Schwinger Christoph Bieri: Mit 100 in Rente

Es gibt Episoden, die bleiben in Erinnerung. Auch dann, wenn ein Sportler aufhört. Das ist eine solche.

708 Tage, also fast zwei Jahre, muss Christoph Bieri warten, bis er seinen 100. Kranz gewinnt. Und dann, als es endlich soweit ist, soll er sich per Faustschlag bei der Ehrendame bedanken. So lautet die Direktive. «Sicher nicht», sagt Bieri. 99-mal hat er sich schon mit drei Küsschen für einen Kranz bedankt. Jetzt soll ausgerechnet das Jubiläum anders werden?

Nein, findet er. Mit dem vergoldeten Kranz auf dem Kopf steht Bieri auf und verschenkt drei Küsschen. Symbolisch. Denn auch er trägt Maske. Der Tag, an dem Bieri als erst 29. Schwinger die magische Marke von 100 gewonnen Kränzen erreicht, ist speziell. Wegen Corona. Doch so verschieden vieles sein mag, Bieri bleibt sich treu. Er sagt, was er denkt und behält seine Prinzipien.

22 Kranzfestsiege – und alle ­wichtigen Kränze geholt

Es sind Episoden wie diese, die fehlen werden. Jetzt, da sich Bieri entschieden hat, seine Karriere heute zu beenden. Natürlich: Seine sportlichen Erfolge sind das andere. Dreimal gewann er an einem Eidgenössischen den Kranz. Erstmals 2007 in Aarau. 22 Kranzfeste konnte Bieri gewinnen, darunter zwei Berg- und zwei Teilverbandsfeste. 100-mal holte er den Kranz. Mindestens einmal an jedem Berg- und Teilverbandsfest. Es sind Marken, die wenige Schwinger erreichen. Bieri gehörte viele Jahre lang zur Elite.

Die Erfolgsserie begann am  18. Mai 2003, als Bieri am Solothurner Kantonalen in Büsserach erstmals einen Kranz holte. 18 Jahre später schritt der Geschäftsführer eines KMU, das mit landwirtschaftlichen Produkten handelt, am 6. Juni dieses Jahres ein letztes Mal zur Krönung. Am Aargauer Kantonalen in Lenzburg.

Bieri verzichtete in der Folge auf das Solothurner Kantonale vom vergangenen Sonntag, wo – welch Ironie – die Ehrendamen wieder geküsst werden durften.  Bieri wollte spüren, wie sehr ihm das Schwingen fehlt. Zuvor hat ihm Corona schon eine Saison genommen. «Ich wusste also, wie es ist, am Sonntag nicht an ein Fest zu fahren», sagt er. Aber dieses Mal tat er es freiwillig und das ist dann doch nochmals etwas anderes. «Ich spürte, dass mir die letzte Entschlossenheit fehlt. Ich könnte vielleicht noch an ein paar Festen den Kranz gewinnen. Aber gegen die Besten  reicht es einfach nicht mehr», sagt Bieri.

Elf Jahre in Serie gewann er mindestens ein Kranzfest

Der 100. Kranz war Bieris letztes sportliches Ziel. Nochmals ein Fest zu gewinnen, ist durch anhaltende Rückenprobleme in den vergangenen Jahren immer unwahrscheinlicher geworden. «Und irgendwann verliert man den letzten Siegeswillen, den es braucht», sagt er. Darum ist jetzt Schluss. «Mir werden vor allem die Kameradschaften fehlen, wenn man sich zweimal in der Woche im Training sieht und am Sonntag an den Festen gemeinsam Höhen und Tiefen durchlebt.»

2016 gewann Bieri in Lenzburg das Aargauer Kantonale und damit sein letztes Kranzfest. Fünf Jahre später war sein Auftritt an gleicher Stelle sein letzter. «Es gibt vieles, das mich stolz macht. Aber das ich elf Jahre in Folge in jedem Jahr mindestens ein Kranzfest gewinnen konnte, ist besonders speziell», sagt er. Weil es zeigt, wie lange Bieri zu den besten Schwingern des Landes gehörte.

Die Serie dauerte von 2006 bis 2016. Sportlich mag Bieri zuletzt nicht mehr zur Elite gehört haben. Mit seiner Art, die Dinge beim Namen zu nennen, blieb er ein Champion. Auch darum wird der 35-Jährige dem Schwingsport fehlen.