
Sexualstraftäter William W. wird nicht verwahrt
William W. wird nicht verwahrt. Dazu fehlt laut Amtsgericht Olten-Gösgen die gesetzliche Grundlage, wie Gerichtsschreiber Armin Bertrand am Mittwoch auf Anfrage erklärte. Die Taten, deren sich der 47-jährige Wiederholungstäter Anfang Dezember vor Gericht verantworten musste, seien zu wenig schlimm, um eine Verwahrung zu rechtfertigen, um es salopp zu formulieren. Das Gericht spricht W. in einigen Punkten schuldig, aber nicht in allen, und verhängt eine Freiheitsstrafe von 30 Monaten unbedingt.
Seit seiner Verhaftung im Dezember 2018 sind schon zwei Jahre vergangen, das heisst, er könnte bereits im Frühsommer 2021 auf freien Fuss kommen. Allerdings kann die Staatsanwaltschaft, die eine Freiheitsstrafe von 78 Monaten plus die anschliessende Verwahrung gefordert hatte, das Urteil an das Obergericht weiterziehen.
Eine lange Serie einschlägiger Delikte
William W. gilt aufgrund von Gutachten als hoffnungsloser Hochrisikofall, die Prognosen sind schlecht, und es wird befürchtet, dass er sich wieder an Kindern vergreift, wenn er aus dem Gefängnis kommt. Ein erstes Urteil wegen Sexualstraftaten geht auf die 1990er-Jahre zurück. 2006 dann vergewaltigte er ein achtjähriges Mädchen in Starrkirch-Wil und kassierte eine mehrjährige Freiheitsstrafe – aber keine Verwahrung.
Nach der Entlassung wurde er in Olten erneut rückfällig im Zeitraum Juli bis Dezember 2018. Im Rahmen von Hochzeitsvorbereitungen soll W. zwei Brüder im Alter von fünf und sieben Jahren misshandelt und sich später an einem der beiden Buben abermals vergriffen haben. Erst als er im Dezember 2018 einen Zehnjährigen in sein Oltner Restaurant gelockt und sich auch an ihm vergangen hatte, flog er auf.
Ans Licht kamen danach noch andere Delikte, unter anderem sexuelle Belästigung jugendlicher Mädchen und der Konsum von Kinder- und Tierpornografie. Einzig bei letzterem Vorwurf zeigt sich W. geständig und reuig.
In einzelnen Punkten freigesprochen
Die Misshandlung der Buben anlässlich der Hochzeitsvorbereitungen beurteilt das Gericht als nicht nachweisbar, weshalb es W. diesbezüglich freispricht. Ebenfalls einen Freispruch gibt es für einen versuchten, aber abgewehrten Kuss an einer 14-Jährigen. Für die restlichen Anklagepunkte kassiert W. einen Schuldspruch und eine Strafe von 30 Monaten Gefängnis unbedingt sowie eine Geldstrafe von zehn Tagessätzen à zehn Franken und eine Busse von 200 Franken.
Der Teil der Volksseele, die kocht und den Wiederholungstäter William W. am liebsten für immer weggesperrt sehen würde, dürfte sich mit dem Urteil des Amtsgerichts Olten-Gösgen kaum abkühlen. Um eine Verwahrung rechtfertigen zu können, hätten die Misshandlungen aber schlimmer ausfallen müssen, deutlich schlimmer, begründet das Gericht.
So verwerflich die Übergriffe auf die Kinder auch seien, Körperverletzungen habe es nicht gegeben und die Taten seien nicht so massiv ausgefallen, dass eine schwere Beeinträchtigung der psychischen und physischen Integrität der Kinder die Folge gewesen wäre.
Vorstrafen bei der Beurteilung unerheblich
Die früheren Straftaten von William W. spielten bei der Beurteilung einer möglichen Verwahrung keine Rolle, ja, sie durften keine Rolle spielen. Zum Zeitpunkt der Straftaten, also 2018, seien keine Reststrafen aus der Vergangenheit vorhanden gewesen. Wohl habe es eine ambulante Behandlung gegeben, aus dieser Situation heraus eine Verwahrung zu beantragen, sei aber nicht vorgesehen.
Die Prognose für William W. sei zwar schlecht, das allein könne aber nicht dazu führen, dass die Delikte automatisch schwer genug für eine Verwahrung wiegen würden. Die gesetzliche Grundlage für die Verwahrung, so das Amtsgericht, lasse sich nicht herbeizaubern.
Zusätzlich zu den erwähnten Strafen belegt das Gericht William W. mit einem lebenslänglichen Tätigkeitsverbot mit Minderjährigen und überdies mit einem fünfjährigen Kontakt- und Rayonverbot zu Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahre. Zu Orten, an denen mit deren Anwesenheit gerechnet werden muss, hat William W. demnach künftig mindestens 50 Meter Abstand einzuhalten. Die Kontrolle der Einhaltung dieser Auflagen liegt in der Verantwortung der Vollzugsbehörde. Diese kann innerhalb der ebenfalls verhängten lebenslänglichen Bewährungshilfe beispielsweise das Tragen einer Fussfessel anordnen.
