
Nur eine schafft es in den Wiigger Gemeinderat – VIDEO
Andrea Baumgartner, Carmen Hodel und Rosmarie Brunner (KPE) Andrea Baumgartner, Carmen Hodel und Rosmarie Brunner (KPE) Andrea Baumgartner, Carmen Hodel und Rosmarie Brunner (KPE) Andrea Baumgartner, Carmen Hodel und Rosmarie Brunner (KPE) Andrea Baumgartner, Carmen Hodel und Rosmarie Brunner (KPE)
Eine unpolitische Frage zum Einstieg. Sie sind alle Mütter und berufstätig. Was haben Sie vor unserem Gespräch um 10 Uhr morgens bereits alles erledigt?
Andrea Baumgartner: Ich bin um 5.30 Uhr aufgestanden und habe heute Morgen schon den Stall gemacht mit den Kühen. Ich musste das jüngste Kälbchen behandeln, das gestern zur Welt kam. Ich habe das Zmittag schon vorgekocht, die Küche halbwegs aufgeräumt sowie die jüngste Tochter angezogen.
Carmen Hodel: Da meine Kinder heute noch den letzten Ferientag geniessen, habe ich heute noch nicht so viel erledigt. Ich habe meine Tiere gefüttert, Hühner, Geissen, Schafe, Hund und Katze. Wir wohnen in einem Drei-Generationenhaus, einem Heimetli im Hintermoos, mit viel Umschwung.
Rosmarie Brunner: Ich habe heute auch meinen Haushaltstag, mit all den üblichen anfallenden Arbeiten. Daneben habe ich die Hühner gefüttert, ausserdem hatten wir heute Morgen einen Berater auf dem Hof. Da zwei meiner vier Kinder Schulferien haben, konnte ich den heutigen Morgen entspannter als sonst angehen.
Wie sind die Reaktionen Ihres Umfelds auf Ihre Gemeinderatskandidatur?
Baumgartner: Ich habe bereits für den Luzerner Kantonsrat kandidiert. Die Gemeinderatswahlen sind aber spannender, man ist näher bei den Leuten. Ich habe auf meine Kandidatur für den Gemeinderat ein positives Feedback erhalten, auch von Fremden, die auf mich zukommen. Sie fanden es gut, dass ich das versuche. Viele fanden, ich könne das von meiner persönlichen Erfahrung und Ausbildung her.
Hodel: Ich wurde gefragt, ob ich mir das wirklich antun will (lacht). Man wollte wissen, ob ich einen breiten Rücken habe, und ich habe das bejaht. Ich bin es gewohnt hinzustehen, meine Meinung auf konstruktive Weise zu vertreten.
Brunner: Aus meinem Umfeld kommen ebenfalls positive und ermutigende Reaktionen. Jemand hat auch gefragt, warum ich mir das antue (lacht). Innerhalb der CVP habe ich bereits für mehrere Ämter erfolgreich kandidiert.
Warum wollen Sie sich denn den Gemeinderat Wikon «antun» nach all den Querelen dort?
Hodel: Für mich ist die Zeit reif für eine neue Herausforderung. Als die Frage der Kandidatur an mich herangetragen wurde, hatte ich das Gefühl, dass meine beruflichen Qualifikationen und meine Erfahrungen, die ich mitbringe, zum Amt der Sozialvorsteherin passen. Ich käme in ein Amt, wo ich Neues lernen könnte, denn ganz ehrlich, ich glaube nicht, dass ich alles schon kann. Aber ich bin bereit zu lernen und mein Know-how einzubringen. Für das Amt der Sozialvorsteherin gibt es ja keine Lehre.
Baumgartner: Ich finde das Sozialwesen sehr interessant. Man hat mit Menschen zu tun, ist Brückenbauer bei Problemen und muss Leuten unter die Arme greifen können. Man braucht auch ein gewisses Gespür, muss verstehen und zuhören können.
Brunner: Einerseits finde ich das Amt der Sozialvorsteherin interessant, weil man, wie Andrea Baumgartner sagte, mit Menschen zu tun hat. Es braucht eine hohe Sozialkompetenz. Man muss sich aber auch in administrativen und komplexen Sachfragen wohlfühlen und Verantwortung übernehmen. Andererseits finde ich den politischen Teil megaspannend; ich bin politisch seit mehreren Jahren engagiert, auf Gemeindeebene zum Beispiel als Ortsparteipräsidentin.
Wo sehen Sie das Hauptproblem des Gemeinderats Wikon?
Brunner: Das Hauptproblem ist die Kommunikation, intern im Rat, aber auch extern. Der Gemeinderat hat sicher Mühe damit bekundet, den Draht zur Bevölkerung zu finden und den richtigen Umgang zu pflegen.
