
Philipp Rytz: «Sobald ich auf dem Eis bin, gibt es nur eines: Gewinnen!»
Philipp Rytz, Sie pendeln zwischen Lyss und Olten. Mal ehrlich: Wie oft wollten Sie am Morgen in Richtung Langenthal abbiegen?
Philipp Rytz: Eigentlich nie (lacht). Ich bin einer, der nach vorne schaut. Der ganze Transfer ging zügig über die Bühne und seither gilt der Fokus dem EHC Olten.
Wie kam es zu Ihrem Transfer?
Alle Parteien haben sich getroffen, das Gespräch gesucht und als das Ganze auf dem Tisch war, hatte man sich recht schnell gefunden. Zu viel will ich aber nicht mehr darüber sprechen. Es ist für alle Beteiligten gut, wie es ist, das ist das Wichtigste. Ich wollte auf jeden Fall böses Blut vermeiden.
Wurden Sie überrascht, als Sie vom Interesse des EHC Olten erfuhren?
Ein bisschen schon, muss ich ehrlich zugeben. Vor allem auch, weil ich noch einen laufenden Vertrag bei Langenthal hatte. Ich bin eigentlich ein Typ, der Verträge einhält. Und trotzdem muss man offen sein. Ich hatte darüber nachgedacht und der Wechsel machte Sinn. Es hat sehr schnell für mich gepasst. Und auch für alle anderen.
Hatten Sie keine Bedenken zum Erzrivalen zu wechseln?
Natürlich löst ein solcher Wechsel immer Gesprächsstoff aus, das ist normal. Es schlug Wellen, aber es war nicht etwa so, dass ich mit irgendwelchen Drohungen konfrontiert worden wäre. Und Bedenken hatte ich keine. Ich war von Anfang an überzeugt von diesem Schritt, sonst hätte ich es nicht gemacht.
Wie haben Sie als Langenthaler die Rivalität zu Olten erlebt? Man hat das Gefühl, in Olten ist die Gefühlslage etwas verkrampfter.
Es ist in Langenthal schon auch eine Rivalität vorhanden, das spürt man. Aber ich muss auch sagen, dass ich bislang noch nicht viel aus Oltner Sicht mitbekommen habe. Es mag sein, dass die Rivalität hier etwas ausgeprägter ist.
Wie hat man Olten wahrgenommen als Langenthaler?
(überlegt lange) Ja, hmm – ist noch schwierig zu sagen (schmunzelt).
Nur keine Zurückhaltung – jetzt dürfen Sie es ja verraten.
Die Spiele gegen Olten waren für uns von grosser Bedeutung, wir wollten sie in allen Spielen immer schlagen. Vor allem auch in den Playoffs. Wir hatten uns auf die Halbfinal-Serie gefreut. Aber das war wohl aus Oltner Sicht nicht anders. Wir wussten in Langenthal, dass wir ein gutes Team hatten, waren überzeugt davon, dass wir den EHCO schlagen können, wenn wir super-solide auftreten.
In Ihren drei Jahren bei Langenthal haben Sie eine sehr erfolgreiche Zeit erlebt. Wie funktioniert ein erfolgreiches Team?
Das Spannende ist, dass es keine exakte Vorgehensweise gibt, sonst würden sie kopiert werden. Es kommt sicher nicht von heute auf morgen, es ist ein langer Prozess, der sich während einer Saison ergibt. Man muss Geduld haben, nie aufgeben weiter zu arbeiten. Wichtig ist auch, dass man einen konkreten Plan hat, und an ihn glaubt. Ein Ziel vor Augen zu haben ist enorm wichtig. Und natürlich der Zusammenhalt im Team.
Ist das Gemeinsame, zusammen an einem Strick ziehen, einer der wichtigsten Punkte?
Für mich ist es das Wichtigste. Und dabei geht es auch darum, dass man etwas offen ansprechen darf, unter den Spielern, aber auch gegenüber dem Trainerstaff. Jeder soll sich äussern können, wenn etwas nicht passt. Und vielleicht sollte man hin und wieder auch das Gute, das Schöne, ansprechen, das geht ja viel eher mal unter. Und es muss auch Platz haben für andere Sachen, selbst in der Garderobe, das schweisst zusammen.
Und auf dem Eis?
Man sagt immer, das System sei extrem wichtig. Das ist sicher so. Aber da sind vor allem auch wir Führungsspieler gefragt, dass wir das Gefragte richtig umsetzen. Und dann sollten alle mitziehen, wenn es von allen Seiten her ein bisschen zieht, wird es schwierig. Während der Qualifikation mag das noch gehen, aber in den Playoffs wird man bestraft. In den Playoffs muss vor allem dann auch das eigene Ego weichen. Man darf nur noch das tun, was für das Team am besten ist. Und wenn es schon während der Saison funktioniert oder zumindest ein kontinuierlicher Prozess sichtbar ist, dann kommt es gut.