Staatsanwaltschaft will den Fall weiterziehen
Die Staatsanwaltschaft, die eine Freiheitsstrafe von 78 Monaten plus die anschliessende Verwahrung gefordert hatte, nahm «mit Bedauern» Kenntnis vom Urteil des Amtsgerichts Olten-Gösgen. Insbesondere mit dem Umstand, dass William W. nicht verwahrt werden soll, sei man nicht einverstanden, erklärte Andrea Thomann von der Medienstelle der Staatsanwaltschaft.
Weiter wollte sie sich nicht äussern zum Urteil, weil es noch nicht schriftlich vorliege. Sicher sei aber, dass man den Fall an das Obergericht weiterziehen werde.
Ritschard: «Ich will Opferschutz, nicht Täterschutz»
Reaktionen Das Urteil gegen William W. sorgt für Überraschung und Entsetzen. Wir haben mit Personen, die mit dem Fall vertraut sind, gesprochen.
Konrad Jeker war ab 2011 der amtliche Verteidiger von William W. und erwirkte in dieser Funktion die Entlassung von W. aus der Massnahme. Drohungen aus der Öffentlichkeit waren die Folge und unter anderem ein Grund, warum der Anwalt nach W.s Verhaftung 2018 auf dessen erneute Verteidigung verzichtete. «Mit Shitstorms muss ich grundsätzlich leben können, aber in diesem Fall war ich vorbefasst und schlug einen neuen Verteidiger vor», blickt Jeker zurück. Für ihn gibt es bei der Betrachtung des Urteils zwei Aspekte. Rein juristisch sei es «völlig konsequent», auf Verwahrung zu verzichten. Nicht juristisch gesehen ist er «überrascht, das hätte ich einem Amtsgericht nicht zugetraut», sagt Jeker und ergänzt: «Dass das Gericht den Shitstorm, der solch ein Urteil auslöst, nicht scheut, dass es sich des Drucks aus der Öffentlichkeit widersetzt und stattdessen macht, was richtig ist, verdient meinen Respekt.» Das Urteil macht Jeker «Mut für eine stärkere Strafjustiz». Selbstverständlich könne er die kochende Volksseele in dem Fall nachvollziehen. «Aber die Volksseele kocht immer aus grosser Distanz zur Sache; würde sie sich detaillierter mit den Fällen befassen, sähe es anders aus.»
Hätte die kochende Volksseele ein Gesicht, es könnte das von Stephanie Ritschard sein. Die SVP-Kantonsrätin ist «absolut geschockt. Vom juristischen Standpunkt her kann ich das Urteil nachvollziehen, aber als Politikerin und Mutter nicht. Ich wünsche mir innovative Richter, die neue Wege gehen und sich nicht hinter dem Gesetz verstecken. Die Schweiz wird mehr und mehr zum Eldorado für Sexualstraftäter.» Hängig ist Ritschards Vorstoss, künftig eine Liste der bekannten Sexualstraftäter zu veröffentlichen, mit Foto und Wohnadresse. «Ich will wissen, ob in meinem Quartier ein Pädophiler wohnt und ob ich meine Kinder auf den Spielplatz schicken kann. Es wird heissen, dass es nicht machbar sei wegen der Menschenrechte, aber Gopferdelli nomau, der Opferschutz muss endlich mal vor den Täterschutz gestellt werden!» Es könne nicht sein, dass Typen wie William W. noch mehr Kinderleben zerstörten.
Der aktuelle Verteidiger von William W., Thomas Fingerhuth, bezeichnet den Fall als «schwierig, weil die Erwartungshaltung riesengross war und rundherum alle alles für klar hielten und davon ausgingen, dass Herr W. für den Rest seines Lebens im Gefängnis schmort. Insofern bin ich positiv überrascht vom Gericht, es hat den Fall genau angeschaut und in Bezug auf die Verwahrung das richtige Urteil gefällt.» Dass der Beschuldigte wegen der Verletzung des Verzögerungsgebots mit 2000 Franken entschädigt wird, sorge natürlich noch für zusätzlichen Aufschrei. «Ich verstehe das durchaus, aber es ist halt immer das Gleiche. Von weitem scheint alles klar, aber aus der Nähe betrachtet, sieht es anders aus.» Das Urteil ist ein Erfolg für Fingerhuth, aber keiner auf ganzer Linie, deshalb legt er vorsorglich Berufung ein; sobald die schriftliche Begründung vorliegt, will er die nächsten Schritte prüfen. (phil)