Nach 78 Jahren ist Schluss beim Männerchor St. Urban

Bild: zVg
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Mitarbeiter der damaligen Heil- und Pflegeanstalt St. Urban haben den Männerchor 1941 ins Leben gerufen. Wie in den ersten Vereinsstatuten steht, genoss das Singen damals einen sehr hohen Stellenwert: «Gemäss unserem Berufsideal wollen wir unseren Kranken mit bestem Können helfen. Dazu gehört auch der Gesang, der bei verschiedenen Anlässen geboten wird», heisst es.

Anfang Jahr sah sich der Männerchor mit seinen 14 verbliebenen Aktivmitgliedern jedoch gezwungen, den Verein nach 78 Jahren aufzulösen. Nebst den Mitgliedern nahm auch eine grosse Anzahl Ehrenmitglieder an der letzten ordentlichen Generalversammlung teil. Nachdem der Chor immer kleiner geworden war und keine Neumitglieder gefunden werden konnten, hat der Verein bereits an der letztjährigen GV beschlossen, die gesanglichen Aktivitäten einzustellen und den Verein dieses Jahr aufzulösen.

Das Archiv der Gemeinde Pfaffnau erhält die Vereinsfahne, das Notenmaterial wird anderen Männerchören zur Verfügung gestellt. Den Anzug mit passendem Hemd und Krawatte dürfen die Sänger für private Zwecke weiterverwenden. Alle übrigen Sachen werden entsorgt. Mit dem noch vorhandenen Geld hat der Männerchor im vergangenen Jahr drei gesellschaftliche Anlässe durchgeführt. Ausserdem hat er ihm nahestehenden Gesangsvereinen Spenden zukommen lassen.

Massnahmen waren erfolglos

Tatenlos blieb der Verein bei der Mitgliedersuche in den letzten Jahren nicht. Unter der Leitung von Monika Suppiger hat die Theatergruppe des Männerchors wesentlich dazu beigetragen, dass die Konzerte stets ein voller Erfolg waren – Neumitglieder fanden sich trotzdem nicht. Diese versuchte man auch mit diversen anderen Massnahmen zu gewinnen. So hat man laut Konrad Käch, Vize-Präsident des Männerchors, Aufrufe in Zeitungen geschaltet, an den Jahreskonzerten für neue Sänger geworben und anlässlich einer Ausstellung den Verein vorgestellt. Ausserdem hat der Männerchor 2017 anstelle des üblichen Jahreskonzertes eine musikalische Komödie aufgeführt, die einen Männerchor zeigte, der neue Sänger sucht. Doch auch damals hat kein Projektsänger im eigentlichen Chor weitergemacht.

«St. Urban hat während langer Zeit praktisch keine Bautätigkeit erlebt. So sind Neuzuzüger ausgeblieben», erklärt Käch einen der vielen Gründe, die zur Vereinsauflösung geführt haben. Ausserdem spricht er von der beruflichen Belastung, die generell zugenommen habe; die Leute hätten am Abend deshalb zu wenig Energie und Motivation, sich in einem Verein zu engagieren. Zusätzlich hätten viele in St. Urban aufgewachsene Junge das Dorf aus beruflichen Gründen verlassen. Den Hauptgrund sieht er jedoch im grossen Freizeitangebot von heute: «Anstelle des Singens sind vor allem im sportlichen Bereich viele andere Aktivitäten getreten. Man kann diese ohne Vereinszugehörigkeit konsumieren.»

Konsumation ist dabei das Stichwort für den Vize-Präsidenten, der die Gesellschaft von heute kritisiert: «Beim Engagement in einem Verein sehen viele Verpflichtungen auf sich zukommen. Zudem sind viele Termine durch den Verein vorgegeben. Auch fürchtet man, ein Amt übernehmen zu müssen. Wir leben in einer Wohlstandsgesellschaft. Man will vielfach nur konsumieren und ist selten bereit, mitzuhelfen.» Dass dieser Trend keine Ausnahme ist, beweist die Auflösung der Musikgesellschaft Wikon oder auch der vor dem Aus stehende Männerchor Wiggertal.