Schultern, Finger, Zehen, Bänder, Hirnerschütterungen – Stefan Tschannen ist Verletzungsexperte

Zwei Mal hat Stefan Tschannen die Schultern ausgerenkt. Einmal nach vorne, einmal nach hinten. «Nach vorne wars einfacher. In der Kabine haben wir die Schulter wieder eingerenkt, nach acht Wochen Pause ging es wieder», erinnert sich der Stürmer des SC Langenthal. Nach hinten aber habe er Kapseln und Bänder gerissen, alles war auseinandergefallen, sodass eine Operation nötig war. «Täter» übrigens war Simon Sterchi, der damals bei Thurgau und seit diesem Sommer beim SCL spielt. «Alles kein Problem, solche Sachen sind auch mir schon passiert», sagt Stefan Tschannen.

Ausserdem: Ganz so übel war das, verglichen mit den drei Hirnerschütterungen, die der mehrmals beste Schweizer Skorer der Liga erleiden musste, nicht. «Bei einer anderen Verletzung sieht man einen Horizont. Bei einer Hirnerschütterung geht der Erholungsprozess mehrmals von vorne los, bis es endlich gut ist.» In dieser Zeit sei jegliche Belastung immens mühsam. Mit den Kindern spielen? Oder nur schon eine SMS lesen? «Alles hat mir Kopfschmerzen bereitet. Ich konnte überhaupt nichts tun.» Letztmals ging das sogar so weit, dass sich Tschannen alleine in ein Chalet in der Lenk zurückziehen musste. Feuer machen, Hörbücher hören, essen und schlafen. «Ich musste einfach weg vom Alltag, vor allem von den Kindern. Mit ihnen macht man immer etwas, das ging aber eigentlich gar nicht.» Erst nachdem er für mehrere Tage Ruhe genossen hatte, kam er ohne Symptome zurück, sodass er sein Comeback vorbereiten konnte. Nach drei Hirnerschütterungen sagt er deshalb: «Lieber etwas brechen, als eine weitere Hirnerschütterung.»

Wahrlich sei auch die Schulterverletzung nicht ohne gewesen. Gerade das Schlafen habe ihm Mühe gemacht: «Ich habe 30 Jahre lang auf dem Bauch geschlafen. Das geht seither nicht mehr.» Ausserdem verspüre er noch heute Schmerzen, je nach Bewegung. «Wenn ich beispielsweise einen Baseball werfen will, habe ich schmerzen», erklärt er. Es fühle sich an, als würde die Schulter erneut auseinanderfallen. Je nach Stellung leidet er durchaus an Nachwirkungen, eine komplette Heilung sei längst nicht mehr zu erwarten.

Die weiss ausgefüllte Fläche zeigt das Kontrastmittel in der Gelenkkapsel. Der Pfeil signalisiert einen Teil der zerrissenen Kapsel-Bandstrukturen, was für die Instabilität verantwortlich war. (Bild: zvg/Erklärung Dr. Reiss)
Die weiss ausgefüllte Fläche zeigt das Kontrastmittel in der Gelenkkapsel. Der Pfeil signalisiert einen Teil der zerrissenen Kapsel-Bandstrukturen, was für die Instabilität verantwortlich war. (Bild: zvg/Erklärung Dr. Reiss)

 

Ähnliches gilt auch für die Hirnerschütterungen. «Wenn wir Fussballspielen, mache ich keine Kopfbälle mehr. Und wenn ich mir den Kopf anstosse, habe ich grossen Respekt und teste immer, ob sich Kopfschmerzen einstellen.» Vorsichtiger sei er geworden. Ein weiterer Check gegen den Kopf würde wohl eine erneute, längere Abwesenheit zur Folge haben. «Früher war ich etwas mutiger. Wenn ich heute nach innen ziehe, schaue ich immer zuerst, ob jemand da ist und ob entsprechende Gefahren lauern.» Seine Leistung mindere das aber nicht, viel eher habe er seinen Spielstil ein bisschen angepasst. Immerhin sei er auch etwas erfahrener und damit auch cleverer geworden.

Ohne Invalidenrente

Doch die Angst und der Respekt vor weiteren Verletzungen bleibt. Das Risiko aber trägt er ohne zu zögern. «Ich würde gerne noch bis 40 weiterspielen», sagt der 34-Jährige. Der Sport, die Kameradschaft, der Zusammenhalt – all das würde er sonst vermissen. Noch zwei Jahre hat er beim SCL einen Vertrag. Danach einen Dreijahresvertrag zu unterschreiben – «das würde mich begeistern.» Selbst einem Karrierenende in der Nationalliga B wäre er nicht abgeneigt, einzig innerhalb der Liga dürfte kaum noch ein Wechsel folgen. «Ich möchte den Zeitpunkt des Abschieds selbst bestimmen können», sagt Tschannen, der sich schon ein wenig vor dem Karriereende fürchtet. Aber es gebe auch ein Leben nach dem Eishockey. Und das will er ohne Invalidenrente bestreiten können. «Entscheidend beeinträchtigt bin ich – weder im Alltag, noch auf dem Feld – bis heute nicht», sagt der SCL-Captain und hofft, dass es so bleibt.