
Road-Pricing ist eine Diskussion wert
Mit grosser Freude hat die ehemalige SVP-Nationalrätin Sylvia Flückiger aus Schöftland am letzten Freitag das ZT gelesen. Da will der Bundesrat doch tatsächlich die Autobahnen entlasten, indem er Extraspuren für gut besetzte Autos einrichtet. Damit die angestrebten Fahrgemeinschaften formiert werden können, soll es an den Autobahnanschlüssen Parklätze geben. Genau dies – genügend Park+Pool-Parkplätze in der Nähe von Autobahnauffahrten – hatte Sylvia Flückiger in einer Motion gefordert.
Ihr Anliegen wurde im Herbst 2019 vom Nationalrat knapp mit 87 zu 90 Stimmen «versenkt». Hinter Flückiger hatten sich die Fraktionen von FDP und SVP gestellt, während andere Parteien – insbesondere SP, Grüne und GLP – den ablehnenden Argumenten von Bundesrätin Simonetta Somaruga (SP) folgten.
Somaruga führte vor zehn Monaten im Natonalrat aus, der Bundesrat unterstütze zwar Massnahmen, die das Ziel haben, den Besetzungsgrad von Fahrzeugen zu verbessern. «Aber einfach einen Parkplatz hinstellen – und auch noch gratis –, genügt nicht. Mit isolierten und erst noch kostspieligen Schritten wie diesem erreichen wir das Ziel nicht», sagte die Bundesrätin damals.
Was ihr Departement nun vorschlägt, wird richtig teuer: Ein Ausbau der Autobahnen auf sechs Spuren, von denen zwei für Familien und Fahrgemeinschaften reserviert sind. Eine Patentlösung ist das nicht, was auch für Tempo 80 gilt – bei dieser Geschwindigkeit ist die Kapazität einer Autobahn in der Regel am grössten. Wir haben es hier mit einer Pflästerli-Politik zu tun, welche den Verkehrszusammenbruch lediglich hinauszögert.
In einem Land, in welchem die Bevölkerungszahl steigt und steigt – und mit ihr die Mobilitätsbedürfnisse – muss der Ansatz ein anderer sein. Angesagt ist, die Verkehrsspitzen zu brechen, was auch für den öffentlichen Verkehr gilt. Ansätze sind Home-Office, flexiblerer Arbeitsbeginn und -schluss. Aber auch Sport- oder Kulturveranstaltungen zwingen einen, das Verkehrsmittel zu vorgegebenen Zeiten zu nutzen. «Prime-Time» auf unserem Strassennetz muss in Zukunft etwas kosten – so wie die SBB die Fahrt in schlecht ausgelasteten Zügen per Spar-Billett verbilligt.
Ganz klar: Ein starres Road-Pricing à la London ist ein reiner «Strassenzoll». Ein solches Modell ist zudem unsozial. Die vierköpfige Familie in ihrem Fiat Panda muss ihre Fahrten einschränken, während der vermögende Lamborghini-Fahrer lächelt und sich über staufreie Strassen freut.
Als Luft- und Klimaschutzmassnahme – wie das Deutschland propagiert – wirft Road-Pricing ein grosses Fragezeichen auf. Ob Elektromobil oder Ottomotor: Im Stau benötigen beide gleich viel Platz, müssten also gleich stark zur Kasse gebeten werden.
Strassengebühren sind nicht der Weisheit letzter Schluss. Aber wir müssen sie diskutieren sowie Vor- und Nachteile eines intelligenten Modells gegeneinander abwägen.