
Plastik-Recycling-Projekt: Migros Luzern macht einen Rückzieher
Vor zwei Wochen hat die Migros prominent ein Pionierprojekt angekündigt. «Die Migros läutet eine neue Ära im Bereich der Nachhaltigkeit ein», hiess es am 17. Juni an einer Pressekonferenz in Bern. – Zuerst die grosse Ankündigung, nun die Verschiebung: Die Migros hat die auf diesen Montag angekündigte Einführung eines Plastik-Recycling-Projekts in der Zentralschweiz verschoben. Zu den Gründen heisst es: Damit wollte der Grossverteiler Voraussetzungen schaffen, um die Initiative «gemeinsam mit den für die Abfallbewirtschaftung zuständigen Zentralschweizer Abfallzweckverbänden zu starten».
Sobald das neue Startdatum für die Zentralschweiz bekannt sei, werde der Grossverteiler wieder informieren, teilte die Genossenschaft Migros Luzern weiter mit.
Migros informierte Kantone und Gemeinden vorgängig
Die Mitteilung wirft Fragen auf. Hat die Migros ihr Projekt im Alleingang geplant? «Vor dem geplanten Start der Pilotphase und der öffentlichen Kommunikation hat die Migros alle Kantone und Gemeinden im Wirtschaftsgebiet der Genossenschaft Luzern informiert, in denen sich Testfilialen für das neue Recycling-Angebot befinden», sagt Lisa Savenberg, Mediensprecherin der Genossenschaft Migros Luzern. Laut Savenberg waren 40 Sammelstellen in der Zentralschweiz geplant.
Nimmt die Migros den Abfallzweckverbänden damit Abfall weg, den sie zur Auslastung der Kehrichtverbrennungsanlagen braucht? Moderne Kehrichtverbrennungsanlagen wie die Renergia in Perlen werden durch die aus Erdöl bestehenden Stoffe zusätzlich befeuert. «Nein, die Zentralschweizer Abfallzweckverbände (Trägerschaft der Renergia) und die Migros verfolgen die gleichen Ziele, nämlich zur umweltfreundlichen Kreislaufwirtschaft beizutragen», sagt die Migros-Sprecherin zu dieser Frage. Die Abfallzweckverbände begrüssten es, dass sich die Migros in den Bereichen Verpackung, Abfallvermeidung und -bewirtschaftung engagiere.
Beim Zweckverband REAL hiess es gestern, man gebe zu diesem Thema keine Auskunft und verweist an die Migros.
Man munkelt, dass der einstweilige Rückzieher des Grossverteilers vielleicht darauf zurückzuführen ist, dass sich dieser das Sammeln zu einfach vorgestellt hat. Bereits jetzt kann man als Migros-Kunde seine Plastikflaschen in die bestehenden Sammelbehälter einwerfen. Doch was geschieht, wenn plötzlich 50 bis 100 Säcke Plastik in einer Migros-Filiale anfallen? Darauf sind die Filialen nicht vorbereitet. Sie sind ja keine Abfallsammelstellen. Dafür sind die Gemeinden zuständig.
Plastik sammeln und recyclen liegt im Trend. Im Sommer 2018 kündigten die Firmen Gasser AG aus Dagmersellen und InnoRecycling aus Eschlikon TG an, in 30 Gemeinden zwischen Willisau und Olten Plastik sammeln und wiederverwerten zu wollen. Bei Gasser AG werden die Säcke gepresst und für den Transport nach Eschlikon vorbereitet. Dort werden die Plastiksorten getrennt, später weitertransportiert und in Vorarlberg und Deutschland zu einem Granulat weiterverarbeitet.
«Das Migros-Projekt ist keine Konkurrenz, sondern eine Ergänzung zu diesem Projekt. Aber die Migros hat ihr eigenes System», sagt Markus Tonner, Geschäftsführer der Innorecycling AG auf Anfrage dieser Zeitung. Die Migros zählt auch zu den Kunden von Innorecycling. Zum eigenen Geschäft mit dem Plastikabfall sagt Tonner: «Es läuft sehr gut! 2019 sammelten wir 4200 Tonnen Plastikabfälle. In diesem Jahr verzeichnen wir einen rechten Anstieg der Mengen.» Inzwischen arbeitet die Firma mit über 200 Gemeinden in der Schweiz zusammen.
Gasser: «Zwei Systeme nicht kompatibel»
Kritischer sieht Markus Gasser, Geschäftsführer der Gasser AG und Kunde von Innorecyling, das Vorpreschen der Migros. «Wir sind nicht erfreut. Unser System und das der Migros sind nicht kompatibel.» Ihren Sammelsack könne man irgendwo in der Schweiz kaufen und überall abgeben. Denjenigen der Migros nur bei dieser. Man habe extra ein Sammelstellensystem aufgebaut. Er befürchtet, dass es ein Durcheinander gibt, wer welche Säcke annimmt – und der Konsument verwirrt wird. Gasser: «Im Wiggertal sind potenziell bereits 100 000 Kunden bei unserem Sack angeschlossen.»