
Nun schlägt der Bund auch bei Pfizer zu – die wichtigsten Fragen und Antworten zum Corona-Impfstoff
Eine Impfung gegen das Coronavirus wird als Ende der Krise gesehen. Doch ist sie das auch? Hier erfahren Sie unter anderem, mit welchen Pharmakonzernen die Schweiz bereits Verträge für Impfstoffe abgeschlossen hat, wer zuerst geimpft wird und wann die Impfstoffe in der Schweiz verfügbar sein könnten.
1. Der Bundesrat hat das Budget für die Impfstoff-Beschaffung um 100 Millionen Franken aufgestockt. Weshalb?
Der Bundesrat hat einen Kredit über 300 Millionen für Corona-Impfstoffe reserviert. Hinzu kommen weitere neun Millionen für Spritzen und anderes Material, das für die Impfung der Bevölkerung benötigt wird. Am Mittwoch hat der Bundesrat den Kredit um 100 auf 400 Millionen Franken erhöht. Er verschafft sich damit zusätzlichen Spielraum für den Einkauf einer Impfung. Mehrere Hersteller entwickeln derzeit unterschiedliche Impfstoffe. Der Bundesrat setzte von Anfang an nicht bloss auf ein Pferd, sondern auf mindestens sechs.
2. Der US-Pharmakonzern Pfizer und sein deutscher Partner Biontech haben am Montag vielversprechende Resultate zu ihrer Impfung präsentiert. Schlägt der Bund nun auch hier zu?
Es sieht ganz danach aus. Bundesrat Alain Berset gab mehr Details preis, als den Verantwortlichen des Bundesamt für Gesundheit lieb sein dürfte. Als Berset während der Medienkonferenz andeutete, dass der Bund auch mit dem Duo Pfizer/Biontech verhandelt, blieb der BAG-Verantwortlichen Nora Kronig nicht mehr viel übrig, als zu bestätigen: «Die Verhandlungen sind weit fortgeschritten.» Kronig ist die Leiterin der Abteilung Internationales beim BAG.
Nora Kronig, Leiterin Internationales beim Bundesamt für Gesundheit, ist unter anderem für die Beschaffung der Corona-Impstoffe zuständig.
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3. Was weiss man über die Verhandlungen?
Der Bund hat eine bindende Reservation für drei Millionen Impfdosen mit Pfizer abgeschlossen, wie Bundesrat Berset sagte. Die Frage des Bestellvolumens werde jeweils bereits bei der Verhandlung über die Reservation diskutiert, ergänzte Kronig. Im abschliessenden Vertrag werde neben dem Volumen auch der Lieferzeitplan, die Preise, die Haftungsfragen und rechtliche Aspekte geregelt. Normalerweise kommuniziere das Bundesamt für Gesundheit jedoch erst, wenn der Vertrag definitiv abgeschlossen sei, sagt Nora Kronig.
4. Welche anderen Verträge hat der Bundesrat bereits unter Dach und Fach?
Die Schweiz hat bislang zwei Verträge ausgehandelt. Im August sicherte sich das Land 4,5 Millionen Impfdosen der US-Biotechfirma Moderna. Diese arbeitet mit dem Basler Pharmazulieferer Lonza zusammen. Vor gut drei Wochen kam ein Vertrag mit dem Pharmakonzern Astrazeneca hinzu. Hier schloss der Bund einen Vertrag über die Lieferung von bis zu 5,3 Millionen Impfdosen ab. Zudem nimmt der Bund an der internationalen Impf-Initiative namens Covax teil. Im Idealfall erhielte die Schweiz weitere 3,2 Millionen Impfdosen. Mit Covax soll der weltweite Zugang zu Corona-Impfstoffen gesichert werden. Über 75 reiche Länder nehmen daran teil, darunter die Schweiz, sowie 90 arme Länder. Dabei sollen die Nationen die Impfstoffe über Covax einkaufen. Damit will die Initiative sicherstellen, dass alle Teilnehmer im Verhältnis zur Bevölkerungsgrösse gleich behandelt werden.
4. Welchen Ansatz verfolgt der Bund bei der Impfstoff-Beschaffung?
Die Schweiz setzt auf verschiedene Impfstoff-Ansätze, eine sogenannte Multiplattform-Strategie. Das BAG grenzte die anfänglich über 100 Hersteller ein. Wichtig ist, welche Firmen bei der Entwicklung weit fortgeschritten sind, wer klinische Tests durchführen kann und wer über die Kapazitäten verfügt, mehrere hundert Millionen Impfdosen herzustellen. Bundesrat Alain Berset zeigt sich optimistisch: «Durch den frühen Kontakt zu den Herstellern ist die Schweiz in einer guten Position.»
6. Wer wird zuerst geimpft?
Es zeichnet sich ab, dass zuerst das Gesundheitspersonal immunisiert wird. Danach folgen die Risikogruppen und die besonders gefährdeten Personen. Allerdings ist das Immunsystem älterer Personen nicht mehr so aktiv. Daher ist zu befürchten, dass die Wirkung einer Impfung nicht gleich gross ist, wie wenn sie einer Person mit einem aktiveren Immunsystem verabreicht wird. Ein Impfzwang wird es laut Bundesrat Berset nicht geben: «Jede Person muss selbst entscheiden, ob sie sich impfen lassen will oder nicht».
