Ordnet der Bundesrat schon bald Lichterlöschen an?

Gibt es für unser Land und seine Bevölkerung eine grössere aktuelle Bedrohung als die Corona-Pandemie mit ihren wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen? Ja, die gibt es in Form eines lang anhaltenden Strommangels mit wiederholten temporären Stromabschaltungen. Laut Experten wird die Wahrscheinlichkeit eines solchen Szenarios immer grösser. Aus diesem Grund haben letzte Woche 30 000 Unternehmen eine Broschüre erhalten, die sie darüber informiert, dass der Bundesrat im Falle einer Stromknappheit sie zu einem geringeren Stromverbrauch verpflichten kann. Tritt eine Stromknappheit ein, erfolgen gemäss dem bundesrätlichen Text zunächst Sparappelle an die Bevölkerung. In einem zweiten Schritt kann die Landesregierung den Betrieb von Schwimmbädern, Klimaanlagen oder Rolltreppen verbieten. In einem dritten Schritt würde der Strom für die Wirtschaft kontingentiert. Das in der Schweiz, die als Elektrizitätsland par excellence gilt.

Begonnen hatte alles im Mai 1886 in Thorenberg bei Littau, wo das erste WechselstromKraftwerk weltweit in Betrieb ging, das Dritte mit Strom belieferte. Edison war in New York zwar etwas früher mit einem Netz präsent, welches aber ausschliesslich Leuten zur Verfügung stand, die Edison-Anwendungen (Glühlampe) nutzten. Insbesondere die Weltkriege, der Mangel an Kohle und an anderen importierten Energieträgern führten zu einem Ausbau der einheimischen Wasserkraft. Deren Rolle ist auch heute noch im Strommix der Schweiz mit 56,4 Prozent dominant. Weitere 35,2 Prozent stammen aus der Kernkraft – die nach dem Willen der Stimmbürgerinnen und -bürger zu ersetzen ist –, zu 2,6 Prozent aus fossilen und zu knapp 6 Prozent aus neuen erneuerbaren Energien.

An die Schweizer Steckdosen wird aber nicht nur Strom aus einheimischer Produktion geliefert. Übers ganze Jahr gesehen, produziert die Schweiz zwar meistens genügend Strom, um den Verbrauch abzudecken. Allerdings ist die Stromproduktion vor allem im Sommer hoch, im Winter dagegen ist man auf Importe angewiesen. 2017 war die Schweiz erstmals übers ganze Jahr gesehen Nettoimporteurin – nicht nur in Spitzenzeiten, sondern in der Gesamtmenge auf Strom aus dem Ausland angewiesen.

Hier tun die Nadelstiche der EU im Nachgang des gescheiterten Rahmenabkommens wirklich weh. Netztechnisch ist die Schweiz zwar noch immer Stromdrehscheibe Europas – aber wenn es um die Verteilung der elektrischen Energie geht, ein Drittland, das erst etwas abbekommt, wenn die Bedürfnisse der Mitgliedsstaaten abgedeckt sind. Insbesondere Deutschland als Wirtschaftslokomotive der EU kämpft nach einem Ausstieg aus der Kernenergie mit Stromengpässen. Mit anderen Worten: Unsere derzeitigen Stromimporte sind nicht gesichert.

Mit ihrer nach der Fukushima-Havarie übereilt beschlossenen Energiestrategie hat sich die Schweiz als Nicht-EU-Mitglied ohne Not selber in diese missliche Situation manövriert. Was ist zu tun? Wir sollten mit der Abschaltung der Kernkraftwerke so lange zuwarten, wie diese sicher betrieben werden können. Diesen Zeitgewinn müssen wir für den Ausbau alternativer Energien nutzen – und uns an die Idee gewöhnen, dass auf unseren Hügelketten Windkraftanlagen zu stehen kommen könnten. Und wir müssen uns Gedanken über die Verwendung der Elektrizität machen. Es kann nicht sein, dass Gaskraftwerke dereinst unsere Elektromobilität alimentieren.