
Oder beni öppen e Bank?
Ab und zu fragt mich der Chef, in welchem Zeitalter ich eigentlich lebe. In seiner Stimme klingt dann meist Belustigung, aber auch etwas Resignation mit. Die Frage stellt er mir zum Beispiel, wenn ich ihm einen Text, ausgedruckt auf Papier, zum Gegenlesen auf den Tisch lege. Oder wenn er realisiert, dass ich keine Ahnung davon habe, dass die SBB ausserhalb der Stosszeiten Sparbillette anbieten, die man online kaufen kann. Oder wenn ich erzähle, dass ich nach wie vor CDs kaufe und Streaming-Plattformen, im Speziellen Spotify, für den grössten Mist halte. Richtig schockieren kann ich aber nicht nur meinen Chef, wenn ich zugebe, dass ich kein Online-Banking mache. Dabei ist es doch sooo wahnsinnig gäbig, dieses Online-Banking! Alles kann man damit machen, wozu in der Steinzeit ein Gang zur Bank nötig war. Und erst die tolle Übersicht über sämtliche bereits getätigte Bankgeschäfte! Ausdrucken kann man auch alles für die Steuererklärung, ein riesengrosser Vorteil!
Ich könnte ein dickes Buch schreiben über alle Vorteile des Online-Bankings, so oft musste ich sie mir in den letzten Jahren anhören. Ich sehe sogar ein, dass es sich tatsächlich um Vorteile handelt. Nur eine klitzekleine Nebensächlichkeit vergessen die Online-Banking-Fans jeweils: um in den Genuss all dieser Vorteile zu kommen, muss ich einen Grossteil der Arbeit selber erledigen, für die man eigentlich Leute ausbildet, die Lohn dafür erhalten. Will ich das? Nein! Darum stecke ich alle paar Wochen die offenen Rechnungen in einen Umschlag und bringe sie zur Bank, in meinem Fall zur NAB, bei der ich (noch) Kunde bin. Da sitzt, wenn ich Glück habe, Frau Härtsch am Schalter. Sie ist stets gut gelaunt, hat Sommersprossen und viel Geduld mit Leuten wie mir, denen Geld nichts sagt und die oft nur vorbeikommen, um den Kontostand auf allen Konten zu erfragen. Frau Härtsch weiss mittlerweile, dass es zwecklos ist, mir Online-Banking anzupreisen – nicht mal die immer unverschämteren Gebühren für Dienstleistungen wirken. Schön wäre es, die Vorgesetzten der Vorgesetzten von Frau Härtsch hätten ebenso viel Verständnis für die unterschiedlichen Bedürfnisse ihrer Kunden, die nebenbei ja auch Menschen sind. Schliesslich verlangen die von uns ja auch Verständnis dafür, dass sie sparen und Jobs abbauen müssen. Angesichts kümmerlicher 2,5 Milliarden Gewinn der CS im ersten Halbjahr 2020 verstehen wir das natürlich sofort und leiden still mit.