
Papa macht das: Dariusz Skrzypczak und die späte Rückkehr nach Posen
Wenn ein Wasserfall sprechen könnte, dann müsste er Dariusz heissen. Als der Pole an einem Oktobermorgen aus seinem neuen Leben erzählt, sprudelt es nur so aus ihm heraus. Nach zwei erfolgreichen Jahren beim FC Solothurn in der 1. Liga ist der 51-Jährige im Sommer in seine Heimat und in den Profifussball zurückgekehrt. Die Begeisterung darüber schwingt in jedem Satz mit. «Der alte Neue ist zurück», sagt Dariusz Skrzypczak und muss über seinen Spruch lachen.
Die gute Laune ist berechtigt. Nach einem 4:0 über Wisla Krakau hatte sich Lech Posen mit nur noch drei Punkten Rückstand auf Leader Pogon Stettin in die Länderspielpause verabschiedet. «Damit sind wir vorerst ganz zufrieden», sagt Skrzypczak. In Posen, mit 530 000 Einwohnern die fünftgrösste Stadt Polens, arbeitet er als Assistent von Trainer Dariusz Zuraw. Und gibt zu, dass es für ihn schon eine Umstellung gewesen sei, nach dreieinhalb Jahren als Cheftrainer plötzlich nicht mehr das finale Sagen zu haben. «Ich habe mich damit aber gut arrangiert und bin sehr zufrieden mit meinem Aufgabenbereich», sagt Skrzypczak. «In Polen ist der Cheftrainer vor allem ein Beobachter, und so bleibt es oft mir überlassen, die Trainings zu leiten.»
Nach 25 Jahren in der Schweiz mit gut gefülltem Rucksack zurück
25 Jahre hat Skrzypczak als Spieler und Trainer in der Schweiz verbracht. 1994 war er zum FC Aarau gestossen und für diesen in 299 Pflichtspielen aufgelaufen. Später war er als Trainer für diverse Klubs vom FC Emmenbrücke über den FC Entfelden bis hin zum FC Solothurn tätig, dazwischen auch als Co-Trainer beim FC Luzern unter Ryszard Komornicki und Carlos Bernegger. «In all diesen Jahren habe ich den Kontakt nach Posen sorgsam gepflegt», sagt Skrzypczak. «2003 habe ich dann das Versprechen abgegeben, eines Tages zurückzukommen und als Trainer so viele Erfolge zu feiern wie einst als Spieler.»
Schon mit 14 Jahren hatte er aus dem 100 Kilometer entfernten Rawicz nach Posen in die Jugendakademie von Lech gewechselt und parallel zur fussballerischen Ausbildung den Beruf des Lokomotivführers erlernt. Seine Berufung aber war nicht das Schienennetz, sondern der Fussballplatz. Er trug 300 Mal das Trikot von Lech und wurde in diesem dreimal Meister und einmal Cupsieger. Dass das Warten auf eine Rückkehr 16 Jahre dauern würde, hätte er nicht für möglich gehalten.
Dann endlich, im Juni dieses Jahres, kam der ersehnte Anruf. Der Präsident von Lech bot Skrzypczak an, als Staffmitglied in einem neuen Projekt mitzumachen. Dieser besprach sich mit seiner Frau Ewa und den beiden erwachsenen Kindern. Das Resultat: Papa macht das; der Rest der Familie bleibt in der Schweiz.
Der Zuschauerschnitt hat sich im Nu auf 20 000 verdoppelt
Überzeugt hat Skrzypczak vor allem das vom Präsidenten angestossene Projekt «Zurück zu den alten Stärken». Es mag eine gute Prise Nostalgie mitspielen bei all den Erinnerungen an die Meisterjahre 1990, 1992 und 1993, aber die Idee, wie damals vermehrt auf eigene Spieler aus Posen und Umgebung zu setzen, hat die Fans gleich in ihren Bann gezogen. Der Zuschauerschnitt von 10 000 in der letzten Saison hat sich auf 20 000 verdoppelt.
