
Party machen mit 47 Chromosomen
Ich war mir sicher. Er ist überflüssig. Der Welt-Down-Syndrom-Tag, der immer am 21. März gefeiert wird. Heute weiss man doch, was das Down-Syndrom ist und dass die meisten Leute mit dieser genetischen Besonderheit ein relativ selbstständiges Leben führen können. Bis mich ein Arbeitskollege am Kaffeeautomat fragte: «Du, dieses Downdings bei deiner Tochter, geht das wieder weg?».
Es braucht ihn also doch, den Welt-Down-Syndrom-Tag. Mit Plakaten, Events und Online-Aktionen schärft er das Bewusstsein für die Menschen, die etwas anders aussehen wie die meisten von uns. Und auch ein wenig anders ticken. Wie du, Emily. Die meisten Menschen kommen mit 46 Chromosomen zur Welt. Du nicht. Du hast 47, weil dein 21. dreifach vorhanden ist. Trisomie 21 heisst das. Oder eben Down-Syndrom, benannt nach John L. Down, der als erstes die Merkmale des Down-Syndroms beschrieb.
Die meisten Menschen kommen mit einem gesunden Herzen zur Welt. Du nicht. Dein Herzfehler war reparabel. Heute wissen wir, dass Ärzte wirklich Götter in Weiss sein können. Die meisten Kinder entwickeln sich rasant. Du nicht. Du gibst uns die Chance, deine Fortschritte intensiv mitzuverfolgen. Die meisten Kinder sind nicht mit Vorurteilen konfrontiert. Du vielleicht schon. Aber zum Glück nicht in unserem Umfeld. Mit deiner Art, Menschen zu begegnen, zeigst du selber, wie das geht: dieses Aufeinanderzugehen ohne Berührungsängste. Vielen Menschen sind Freundlichkeit oder Herzlichkeit abhandengekommen. Dir nicht. Dein Lächeln steckt an. Danke, «hoi» und «guet Nacht» kommen automatisch über deine Lippen. Dein Charme lockt manchen aus der Komfortzone. Gewisse Menschen müss(t)en Bücher lesen zum Thema Achtsamkeit oder Wertschätzung. Du kannst dir das später sparen. Du herzt uns ebenso wie die Hauskatze, den Regenwurm, das gepflückte Gänseblümchen, dein Plüschschweinchen oder das Duplomännchen.
Man sagt, dass neun von zehn Schwangeren, die ein Kind wie dich erwarten, sich für eine Abtreibung entscheiden. Auch daran lässt uns der Welt-Down-Syndrom-Tag denken. Oder für meinen Kollegen vom Kaffeeautomaten: Das Down-Syndrom geht nur weg, wenn auch der Mensch verschwindet, der es trägt. Wir wollten dich. Und heute weisst auch du ganz genau, was du willst. Und was nicht.
Und so ist für uns heute Welt-Down-Syndrom-Tag – und an jedem anderen im Jahr. Weil es mit dir eigentlich jeden Tag etwas zu feiern gibt. Oder wie du sagst: «Party mache. Gniesse.»