Haben Sie das Gefühl, dass der EHC Olten, Ausgabe 19/20, all diese Grundlagen mitbringt?
Ich habe dieses Gefühl, ja. Klar, wir sind noch nicht lange zusammen, trainieren erst seit etwa sechs Wochen auf dem Eis. Ich denke, auch wenn die Vorbereitung nicht mit der Meisterschaft vergleichbar ist, dass wir ein gutes, ausgeglichenes Team haben, das hart arbeitet. Ich glaube auch, dass die Mannschaft die Fähigkeiten besitzt, auch mal Schlechtes wegstecken zu können. Wichtig ist auch, dass nicht nur wir Spieler daran glauben, sondern wir auch Rückendeckung vom Umfeld, von der Vereinsführung spüren – und das ist sicher gegeben. Und natürlich: Umso mehr Support man von aussen, von den Fans, bekommt und spürt, desto einfacher fällt es den Spielern auf dem Eis.
Man hatte in den vergangenen Jahren immer das Gefühl, dass eine klare Hierarchie in Olten fehlte, das Team hatte fast zu viel Talent. Glauben Sie, dass die Hierarchie nun stimmt?
Ich denke schon. Aber das wird sich auch erst im Laufe der Saison wirklich herauskristallisieren. Man merkt nach sechs Wochen noch nicht durchs Band weg, wie alle Spieler ticken. Es gibt Typen, die sind ab der ersten Sekunde offen, reden viel. Dann gibt es jene, die etwas verschlossener sind und sich erst später öffnen. Wichtig ist, dass man das alles akzeptieren kann. Die Hierarchie ist wichtig, ja…
…die hatten Sie in Langenthal sehr ausgeprägt.
Ja, das hatten wir. Aber es war nicht so, dass nur der Captain oder seine Assistenten aufstehen durften. Klar sind sie führend, aber das muss nicht immer so sein. Ich finde es enorm wichtig, dass sich jeder zu Wort melden darf. Vielleicht hat gerade ein Junior eine Meinung, die zum Denken anregt.
Wie interpretieren Sie Ihre Rolle als Captain?
Gegen aussen bin ich sicher ein Repräsentant des Teams. Wir sind die Ansprechpersonen, sind vielleicht auch verstärkt das Bindeglied zwischen Trainer und Team. Aber ich will und werde mich deswegen nicht verändern, ich bin so, wie ich bin, ob Captain oder nicht. Und meine Art ist auch so, wie sie ist (lacht). Ich mache mir keine Gedanken darüber. Ich war selber noch nie Captain. Es wird deshalb auch für mich etwas Neues sein.
Waren Sie überrascht über die Ernennung?
Ja, ich war tatsächlich etwas überrascht. Aber für mich ist es eine grosse Ehre, ich freue mich auf das Amt. Ich musste auch nicht lange darüber nachdenken, ob ich es in Angriff nehmen möchte.
Hört man sich etwas rum, werden Sie als herzensguter Mensch beschrieben. Auf die andere Seite sind Sie auf dem Eis ein harter Hund, den man lieber im eigenen Team hat. Wie schaffen Sie jeweils diese Wandlung?
Sobald ich auf dem Eis bin, gibt es nur eines: Unbedingt gewinnen, ich will etwas erreichen. Ich hasse es, zu verlieren und dann werde ich manchmal emotional. Daran muss ich nach wie vor an mir arbeiten, aber das wird sich auch kaum ändern. Bin ich dann in der Garderobe oder ausserhalb des Stadions, dann ist es für mich etwas ganz anderes. Ich will Spass haben und strebe auch ausserhalb des Eishockeys etwas an, das mich glücklich macht und womit ich zufrieden sein kann. Da gehören die zwischenmenschlichen Aspekte dazu. Man kann nicht mit allen gleich gut befreundet sein, aber man kann für jeden ein offenes Ohr haben. Wenn man sieht, dass einen Teamkollegen etwas beschäftigt, dann gehe ich hin und frage, was los ist. Auch das ist wichtig.
Aber Ihr Stil auf dem Eis bleibt.
Ganz ehrlich: Ich war schon immer so auf dem Eis und ich mache es auch nicht extra. Ich sehe das auch nicht als spezielle Leistung an. Auf dem Eis steht das Gewinnen im Vordergrund. Und ich habe meinen Stil im Verlauf der Karriere gefunden, bin hineingewachsen. Ich bin nicht der Supertechniker und das hart Spielen gehört zu mir. Es ist eine Stärke von mir und damit kann ich dem Team helfen.
Wie entwickelt man einen Charakterzug, der seiner «normalen» Persönlichkeit eigentlich widerspricht? Hat das vielleicht auch mit Ihrem Bruder Simon zu tun?