Baumgartner: Das sehe ich auch so. Das Gespräch mit der Bevölkerung sollte wieder aufgenommen werden. Man muss wieder Antworten auf die dringendsten Fragen geben, sodass die Leute zufrieden sind. Gemeinsam sollte man wieder an der Gemeindepolitik arbeiten und nach vorne schauen, Ehrlichkeit ist wichtig und Offenheit. Man sollte flicken, was in letzter Zeit kaputt gegangen ist.
Welche Kommunikationsmassnahmen stellen Sie sich denn konkret vor?
Brunner: Es geht darum, dass der Gemeinderat als Kollektiv ein Kommunikationskonzept entwickelt und geeint nach draussen geht. Und dass nicht Einzelne als Einzelpersonen kommunizieren. Der Kollegialitätsgedanke muss wieder absolute Priorität gewinnen.
Baumgartner: Es ist wichtig, dass die Gemeinde wieder ehrlich gegenüber uns ist. Man muss jedem Gemeinderat im Gremium wieder die Chance geben, dass er das beweisen kann. Die Geschichten, die passiert sind, sollte man vergessen, respektive schauen, dass es nicht so weitergeht. Viele Monate ist nichts passiert in der Gemeinde. Jetzt müssen die aufgestauten Pendenzen aufgearbeitet werden. Man sollte dem Gemeinderat wieder Vertrauen schenken. Der Gemeinderat sollte auch wieder in der Öffentlichkeit auftreten und an Versammlungen gehen, bei Vereinen vorbeigehen, sich am Dorffest zeigen. Das Dorf sollte gestärkt werden.
Hat sich die Stimmung im Dorf seit den Wechseln im Gemeinderat und im Gemeindepräsidium unter Michaela Tschuor verbessert?
Hodel: Ja, ich habe schon den Eindruck. Als ich hörte, dass Esther Ammann (Anm. d. Red.: frühere SP-Gemeinderätin, die sich wieder zur Verfügung gestellt hat) wieder zurück ist, dachte ich, dass es wieder auf einem guten Weg ist. Darum mein Entscheid, die Kandidatur anzunehmen. In dieser Konstellation wäre ich bereit mitzuarbeiten. Im vorherigen Gemeinderat wäre ich es nicht gewesen.
Brunner: Ich glaube, Wikon profitiert viel von Michaela Tschuor und dass sie das Präsidium übernommen hat. Es gab einen breiten Konsens für sie. Das ist positiv und führt dazu, dass ich mir eine Arbeit in diesem Gremium vorstellen kann.
Baumgartner: Es ist Ruhe eingekehrt. Man hat es gemerkt an der Gemeindeversammlung vom 30. November, die Michaela Tschuor leitete. Das neue Klima motiviert die Leute, sich einzubringen und mitzuhelfen. Es war übrigens noch nie jemand aus dem Hintermoos im Gemeinderat …
Was wollen Sie in Ihrer Gemeinde als Erstes anpacken, wenn Sie gewählt werden?
Brunner: Was mich betrifft, würde ich sicher die Verbesserung der Kommunikation anpacken.
Hodel: Es ist wichtig, dass man einen Konsens findet im Team, dass man auch zu einem Team wird und miteinander und nicht gegeneinander arbeitet. Ich habe den Eindruck, dass der Gemeinderat auf einem guten Weg ist. Ich würde mich gerne einbringen und zur Teambildung eines starken Gremiums beitragen.
Baumgartner: Vieles wurde schon gesagt. Es entspricht auch meiner Meinung. Die Kommunikation verbessern, die Zusammenarbeit, Ziele gemeinsam angehen und stark und sicher auftreten. Man sollte wieder Brücken bauen zwischen der Bevölkerung und den Behörden.
Testen wir Ihr Fachwissen. Die Sozialvorsteherin verwaltet ein Budget von 1,44 Millionen Franken, es ist laut Verwaltungsrechnung 2018 der drittgrösste Posten. Warum ist dieses Budget so hoch? Wie viele Personen beziehen Sozialhilfe in Wikon?
Brunner: Das weiss ich nicht. Aber was man an jeder Gemeindeversammlung erfährt, ist, dass die Zahl mit den Zu- und Wegzügen zu- oder abnimmt. Da hat man eine relativ hohe Fluktuation, die auch mit der Wohnungssituation zusammenhängt.
Baumgartner: Bei den Sozialfällen ist es schon so, dass die Zahl von einem Jahr zum anderen schwankt. Auch die Arbeitswelt und die Zu- und Wegzüge spielen eine Rolle. Da kann jemand über Nacht Sozialfall werden, wenn er in eine blöde Situation hineingerät, wegen Unfall, Arbeitslosigkeit oder Ähnlichem.
Sehen Sie irgendwo Sparmöglichkeiten im Sozialbudget, und braucht es diese überhaupt?
Hodel: Man muss sich an die Richtlinien der SKOS halten (Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe). Da wird es schwierig zu sparen.
