
«Ohne Training verkümmert die Psyche ebenso wie der Körper»
Natascha Badmann und Toni Hasler, wie sehen Ihre Pläne für Sonntag aus?
Natascha Badmann: Das kommt auf das Wetter an.
Toni Hasler: Wenn es schön ist, gehen wir Velo fahren.
Badmann: Wenn der 32. Powerman Zofingen nicht stattfindet, machen wir etwas anderes Tolles. Der Anlass wird uns jedoch fehlen. Aber da stehen wir nicht alleine da, es wären sicher viele Athleten gerne gekommen.
Das OK sprach sich gegen einen abgespeckten Powerman aus und sagte den Event ab. Sie hätten eine «Light»-Version bevorzugt?
Badmann: Auf jeden Fall. Obwohl aus Übersee wohl nicht viele gekommen wären und man das Hauptrennen nicht als WM hätte betiteln können.
Hasler: Warum nicht? Die Rad-WM wird auch durchgeführt in Italien. Und an die Tour de France kamen Fahrer aus Übersee. In Italien, Österreich oder Frankreich gibt es wieder internationale Wettkämpfe. In der Schweiz geht das nicht.
Badmann: Es geht bedenklich langsam vorwärts hier zurück in die Normalität. Rennabsagen sind leider immer noch häufiger als Neuansetzungen.
Ist es für eine Sportlerin schwieriger, wenn ein Wettkampf abgesagt wird, oder wenn sie ihn aufgrund einer Verletzung verpasst?
Badmann: Wenn ich wegen einer Verletzung nicht starten kann, dann spüre ich Wehmut, weil die anderen können, aber ich nicht. Eine Absage heisst für alle, dass sie nicht mittun können. Global ärgert es einen einfach, wenn man das Gefühl hat, man wäre gut ‹zwäg›, das aber nicht zeigen kann. In meiner Aktivzeit wusste ich, nach dem Rennen kann ich mich erholen, dann beginnt die Vorbereitung auf das nächste Ziel. Heute wird ein Anlass verschoben, dann gar abgesagt. Diese Unsicherheit erschwert die Planung.
Toni Hasler, Sie betreuen 15 Athleten, wie schreiben Sie unter Corona-Umständen deren Trainingspläne?
Hasler: Trotz vieler Unbekannten versuche ich, Trainingspläne mit Höhepunkten und Abwechslung zu erarbeiten. Zwar sind Topathleten heute für Hometrainings eingerichtet, etwa mit einer Rolle, aber ein Laufband ist eine teure Anschaffung. Das Training auf einer Schwimmbank ersetzt jenes im Pool oder See nicht ganz, da das Wassergefühl fehlt. Die Pläne blieben und bleiben so lange wie möglich auf Rennen ausgerichtet. Einige Athleten absolvieren fiktive Wettkämpfe für sich alleine, die ebenso gut geplant sein wollen wie reale. Oder sie weichen auf Rennen im Ausland aus. Andere hatten Angst, dass sie nach Starts ausserhalb der Schweiz in Quarantäne müssen und verzichteten. Eine Quarantäne ist ja nicht nur aus sportlicher Sicht nicht lustig.
Sie mussten im Trainingslager in Gran Canaria drei Wochen in Quarantäne – erzählen Sie!
Badmann: Wir waren zum Glück feudal untergebracht in einer Villa mit Aussicht auf die Berge. Toni legte in der Anlage eine 600 m lange Runde zum Joggen an. Im hauseigenen Pool erstellte er für jeden Tag Programme mit einem Gummiseil an den Füssen zum Schwimmen. Und wir hatten eine Rolle, die wir abwechslungsweise nutzen konnten. Das schlimmste war, dass wir die leeren Berge sahen und wussten, da könnten wir – mit genügend Abstand zueinander – tolle Fahrten machen. Aber man musste ja in den eigenen vier Wänden bleiben. Als der Nachbar mit dem Hund vorbeispazierte, dachte ich: «Ich will auch einen Hund, dann darf ich raus.»
Hasler: Der Strand, an dem wir eben noch schwammen, war innerhalb einer Stunde von der Polizei geräumt.
Badmann: Überall standen Polizisten mit Maschinenpistolen. Das fährt einem ein. Wir können froh sein, dass man in der Schweiz zum Teil auf die Vernunft der Menschen baut, dass wir die Hände desinfizieren und Abstand halten und dass es nie eine Ausgangssperre gab.
Wie motiviert man sich, im Training an Grenzen zu gehen, obwohl kein Wettkampf auf einen wartet?
Badmann: Da fragt es sich, was für einen selber der Sinn des Sports ist. Ist das Ziel Gesundheit und Fitness, kann man weitermachen wie vorher, dazu braucht es keine Wettkämpfe. Und als Athletin weiss ich, wie meine Zeit auf welcher Strecke war. Nehmen wir den Powerman. Ich kenne meine Werte vom Aufstieg auf den Bodenberg. Da kann ich auch im Radtraining versuchen, schneller zu sein als je zuvor.