«Wir wollen es wie der FC Basel vor zehn, zwölf Jahren machen, der die Ur-Basler Huggel, Streller und Frei zurückholte», sagt Skrzypczak, «aber wir stehen erst ganz am Anfang.» Die aktuelle Mannschaft besteht noch vorwiegend aus Auswärtigen, angeführt vom Basler Darko Jevtic, dem Captain. Es gibt auch einen Dänen im Team, einen Slowaken und einen Serben. Das Budget beträgt 20 Millionen Franken.
Mittelfristig ist der Posten als Cheftrainer sein Ziel
Skrzypczak hätte sich vorstellen können, direkt als Cheftrainer einzusteigen. Der Präsident aber war der Meinung, dass dies nach 25-jähriger Abwesenheit vom polnischen Fussball bei den Fans nicht gut ankäme. «Aber klar will ich mittelfristig Cheftrainer werden: Das weiss auch Zuraw», sagt Skrzypczak, der einen Zweijahresvertrag unterschrieben hat. «Das heisst natürlich nicht, dass ich nur darauf warte, bis er entlassen wird.»
Gemeinsam möchten sie die Aufbruchstimmung in Polens Fussballstadt Nummer eins nützen, um den siebenfachen Meister wieder ganz oben im Tableau zu etablieren. «Die Fans wollen, dass wir Meister werden. Und natürlich wollen dies auch wir Trainer und die Spieler», sagt Skrzypczak. Er ist glücklich, wieder einen Platz im Profifussball gefunden zu haben. «Es fehlt hier an nichts. Das EM-Stadion mit seinen 44 000 Plätzen ist super und die Trainingsinfrastruktur auch», sagt Skrzypczak.
Nach 45-minütigem Redeschwall beendet er das Gespräch mit dem Satz: «Die Rückkehr zu Lech war immer mein Ziel. Jetzt habe ich es erreicht. Jetzt bin ich zu Hause.» 16 Jahre musste er warten.
Sportdirektor Ryszard Komornicki möchte den GKS Tychy in die höchste Spielklasse führen
Wie Dariusz Skrzypczak hat auch Ryszard Komornicki zu seinem Stammklub zurückgefunden. Wie sein Landsmann ist er im Sommer aus dem Aargau aufgebrochen und dem Ruf seiner polnischen Heimat gefolgt. Beim GKS Tychy hatte er einst seine Karriere lanciert, war dann zum damals noch grossen Gornik Zabrze – zusammen mit Ruch Chorzow mit je 14 Titeln noch heute polnischer Rekordmeister – gegangen und 1989 zum FC Aarau weitergezogen. Mit diesem wurde er 1993 Meister und beendete ein Jahr später, just als Skrzypczak ins Brügglifeld kam, seine Spielerlaufbahn. Seit Juli arbeitet er nun als Sportdirektor beim GKS Tychy; also dort, wo alles begann. Dieser belegt in der 1. Liga, unter der Ekstraklasa die zweithöchste Liga Polens, aktuell den neunten Rang von 18 Mannschaften und weist einen Zuschauerschnitt von 4000 auf. Das neue Stadion mit 17 000 Plätzen gilt als eines der schönsten in Polen. Angefragt wurde Komornicki vom Bürgermeister. Denn der Verein gehört der Stadt und wird über Steuergelder finanziert. Tychy liegt in Schlesien und hat 130 000 Einwohner. «Es ist wunderbar hier, ideal, um Ferien zu machen», so Komornicki, dessen Frau mit ihm gekommen ist. Beim GKS ist er neben den Transfers auch für die Ausbildung zuständig. «Es macht Spass, der Job entspricht eher meinem Alter, als jener des Trainers», sagt der 60-Jährige schmunzelnd. Er möchte mit Tychy aufsteigen.