7. Wie viel verlangen die Hersteller für die Impfstoffe?
Am meisten verlangt die US-Firma Moderna. Eine Dosis kostet zwischen 32 und 37 Dollar, wenn ein Land kleinere Volumen bestellt. Darunter dürfte auch die Schweiz fallen. Der Bund hat 4,5 Millionen Dosen reserviert. Ist die Moderna-Impfung erfolgreich, würden umgerechnet Kosten von zwischen 132 und 153 Millionen Franken anfallen. Die Details des Vertrags sind jedoch unter Verschluss. Pfizer wiederum verlangt 19.50 Dollar pro Dosis, Astrazeneca lediglich 4 Dollar pro Stück. Dies lässt sich zumindest aus den Verträgen mit der US-Regierung ableiten. Die Unterschiede erklären sich teilweise mit den verschiedenen Herstellungsverfahren.
8. Wann kommt der Impfstoff in der Schweiz?
Der Bundesrat spricht davon, den Impfstoff «nächstes Jahr» einzuführen. Und zwar «so rasch wie möglich». Wann genau hängt von der Zulassung und der Lieferung ab. Stefan Kuster, Leiter der Abteilung übertragbare Krankheiten beim BAG, zerstreut die Vorstellung, dass es einen Stichtag geben wird: Der Impfstoff sei nicht sofort für alle Interessierten zugänglich. Die Dosen würden laufend neu geliefert. Alain Berset warnte zudem davor, dass mit dem Impfstoff plötzlich Normalität zurückkehrt: «Bis die Impfung wirkt und genügend Personen geimpft sind, wird es noch etwas länger dauern.»
Stefan Kuster, Leiter Übertragbare Krankheiten beim BAG, sagt, dass der Impfstoff nicht sofort für alle Schweizerinnen und Schweizer zugänglich sein wird.
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9. Die Schweiz will die Corona-Impfstoffe möglichst rasch zulassen. Wie funktioniert das genau?
Zuständig in der Schweiz ist die Swissmedic. Im Unterschied zur gewöhnlichen Zulassung von Impfstoffen und Medikamenten setzt die Arzneimittelbehörde auf ein beschleunigtes Verfahren. Erhält die Swissmedic vom Hersteller neue Daten, werden diese umgehend geprüft. Normalerweise muss eine Pharmafirma über sämtliche relevante Daten verfügen, bevor seinen Antrag zur Zulassung einreichen kann. Dies würde aber angesichts der Coronakrise viel zu lange dauern.
10. Wie sieht es mit den Nebenwirkungen der Corona-Impfstoffe aus?
Die Impfstoffe von Moderna und Pfizer beruhen auf dem gleichen Wirkmechanismus. Daher sind auch die Nebenwirkungen ähnlich. Am häufigsten treten hohes Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen sowie Erschöpfung auf. Bei der Impfung von Astrazeneca wurden in bisherigen Studien vor allem grippeähnliche Symptome festgestellt, und dies bei 70 Prozent der Studienteilnehmer. Zudem wurde auch hier hohes Fieber von über 38 Grad beobachtet.
11. Lagerung und Transport des Impfstoffs sind wegen der Kühlung auf -70 Grad kompliziert. Wie bereitet sich die Schweiz darauf vor?
Die Schweiz arbeitet seit Monaten am Aufbau der Logistik und Verteilung des Impfstoffs, wie Berset sagt. Für die zentralen Abläufe ist die Armee zuständig, sie organisiert zusammen mit den Kantonen die Kühlketten sowie die Verteilung. «Das Material ist schon eingekauft und reserviert», sagt Nora Kronig vom BAG. Welche Geräte und wie viele Kühlschränke angeschafft werden müssen, ist nicht bekannt. Armeesprecher Daniel Reist erklärt, er könne nicht detailliert Auskunft geben. Nur so viel: «Wir sind auf gutem Weg.»
Der führende US-Virologe Anthony Fauci rechnet damit, dass in seinem Land bereits im Dezember die ersten Personen geimpft werden.
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12. Der US-Pharmakonzern Pfizer will in den USA bereits nächste Woche eine sogenannte Notfallzulassung beantragen. Wie geht es dort weiter?
Die zuständige Gesundheitsbehörde FDA soll dafür in den nächsten Wochen grünes Licht geben. Der führende US-Virologe Anthony Fauci rechnet damit, dass bereits im Dezember die ersten Impfungen verabreicht werden. US-Gesundheitsminister Alex Azar will zuerst Menschen in Alters- und Pflegeheimen, das Gesundheitspersonal und Rettungskräfte impfen. Dies soll zwischen Ende Jahr und Anfang Januar passieren. Die breite Bevölkerung soll Ende März oder Anfang April Zugang zu ersten Impfstoffen erhalten.