
Neuer Raiffeisen-Chef: Marathonläufer übernimmt von Langläufer
Mit Bauhelmen auf den Köpfen betreten Rolf Kyburz und Dominik Reichlin den Eingangsbereich des Gebäudes an der Vorderen Hauptgasse 51 in Zofingen und werfen einen prüfenden Blick ins Innere. Noch sind in dem stattlichen Haus Handwerker anzutreffen, denn hier entsteht der renovierte Hauptsitz mit der neuen Stubenbank der Raiffeisenbank Region Zofingen. «Es läuft nach Plan», sagt Rolf Kyburz, der Vorsitzende Bankleitung, zufrieden.
Auch sonst ist das Jahr für ihn nach Drehbuch verlaufen. Es ist sein letztes Jahr als Chef der 97 Jahre alten Traditionsbank mit inzwischen 48 Mitarbeitenden. 21 Jahre hat er sie geführt. Bereits Ende 2018 hat der Verwaltungsrat Dominik Reichlin als seinen Nachfolger bestimmt. Ein Jahr lang arbeiteten der scheidende und der neue Vorsitzende Hand in Hand. Anfang Januar wird Reichlin das Ruder offiziell übernehmen. An der Generalversammlung vom 3. April wird Rolf Kyburz dann auf sein letztes Jahr zurückblicken, danach geht er in Pension. «Es war ein grosses Glück, dass wir ein Jahr lang ohne grosse Reibereien zusammenarbeiten konnten», sagt Kyburz, während Reichlin beipflichtend nickt.
Eine einfache Zeit war es nicht für die beiden. «Das Marktumfeld mit den Negativzinsen hat uns stark gefordert», sagt Reichlin. «Und das wird sich vorerst nicht ändern.» Das Jahr 2019 wird als Meilenstein in die Geschichte der Bank eingehen, denn in diesem Jahr hat sie bei der Bilanzsumme die Milliardengrenze geknackt. «Wir sind zwar nicht volumengetrieben, aber es ist trotzdem ein schönes Zeichen», sagt Rolf Kyburz. Dank ihrer Grösse sei die Selbstständigkeit der Bank gesichert. Rund 20 000 Kundinnen und Kunden betreut die Raiffeisenbank Zofingen, sie hält damit in einem Gebiet mit fast 50 000 Einwohnern einen beachtlichen Marktanteil. Obwohl die Margen unter Druck sind, werde die Bank auch 2019 ein sehr gutes Ergebnis ausweisen können, so Kyburz.
Bei Renditeliegenschaften schon seit längerem vorsichtig
Der Standort Zofingen ist der letzte, der zu einer so genannten Stubenbank umgebaut wird – bei den Geschäftsstellen Oftringen und Safenwil wurde dieses Konzept bereits umgesetzt. «Mit den Stubenbanken haben wir einen Trend vorweggenommen», sagt Dominik Reichlin. Und: «Wir haben gemerkt, dass die Skepsis bei den Kundinnen und Kunden gross war – allerdings nur bis zu den Eröffnungen.»
Bei der Stubenbank gibt es keine trennenden Panzergläser mehr, denn der Schalter mit Bargeld ist verschwunden. Dieses beziehen die Kunden aus dem Automaten, und zwar während 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Was geblieben ist, ist das Bedürfnis nach individueller Beratung. Im «Stubengespräch» stehen die finanziellen Bedürfnisse der Kunden im Zentrum. «Wir wollen sie umfassend beraten», sagt Reichlin. Dazu gehören Beratungen im Hypotheken- und Anlagebereich, aber auch Finanzplanungen für Personen, die ihre Pensionierung frühzeitig planen wollen.
Raiffeisenbanken sind traditionell stark im Geschäft mit Hypotheken engagiert. Wird sich hier angesichts des Leerwohnungsbestandes in absehbarer Zeit einiges verändern? «Wir haben 2019 keine expliziten Verschärfungen vorgenommen», sagt Reichlin. «Denn bei Renditeliegenschaften sind wir schon seit längerem zurückhaltend.» Das Motto laute «Qualität vor Quantität» – «dem wollen wir treu bleiben».
Zu seinem offiziellen Start hat Dominik Reichlin ein intensives Programm vor sich. In den nächsten Wochen werden die Mitarbeiter aus den Provisorien in den umfassend renovierten Hauptsitz im Herzen der Altstadt zügeln. Erstmals geöffnet ist die neue Stubenbank am 24. Januar. Am 7. März findet ein grosses Eröffnungsfest für die Öffentlichkeit statt.
Und Rolf Kyburz? Der wird es bald etwas ruhiger angehen können. Allerdings nur beruflich, denn privat hat er einige Pläne. In den nächsten Wochen steht viel Langlauf-Training an, Anfang März will er in Schweden am Vasalauf teilnehmen, dem traditionsreichsten und längsten Langlauf-Rennen der Welt. Ein Marathonläufer ist auch Reichlin – in Laufschuhen. Seine beste Zeit (3 Stunden 26 Minuten) werde er mangels Training vorerst nicht unterbieten können, sagt er: «Mit einem Job als Vorsitzender und drei kleinen Kindern zu Hause bin ich ziemlich beschäftigt.»
Zur Person
Dominik Reichlin (39) absolvierte nach der Kaufmännischen Lehre bei der UBS die Berufsmaturität. Er bildete sich an diversen Hochschulen weiter, zuletzt mit einem berufsbegleitenden Masterstudium in Banking & Finance an der Hochschule für Wirtschaft in Zürich. Seine Karriere bei der Raiffeisen begann er als Kunden- und Finanzberater in Beromünster. 2009 bis 2012 war er dort Leiter der Geschäftsstelle Reinach, danach Leiter Finanzberatung der Raiffeisenbank Beromünster. Im Mai 2013 wechselte er als Leiter Vermögensberatung zur Raiffeisenbank Region Zofingen; 2014 wurde er hier Mitglied der Bankleitung. Reichlin ist verheiratet, Vater dreier Kinder und wohnt mit seiner Familie in Nottwil LU.