Andrea Baumgartner und Rosmarie Brunner stimmen mit Carmen Hodel überein in dieser Frage.
Frau Baumgartner, Sie haben sich im «Willisauer Boten» dahingehend geäussert, dass man die Sozialhilfe nicht ausbauen sollte und sprachen gar von Missbrauch. Jetzt tönt es ganz anders.
Baumgartner: Mir ist wichtig, dass das Geld gezielt an diejenigen Leute geht, die es wirklich brauchen. Man sollte schauen, dass das Sozialeinkommen nicht zu einem Grundeinkommen wird. Mit dem Sozialgeld sollten sie den Alltag bewältigen können, auch im Dorf und in den Vereinen mitmachen können, damit sie sich nicht ausgeschlossen fühlen und ihr Selbstwertgefühl behalten. Man sollte die Personen auch motivieren, Arbeit zu finden und den Wiedereinstieg in die Berufswelt zu schaffen. Meine Aussagen sind vielleicht unglücklich rübergekommen.
Was haben Sie konkret mit Missbrauch gemeint?
Dass das Geld nicht in falsche Hände kommt.
Frau Brunner, auch an Sie eine kritische Frage: Ihr Werbeslogan lautet «Miteinander statt gegeneinander». Trauen Sie sich harte politische Auseinandersetzungen im Gemeinderat zu oder sind Sie harmoniebedürftig?
Tendenziell schon (lacht). Ich kenne kein Gremium, in dem man zusammen arbeiten kann, wenn man Streit hat. Ich meine damit nicht, dass Friede-Freude-Eierkuchen herrschen muss im Gemeinderat. Ich finde aber, der Gemeinderat sollte zusammen Lösungen suchen und diese gemeinsam tragen. Es gibt Anzeichen, dass das im Gemeinderat noch nicht richtig funktioniert. Und ja, ich traue mir harte, aber faire politische Auseinandersetzungen zu.
Was verstehen Sie unter «fairer Sozialpolitik»?
Ich will damit ausdrücken, dass die Sozialpolitik für beide Seiten fair sein muss. Sozialhilfenehmer sollten mit dem zur Verfügung gestellten Geld leben können und am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Die Sozialpolitik muss anderseits auch tragbar sein für die Gemeindefinanzen.
Frau Hodel, bringen Sie als ausgebildete Sozialpädagogin nicht etwas zu viel Einfühlungsvermögens fürs Amt der Sozialvorsteherin mit?
Hodel: Ich habe kein Helfersyndrom! Wenn Sie in dieser sozialen Arbeit bestehen wollen, müssen Sie lernen, sich abzugrenzen. Denn wir hatten an meinen früheren Arbeitsorten wirklich Leute, die ganz am Boden waren. Wenn ich nur helfen wollte, dann wäre ich selber dort unten. Im Umgang mit den Randständigen lernen Sie Stopp zu sagen. Man muss Gefühle zeigen, aber nicht mitleiden. Professionalität ist auch, abzuschalten zu können. So viel geben, wie es braucht, damit der Klient möglichst selbstständig funktionieren kann.
Es fällt auf, dass Sie eigentlich gar nicht miteinander streiten und oft einer Meinung sind.
Brunner: Ja, es sagen alle etwa das Gleiche.
Ich habe schon auf etwas mehr Kontroverse gehofft.
Hodel: Das wäre eine Schlagzeile gewesen (alle lachen). Aber das Ziel ist ja, dass es in Wikon wieder rund laufen, und vorwärtsgehen soll. Wo ich Frau Baumgartner widersprechen muss, ich glaube nicht, dass man vergessen sollte, was passiert ist. Man muss daraus seine Lehren ziehen und in die Zukunft schauen.
Baumgartner: Ja, man sollte daraus Lehren ziehen und nun mit neuer Kraft und Ideen gemeinsam vorwärtsgehen.
Hodel: Ich weiss nicht, wie viele neue Ideen es wirklich braucht im Gemeinderat. Ich glaube, man sollte zuerst zur Ruhe kommen und arbeiten. Ich bin auch überzeugt, dass Frau Tschuor ihre Arbeit sehr gut macht. Jetzt in den Gemeinderat reinkommen und alles verändern wollen, wäre das Dümmste, das man machen könnte. Darum denke ich, dass Konsens finden und vor allem Teambildung wichtig sind. Aber in einer Korporation müssen nicht alle immer gleicher Meinung sein.
Baumgartner: Ich glaube, die Leute finden es spannend, dass es nun eine Auswahl an drei Kandidatinnen gibt. Die Leute müssen sich wieder mehr mit Politik und mit Personen auseinandersetzen. Das ist der erste Schritt, den es braucht, um die Gemeinde wieder nach vorne zu bringen. Die Leute haben Freude, dass es nun drei Frauen gibt, die sich für das Amt bewerben.