Schlechtes Zeugnis: Im Kanton Aargau wohnen am drittmeisten Tierschutz-Straftäter

Der Kanton Aargau kommt in der neusten Statistik der Verurteilungen wegen Tierschutz nicht besonders gut weg: 2017 wurden im schweizweiten Vergleich am drittmeisten Verurteilungen (154) gezählt, und das obwohl die Zahl gegenüber dem Vorjahr um 35 tiefer liegt. Dies geht aus einem Bericht des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BVL) hervor.

Ausserdem sprach der Aargau acht Tierhalteverbote aus, wie das kantonale Amt für Verbraucherschutz (AVS) angibt. Im Vergleich zum Vorjahr ist das eine Zunahme um drei Fälle.

Der «Verein Sternschnuppe für Mensch und Tier» hat berechnet, dass der Aargau die fünfthöchste Zahl Verurteilungen wegen Tierschutz pro Einwohner aufweist. Einer von 4373 Aargauern wurde wegen einer Widerhandlung gegen das Tierschutzgesetz verurteilt. Die Nachbarkantone Luzern, Bern und Solothurn stehen schlechter da: Hier wurden verhältnismässig mehr Einwohner verurteilt als im Aargau. 

Zahl der Verurteilungen ist rückläufig

Insgesamt gab es 2017 in der Schweiz 1679 Strafverfahren. Im Vergleich zu 2016 bedeutet das eine Abnahme von 689 Fällen (-29 Prozent). In knapp 86 Prozent der Straffälle kam es zu einer Verurteilung. Etwa die Hälfte aller Verurteilten wurde im gleichen Urteil noch für ein anderes Vergehen nach einem anderen Gesetz bestraft. Bei allen Tiergruppen verzeichnete das BLV einen Rückgang der Verurteilungen. Teilweise war dieser aber nur minim.

Für den deutlichen Rückgang verantwortlich ist unter anderem eine Gesetzesänderung zur Hundehaltung. Seit Anfang 2017 müssen Hundehalter nicht mehr einen obligatorischen Kurs besuchen. So fielen 452 Verfahren wegen «Nichtabsolvieren des praktischen und theoretischen Sachkundenachweises» weg.

«Luft nach oben»

Astrid Becker, Präsidentin des Aargauischen Tierschutzvereins (ATs), sieht die Daten der Statistik grundsätzlich positiv. Die Situation sei viel besser als früher. Es gäbe immer mehr Ahndungen, die Schuldigen würden bestraft und der Vollzug sei auch besser geworden, sagt Becker. Allerdings räumt sie ein, es bleibe «Luft nach oben» – und zwar nicht nur im Aargau, sondern in allen Kantonen. «Man kann noch mehr machen», kommentiert Becker. «An der Umsetzung des Tierschutzes muss gearbeitet werden.» Sie räumt aber ein, dass Kontrollen und Ermittlungen aufwändig seien. 

Die Präsidentin des ATs ist der Ansicht, dass Personen, die das Tierschutzgesetz missachten, konsequent bestraft werden sollten. Je nach Sachverhalt begrüsse sie hohe Geldstrafen oder sogar eine Haftstrafe. Die Behörden sollen die Gesetze ausreizen. Sie wird deutlich: «Tierquälerei ist kein Kavaliersdelikt. Die Strafen müssen weh tun.»

Gesamthaft gesehen ging es bei den meisten Verurteilungen (1148) nicht um «Tierquälerei» (Art. 26 Tierschutzgesetz), sondern um Missachtungen von Vorschriften bezüglich Tierbeförderung, Handel, Haltung, Tierversuchen, Werbung mit Tieren, Schlachtung sowie gentechnisch veränderten Tieren (Art. 28 Tierschutzgesetz). Ausgesetzte, vernachlässigte oder misshandelte Tiere machen 475 Fälle aus. 

Heimtiere waren am häufigsten Gegenstand von Verurteilungen. Die grösste Zahl der Fälle (662) betrafen Hunde, meistens (232 Fälle) weil sie nicht genügend beaufsichtigt wurden. Somit ist knapp einer von 1000 Schweizer Hunden von einer Widerhandlung gegen das Tierschutzgesetz betroffen, schreibt Sternschnuppe für Mensch und Tier.

Dunkelziffer bei Katzen 

Auffällig ist, dass Hunde viel öfters von Verstössen gegen das Tierschutzgesetz betroffen sind als Katzen (662 gegenüber 103 Fälle). Laut Becker scheint das nur so. Sie begründet das mit dem Chip-Obligatorium. Dank dem Chip kann jeder Hund seinem Besitzer zugeordnet werden – und jeder Besitzer, der gegen das Tierschutzgesetz verstösst, kann somit ermittelt werden. Katzen dagegen sind oft nicht gechipt, erklärt Becker. Personen, die eine Katze misshandeln, falsch halten, aussetzen oder gesetzwidrig mit Katzen handeln, liessen sich deshalb schwerer ermitteln. Am zweithäufigsten bei den Verstössen gegen das Tierschutzgesetz war das Rind (250 Fälle) betroffen. Hier sind pro Fall aber mehrere Tiere betroffen. Der Grund: Bei Nutztieren wie Kühen wird eine Verurteilung gegen einen Betrieb ausgesprochen. Das führt dazu, dass etwa bei den Nutzvögel rund 35’100 Tiere bei 39 Urteilen gezählt werden. Auf einem Schweizer Geflügelhof leben laut «Sternschnuppe für Mensch und Tier» nämlich im Durchschnitt 900 Tiere. Bei den Rindern betrafen die Verurteilungen rund 1000 Tiere. Durchschnittlich leben in der Schweiz 20 Rinder auf einem Betrieb.