Neuer Coronastrang ist wohl noch gefährlicher – China zeigt nach Europa

Fast zwei Monate schien Peking über den Coronaberg. In den vergangenen fünf Tagen aber haben die Behörden über 100 neue Fälle gemeldet, allein am Dienstag waren es 27. Praktisch alle gehen auf den Xinfadi-Grossmarkt in Peking zurück, der bis am Wochenende 80 Prozent des Nahrungsmittelbedarfs der Hauptstadt gedeckt hatte.

Seither befindet sich die Stadtregierung wieder «im Kriegsmodus», wie sie stolz betont. Das Vorgehen erinnert in seiner Radikalität schon fast an die strengen Massnahmen im März: Risikogruppen dürfen Peking nicht mehr verlassen, einzelne Busrouten sowie Taxifahrten ausserhalb des Stadtgebiets wurden unterbrochen, Wohnsiedlungen entlang des Grossmarkts vollständig abgeriegelt. Im Stadtzentrum wurden gar ganze Bürotürme geschlossen, nur weil ein Angestellter den Markt besucht hat.

Um die Infizierten so rasch wie möglich zu finden, lassen die Behörden täglich Zehntausende auf das Virus testen. Beim Covid-19-Tracking aber bot die Privatwirtschaft der Regierung erstaunlicherweise Paroli: Die Betreiber der Bezahlplattformen Wechat-Pay und Ali-Pay weigern sich aus Datenschutzgründen, die Kontaktinformationen der mehreren hunderttausend Kunden weiterzugeben, die den Xinfadi-Grossmarkt kürzlich besucht hatten.
 

Schon wieder ist der Lachs schuld – wie schon 2010

Die Regierung betont, dass der Virusstrang nicht derselbe sei wie damals in Wuhan, sondern mit ziemlicher Sicherheit aus Europa stamme. Der neue Virusstrang sei möglicherweise ansteckender und gefährlicher, deuteten Wissenschaftler an.

Bei der Virusbekämpfung hat Peking in der Vergangenheit wiederholt die Bedrohung von «aussen» betont, um die eigenen Fehler zu übertünchen. So auch beim jetzigen Ausbruch in Peking: Am Wochenende meldeten die Behörden, dass der Erreger auf dem Grossmarkt Xinfadi auf einem Schneidebrett nachgewiesen wurde, auf dem «importierter» Lachs filetiert worden sei. Seither sind die Aktien einiger norwegischer Lachszüchter eingebrochen. Der norwegische Lachs wird in China damit schon zum zweiten Mal politisiert: Bereits 2010, als der Menschenrechtsaktivist Liu Xiaobo in Oslo den Friedensnobelpreis verliehen bekam, hat die Volksrepublik als wirtschaftliche Vergeltung die Fischimporte aus Norwegen eingestellt.