Hasler: Heute gibt es gute Mess- und Analysegeräte, um die eigenen Fortschritte festzustellen. Das ist Motivation genug, im Training alles zu geben.
Badmann: Ich startete in einem Rennen nie, um besser als alle anderen zu sein, sondern um mein Bestes zu geben. Wenn das zum Sieg reicht, ist es wunderbar. Die wettkampfarme Corona-Phase verschafft uns Zeit, an Techniken zu feilen und Dinge anzupacken, denen wir sonst zwischen den Rennen zu wenig Beachtung schenkten.
Aber der Konkurrenzkampf in den Rennen – der fehlt einem doch als Sportlerin?
Hasler: Der fehlt Natascha nicht.
Badmann: Da hast du recht, Toni. Aber es gibt Athleten, die alles auf den Vergleich mit anderen aufbauen. Das verstehe ich, aber ich habe da immer anders getickt.
Hasler: Ich versuche meinen Athleten klarzumachen: nicht die anderen sind wichtig, du bist wichtig. Schau auf deine Daten und Defizite und verbessere diese. Das geht auch in simulierten Wettkämpfen.
Aber einen Zieleinlauf kann man nicht simulieren und einen Jubel nicht nachholen.
Badmann: Das stimmt. Umso glücklicher bin ich, dass ich Ende 2019 und Anfang 2020 bei Rennen in Indien und im Oman dieses Gefühl erleben durfte.
Im Oktober 2004 wurden Sie am Ironman Hawaii hinter Nina Kraft Zweite. Die Deutsche wurde später des Dopings überführt. Sie erbten den Sieg. Ihr Ärger über den «geklauten Triumph» war gross. Kürzlich schied Nina Kraft (51) aus dem Leben. Kamen die Erinnerungen an 2004 wieder hoch, als ihr Tod in den Medien publik wurde?
Badmann: Das ist passé. Ich hatte damals lange, ehe ich das verarbeiten konnte. Ich erinnere mich gut an den Moment, als ich 2004 ins Ziel lief mit einem Rückstand von gut 20 Minuten. Ist es Zeit, dass ich jetzt aufhöre?, fragte ich Toni. Wie um alles in der Welt hätte ich es anstellen müssen, um 20 Minuten schneller sein zu können und so viel besser zu werden?
Hasler: Ich sagte zu Natascha, warte zwei Monate ab. Im Dezember kam die Meldung, dass Nina gedopt war. Ihre frappante Leistungssteigerung innert einem Jahr war auf natürlichem Weg schlicht unmöglich. Sie zahlte einen hohen Preis für ihr Dopingvergehen. Das ist es nicht wert. Das Leben geht nach einem Wettkampf weiter. Als Trainer von Natascha sagte ich immer: Ich will auch später noch eine gesunde Frau haben.
Deshalb stoppten Sie sie 2007, als sie auf Hawaii nach einem Velo-
sturz mit völlig lädierten Schultern weiterfahren wollte. War Ihre Frau mental zu stark und spürte ihren Körper nicht mehr? Kann Mentaltraining also gefährlich sein?
Badmann: Die erste Diagnose vor Ort war ein Schlüsselbeinbruch. Da kann ich wie Tylor Hamilton an der Tour de France weiterfahren, dachte ich. Ich pedalte zum Checkpoint, wo Toni wartete. Er sagte, ich solle anhalten. Aber ich konnte die Bremse nicht mehr bedienen. Das war der Moment, als er mich vom Velo hob.
Hasler: Ein Mensch, der nicht die mentalen Werkzeuge gehabt hätte wie Natascha, wäre auf keinen Fall weitergefahren. Jeder Arzt sagte, es ist eigentlich unmöglich, mit einer solchen Verletzung nicht aufzugeben. Durchs Weiterfahren ging einiges kaputt in der Muskulatur. Deshalb: ja, mentale Stärke kann gefährlich werden. Aber nur in ihrer extremsten Form. Wenn jemand lernt, sich und seine Gefühle total zu beherrschen, kann er Schmerzen komplett ausblenden.
Grundsätzlich nützt aber mentales Training jedem Sportler?
Hasler: Jedem Menschen. Wenn wir den Körper nicht durch Bewegung trainieren, verkümmert er – bei der Psyche ist es genauso. Sie wird nur stärker, wenn wir sie nutzen, fordern und fördern. Das Fokussieren im Sport hilft einem auch im Alltag. Die Aussage «heute war nicht mein Tag» zeigt, dass es unter anderem im Mentalen fehlt.
Die berühmte «schlechte Tagesform» gibt es also nicht?
Hasler: Diesen Spruch habe ich als Trainer nie akzeptiert. Wer mit mir arbeitet, lernt, wie man mental viel steuern kann. Klar, du kannst immer Pech haben. Aber grundsätzlich ist physisch, psychisch oder technisch immer ein Fehler passiert, wenn ein Athlet im Wettkampf nicht die Bestleistung abrufen konnte.