Ich glaube schon, dass es in der Natur jedes einzelnen Menschen sein kann. Simon und ich haben immer zusammen Eishockey gespielt, haben uns auch immer angestachelt. Und dann kommen viele weitere Faktoren dazu, die einen Einfluss haben können. Es ist sicher auch ein Prozess seiner Persönlichkeit, in welcher Lebenssituation man sich gerade befindet, in welchem Team man ist, wo man aufwächst, das hat alles einen Einfluss auf sein Spiel.
Für Trainer Fredrik Söderström war schnell einmal klar, dass er Sie als Captain will, sah schon bald eine grosse Persönlichkeit in Ihnen. Er hat Ihren Spielstil aber auch als «verrückt» beschrieben.
Er kann das demnach recht gut einschätzen (schmunzelt). Einerseits freut es mich, denkt er über mich so, andererseits ist es auch eine Verantwortung. Er schenkt mir das Vertrauen und ich will das gerne auch zurückgeben in Form von guten Leistungen.
Wie würden Sie Ihre Beziehung zu Söderström nach den ersten Wochen beschreiben?
Sehr gut, unser Austausch ist sehr intensiv! Aber nicht nur ich alleine, auch mit der ganzen Mannschaft, aber auch mit dem Captainteam. Es gibt viele organisatorische Sachen zu klären, Trainingszeiten, der Ablauf vor dem Training, wann sind unsere Meetings? Fredrik ist einer, der sehr offen ist für Gespräche, offen ist für andere Meinungen.
Sowohl Sie wie auch Söderström müssen sich beide an ein neues Umfeld gewöhnen und trotzdem bereits jetzt viel Verantwortung übernehmen, ein grosses Spannungsfeld.
Ja es ist nicht immer einfach. Aber da haben wir ja auch Typen im Team, die schon länger da sind. Und ich scheue mich nicht, ganz im Gegenteil, auch mal sie zu fragen, wie sie das gemacht haben. Wir finden eine geeignete Balance und ziehen alle ein.
Als Captain muss man besonnen sein. Können Sie Ihre Rolle als harter Hund dennoch spielen?
Ich denke schon, dass das vereinbar ist. Natürlich gibt es Situationen, wie der Austausch mit den Schiedsrichtern, die man als Captain eher sucht. Vielleicht muss ich mich dann eher mal zurücknehmen, auch das gehört dazu.
Sie spielen nach vielen Jahren endlich wieder mit Ihrem Bruder Simon zusammen. War das ein wichtiger Punkt?
Mit Sicherheit. Wir hätten schon fast einmal wieder zusammengespielt, aber es hat dann nicht geklappt. Es freut mich sehr, dass wir wieder im gleichen Team sind. Simon ist auch einer, der gerne etwas sagt und auch ein sehr wichtiger Spieler in der Garderobe. Es ist sehr schön, ich schätze es sehr.
Ist Ihre Beziehung zu Ihrem Bruder mit dem Wechsel wieder intensiver geworden?
Ja, ganz automatisch. Wir hatten vorher schon immer viel Kontakt, haben oft telefoniert oder man hat sich hin und wieder besucht. Nun sehen wir uns jeden Tag, fahren auch immer zusammen mit dem Auto nach Olten und haben dadurch sehr viel Gesprächsstoff.
Wie erlebten Sie die Spiele gegen Ihren Bruder? Sie hatten lange Zeit gebraucht, bis Sie ein Tor gegen ihn geschossen hatten.
Am Anfang war es sehr speziell, aber mit der Zeit wurde es normal, man konzentriert sich eher auf das eigene Spiel. Und dann geht es während 60 Minuten ums Eishockey, ums Gewinnen, dann ist auch der Bruder ein Gegner. Und dann hat man gelacht, wenn man ein Tor geschossen hat oder keines bekommen hat. Da hat man schon gegenseitig Sprüche ausgeteilt. Lange war er der Sprücheklopfer, bis ich sie loslassen konnte (lacht).
Für den Erfolg braucht es Geduld, die bekamen Sie in Langenthal. Das Umfeld in Olten ist unruhiger. Wie gehen Sie mit Druck um?
Ich denke, es ist sehr wichtig, dass wir als Mannschaft mit Druck umgehen können. Jeder Spieler kommt nach Olten, weil er weiss, dass ein gutes Team da ist, dass Ambitionen da sind, Ziele gesteckt sind, dann muss man mit dem Druck klar kommen. Ich persönlich mag den Druck und die Ambitionen. Natürlich gibt es Situationen, in denen es nicht läuft und es unruhig wird, das habe ich schon oft erlebt. Es wird auch keine Saison mit 44 Siegen und null Niederlagen in den Playoffs. Dann die Ruhe zu bewahren, ist wichtig.