Mit Fotzelschnitte gegen Food Waste

Ein trauriges Bild bot sich in den letzten Tagen den Männern der Kehrichtabfuhr: Sie stiessen auf ihren Entsorgungsfahrten im Nachgang der Feiertage auf Berge von Abfall – und auf grosse Mengen an oft originalverpackten Lebensmitteln. Ganze Butterzöpfe, Fondue-chinoise-Fleisch und verpackter Raclette-Käse waren im Güsel vorzufinden – was vor den Festtagen zu viel gekauft wurde, hat man achtlos weggeschmissen.

Für diese Art von «Nahrungsmittelverwertung» gibt es einen Begriff: Food Waste. Ein Verein mit diesem Namen beziffert, dass in der Schweiz pro Tag und Kopf 320 Gramm konsumierbare Lebensmittel im Abfall landen. Diese Zahl bezieht sich notabene nur auf die Haushalte – die Abfälle in der Produktion und jene des Handels sind nicht eingerechnet. Insgesamt werden zwei Millionen Tonnen pro Jahr entsorgt. Sie entsprechen einem Drittel der produzierten oder importierten Lebensmittel. Um diese zwei Millionen Tonnen zu transportieren sind rund 140’000 Lastwagen nötig.

Weshalb werden tonnenweise Lebensmittel weggeworfen? Weil es sich rechnet. In einem durchschnittlichen Schweizer Haushaltsbudget hat sich die Bedeutung der Lebensmittel im E Lauf der Jahrzehnte gewaltig verschoben: 1945 machten die Ausgaben für Ernährung mit 35 Prozent den weitaus grössten Teil der Kosten aus. Aktuell sind es 6,8 Prozent. Und der Hochpreisinsel Schweiz zum Trotz: Noch tiefer als in unserem Land sind die Lebensmittelausgaben weltweit in lediglich vier Staaten. Am wenigsten geben mit 6,7 Prozent die Amerikaner für ihren Food aus; darauf folgt Singapur mit 7,4 Prozent. Grossbritannien und Kanada sind mit rund 9,5 Prozent gleichauf. In Ländern wie Marokko, Ägypten oder Pakistan liegt dieser Wert bei über 40 Prozent …

Wenn Lebensmittel im Abfall landen, als Tierfutter enden oder in einer Biogasanlage verwertet werden, stellt das nicht nur ein moralisches Problem dar. Ins Gewicht fallen auch die Auswirkungen der Produktion auf die Umwelt. Eine italienische Tomate, die im Kompost landet, hätte nie angebaut, gedüngt, bewässert und in die Schweiz gekarrt werden müssen – Rund 30 Prozent der Umweltbelastung und 18 Prozent der CO2-Emissionen unseres Konsums entfallen auf die Ernährung.

Eng mit dem Begriff der Wohlstandsgesellschaft verbunden, ist das weitverbreitet mangelnde Wissen über Lebensmittel – verbunden mit der Angst, etwas Verdorbenes zu essen. Kaum jemand unterscheidet zwischen Mindesthaltbarkeits- und Verbrauchsdatum. Bei heiklen Lebensmitteln ist Letzteres tatsächlich ein Kriterium. Aber Mindesthaltbarkeit bei Zucker, Essig und Kaugummi, Spaghetti, Reis und Kaffee?

Geniessbar sind Teigwaren auch nach Jahren noch. Es geht hier primär um den Genuss – schlimmstenfalls schmecken Reis und Kaffee weniger intensiv. Wenn ein Joghurt gut aussieht, gut riecht und beim ersten Löffel gut schmeckt, kann es problemlos auch vier Wochen nach Ablauf der Mindesthaltbarkeit gegessen werden.

Was mit Lebensmitteln tun, von denen zu viel eingekauft wurde? Wie wäre es mit Fotzelschnitten, Apfelrösti oder Bruschetta aus hartem Brot? Ja, ein Wochen-Menüplan passt nicht zur Flexibilität, die heute in Beruf und Freizeit erwartet werde – und überteuerte Mini-Packungen der Grossverteiler sind auch keine gute Lösung. Aber vor dem Einkauf der Blick in den Kühlschrank und die Frage, wie sich dessen Inhalt mit einem kleinen Zukauf in ein feines Nachtessen verwandeln lässt?