
«Morgen wirds besser, sagte ich ständig»
Der Abbruch der Eishockeysaison wegen des Corona-Virus hat viele Geschichten geschrieben. Speziell betroffen war der EHC Biel, bei dem zwei Schweizer Eishockeylegenden ihre Karrieren ohne Abschlussspiel beenden mussten. Hautnah miterlebt hat das der Langenthaler Yannick Rathgeb, der seit dieser Saison für die Seeländer verteidigt. «Wir hätten Erfolg haben können. Vor allem das bevorstehende Karrierenende von Jonas Hiller und Mathieu Tschantré hätte uns in entscheidenden Spielen zusätzliche Energie verschafft», ist der 24-Jährige überzeugt. Entsprechend gross sei die Frustration in diesem Moment gewesen. Auch bei ihm selbst, der selten Playoffs spielen konnte. In den letzten sechs Spielzeiten war Rathgeb gesperrt (Plymouth Whalers, USA), verletzt (Fribourg Gotteron), ohne Einsatz (Bridgeport Soundtigers, USA) oder nicht qualifiziert (Plymouth und Fribourg). «Um endlich einmal in den Playoffs Erfolg zu haben, arbeite ich schon sehr lange sehr hart», sagt Yannick Rathgeb.
Asymptomatischer Verlauf bei Yannick Rathgeb
Speziell war der Saisonabbruch aber nicht nur deswegen, sondern auch wegen der Corona-Erkrankung von Biel-Trainer Antti Törmänen. «Den Grossteil der Mannschaft hat es getroffen», weiss Rathgeb. Ihn selbst hat es auch erwischt, viel gemerkt hat er davon aber nicht. Ganz anders seine Freundin Federica Boschung: Sie lag während fast drei Wochen im Bett. Während sich bei ihm die Erkrankung asymptomatisch verhielt – kurzzeitige Atemnot während einem Tag – kämpfte die 27-Jährige lange. «Ich habe ihr jeden Tag gesagt, dass der Höhepunkt erreicht ist. Morgen wirds besser, sagte ich ständig», erzählt Rathgeb.
Testen liessen sich die beiden nicht, den positiven Test mehrerer Teamkollegen und die Symptome von Federica Boschung genügten, zumal lange Zeit Testmöglichkeiten fehlten. «Ich hatte ständig Atemnot, einen Druck auf der Lunge und enorm starke Kopfschmerzen», sagt Federica Boschung, die Asthmatikerin ist. Teilweise habe die Lunge richtiggehend gebrannt. Das alles habe ihr zugesetzt – und sie verängstigt. «Für mich war jede Bewegung äusserst anstrengend. Treppen laufen oder nur schon einen Satz sprechen, bereitete mir Mühe», sagt Federica Boschung. Sie habe sich hilf- und machtlos gefühlt, ausgeliefert an das kaum erforschte Virus.
Für die beiden ist klar: Das Corona-Virus sollte man nicht auf die leichte Schulter nehmen. Dass es dennoch viele Menschen tun, macht sie wütend. «Ich bin mittlerweile seit Tagen ohne Symptome, gelte als geheilt und darf wieder einkaufen gehen. Wenn ich dann 80-Jährige sehe, die miteinander plaudern, dann verärgert mich das», gibt die 27-Jährige zu. Sie selbst halten sich deshalb streng an die Vorschriften, auch weil nicht zweifellos geklärt ist, ob man nach der Erstansteckung tatsächlich immun ist. Für die Freiburgerin ist auf jeden Fall klar: «Diese Hölle will ich nicht noch einmal erleben. Und auch wenn es viele behaupten: Mit einer Grippe kann man das in keinem Fall vergleichen.»
Nach drei schwierigen Wochen gilt es im Hause Rathgeb, nach vorne zu blicken. Nicht zuletzt für Yannick, der anstelle der Vorbereitung auf die Heim-WM in Zürich und Lausanne diejenige für die neue Saison gestartet hat. Als viertbester Punktesammler aller National-League-Verteidiger durfte sich Rathgeb Chancen ausrechnen, mit dem Nationalteam aufzulaufen. «Natürlich war die Teilnahme an der WM ein grosses Ziel, aber ich habe mich nicht auf dieses Jahr versteift. Ich glaube, dass meine Chancen wachsen, weil die bestehenden Spieler der Mannschaft nicht jünger werden, ich mich aber noch verbessern kann», so der kräftige Verteidiger. Der Rückschlag aufgrund des Corona-Virus hat ihn höchstens ausgebremst – die Vorfreude auf die neue Saison ist damit aber umso grösser. Yannick Rathgeb hat sogar die Garage umgebaut, um dort trainieren zu können. Das Ziel ist klar: Endlich erfolgreiche Playoffs spielen.