt das pro Woche fast 1,5 Millionen und täglich etwas mehr als 200’000 Tests. «Das ist nur mit Pooling möglich», sagt Buholzer. Derzeit können in der Schweiz gemäss BAG rund 80 Labors Sars-Cov-2-Diagnostik durchführen.

Auf Anfrage unserer Zeitung hat das BAG Angaben zur theoretisch verfügbaren Testkapazität gemacht. Demnach können mit den vorhandenen Ressourcen bei Personal und Infrastruktur täglich rund 46’000 PCR-Tests durchgeführt werden. Das BAG rechnet zusätzlich mit 140’000 Antigen-Schnelltests, weist aber darauf hin, dass die Kapazität schwer abschätzbar sei. Klar ist: Testen alle Kantone so intensiv wie Baselland, drohen die von Buholzer befürchteten Engpässe.

Bund interessiert an Vorschlägen

Zudem drängt sich ein Ausbau der PCR-Kapazitäten auf. PCR-Tests eignen sich viel besser als Antigen-Schnelltests, um die sogenannt asymptomatischen Personen zu identifizieren und die Infektionsketten frühzeitig zu unterbrechen. Denn der Antigen-Test fällt – vereinfacht gesagt – in der Regel erst dann positiv aus, wenn eine Person bereits infektiös ist.

Das BAG zeigt sich auf Anfrage offen für Buholzers Vorschlag. Es kann sich vorstellen, Veterinärlabore in die Pandemiebekämpfung miteinzubeziehen. Die Bewilligung zur Durchführung von PCR-Tests erteilt aber die Zulassungsbehörde Swissmedic.

Die grossflächige Testerei kostet zwar viel Geld. Der Massentest-Pionierkanton Graubünden aber ist wie Baselland überzeugt, dass sich die Investition lohnt, wenn dadurch nicht noch mehr Bereiche der Wirtschaft lahmgelegt werden und Lockdown-Massnahmen gelockert werden können. Regelmässige Screenings könnten ein Element sein, das Land aus dem Coronaschlamassel zu führen.

Spucktests als Alternative zum Rachenabstrich

Bei den Altersheimen etwa schlägt der Bund vor, alle fünf Tage Personal und Bewohner durchzutesten. Die Kantone begrüssen die Empfehlungen zum Testvolumen. Tobias Bär, Sprecher der Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektoren, betont aber auch, dass die wiederholten Tests etwa bei Alters- und Pflegeheimen ohnehin schon knappe personelle Ressourcen binden. «Zudem müssen aufgrund der anspruchsvollen Handhabung der Tests mit Nasen-Rachen-Abstrich die Speicheltests in genügender Menge zur Verfügung stehen, damit die Strategie breit umsetzbar ist.»

Die Speicheltests drängen sich auch aus einem anderen, simplen Grund auf: Tests mit Nasen-Rachen-Abstrichen sind unangenehm. Es ist fraglich, ob sich die Menschen regelmässig dafür gewinnen lassen.

Einen PCR-Spucktest entwickelt hat zum Beispiel das Berner Start-up-Unternehmen Ender Diagnostics. Nach fünf Stunden anstatt der üblichen ein bis zwei Tage bei PCR-Tests liegt das Ergebnis vor. Der Flughafen Zürich setzt auf diese Lösung, verlangen doch zahlreiche Länder von Passagieren einen negativen PCR-Test als Voraussetzung für eine Einreise.

Auch die Start-up-Firma Ixoris aus Wil hat einen Test auf den Markt gebracht, bei dem die Speichelprobe den Rachenabstrich ersetzt. Die Firma bietet Beratungen im Umgang mit der Pandemie an und kümmert sich um die gesamte Logistik im Testprozess, von der Testabnahme bis zum Transport ins Labor. Kunden sind Kantone, aber auch Sportverbände und Firmen.