Wer seine Bestleistung abruft, muss im Gegenzug also zufrieden sein, auch mit Rang 10 statt 1? Oder ist es doch nur der Sieg, der Energie und Motivation verschafft?
Badmann: Wenn ich alles gegeben habe und alles aufgegangen ist, darf ich doch auch als Zehnte im Ziel jubeln? Auch, wenn es Menschen gibt, die mich dann belächeln. Seit ich Sport treibe, schöpfe ich meine Energie nicht aus Resultaten, sondern aus der Natur in diesem schönen Land, in dem wir leben dürfen. Dankbarkeit ist mein Motor.
Hasler: Dankbarkeit ist der Weg zum Glück. Es ist wichtig, dass man schätzt, was man hat – gesunde Beine, ein Dach über dem Kopf oder etwas zu Essen ist nicht selbstverständlich. Aber man sollte auch mit den richtigen Werkzeugen an sich arbeiten, damit es einem auch in Zukunft noch gut geht.
Badmann: Was sind da schon gewisse Einschränkungen, wie wir sie wegen Covid-19 haben. Es ist alles eine Frage der Perspektive. Auch wir spürten beruflich Folgen. Referate, Seminare, Trainingslager fielen ins Wasser. Aber wir wollen nicht jammern. Wir sind gesund, können zusammen trainieren.
Hasler: Genau. Wir sollten los, mit dem Velo an den Sempachersee. Natascha, dir ist der See wohl zu kalt mit 21 Grad? Beim letzten Mal hatte ich Krämpfe.
Badmann: Wir Triathleten schwimmen morgens um 7 bei Wettkämpfen in kälterem Wasser. Zumindest die Profis. Nur Weicheier tragen Neopren.
Hasler: Dann kommst du auch in den See?
Badmann: Nein, ich steige in den Pool.
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Powerman im Mai statt im September
Powerman ZofingenMitte Juli fiel der Entscheid, den 32. Powerman Zofingen vom 20. September 2020 aufgrund der Corona-Pandemie auf den 29. und 30. Mai 2021 zu verschieben. In der Entscheidungsfindung waren für das lokale OK, die Internationale Triathlon Union (ITU), die Internationale Powerman Association (IPA) und Swiss Triathlon insbesondere die verschärften Einreisebeschränkungen in die Schweiz und die erhöhten Schutzanforderungen an Grossanlässen relevant. Das Rennen in der Thutstadt hätte erneut WM-Charakter gehabt, nun werden dieses Jahr keine Langdistanz-Duathlon-WM-Titel vergeben. Von der Verschiebung sind nebst der WM auch die offenen Langdistanz-Kategorien, die Kurzdistanz-Wettbewerbe, die Nachwuchs- sprich Powerkids-Rennen sowie der Charity-Event betroffen. Alle Rennen wurden neu auf Mai 2021 angesetzt. Die Bestätigung, dass in Zofingen dann erneut die Langdistanz-WM- Medaillen ausgehändigt werden, liegt vonseiten der internationalen Verbände vor. Die Anmeldungen für 2020 wurden auf 2021 übertragen. Das Anmeldeportal bleibt offen. (gam)
Das Duo Badmann und Hasler
Natascha Badmann (53) gewann sechsmal den Ironman Hawaii und dreimal (1996/97 und 2000) den Langdistanz-Duathlon beim Powerman Zofingen. Sie traf 1989 den ehemaligen Triathlon-Nationaltrainer Toni Hasler. Er wurde ihr Lebenspartner und Trainer und förderte ihr Talent und ihre Entwicklung zur Spitzensportlerin.Toni Hasler (64) betreut aktuell 15 Athleten. Die beiden Küngoldinger gelten hierzulande als Pioniere des Mentalen Trainings. Heute ist Badmann ambitionierte Breitensportlerin, Referentin, Botschafterin des Powerman Zofingen und setzt sich für verschiedene Bewegungsporgramme ein. Aktuell unterstützt sie das Programm B2Mission.
B2Mission – jetzt anmelden
B2Mission verbindet – zeitlich und örtlich flexibel – Teambuilding und Gesundheitsförderung für alle Arten und Leistungsniveaus von Läuferinnen und Läufern. Seit dem 1. September bis zum 30. September kann man mit einer App rennend oder walkend überall in der Schweiz Punkte sammeln. Jeder Kilometer zählt! Wann, wo, wie lange und ob gemeinsam mit anderen oder allein man sich bewegt, ist völlig offen. In 13 Schweizer Städten gibt es zudem eine Punktejagd. B2Mission gibt die Checkpoints vor. Den Weg dazwischen bestimmen die Teilnehmenden selber. Wer Lust hat, mitzumachen, kann sich fürs Team Natascha anmelden und so Punkte mitsammeln. Hier gehts zur Anmeldung.