Showdown ums SVP-Präsidium: Parteikollege schiesst scharf gegen Glarner, Jäggi geht als Favorit ins Rennen

Nicht alle in der SVP waren erfreut, als vor Wochenfrist die Namen der zwei Nominierten für das Parteipräsidium bekannt wurden. Andreas Glarner zu extrem, Rolf Jäggi zu farblos, fanden einige SVP-Politiker. Ein ehemaliger Parlamentarier bat die Parteileitung sogar, nochmals über die Bücher zu gehen und die Wahl im Zweifelsfall zu Gunsten einer erweiterten Auswahl zu verschieben.

Doch der Termin steht. Am Mittwochabend sind die SVP-Vorstandsmitglieder sowie 350 weitere Delegierte aufgerufen, am Parteitag in Lupfig den Nachfolger von Thomas Burgherr zu wählen. Es kommt zum Duell Glarner gegen Jäggi.

Eine Wunschkandidatin sagte ab

Dabei standen ursprünglich andere potenzielle Kandidaten im Vordergrund. Allen voran Barbara Borer-Mathys. Die Präsidentin der SVP Kulm war die Wunschkandidatin einiger Parteiexponenten. Die Tochter von alt SVP-Nationalrat Hans Ulrich Mathys musste aber passen, weil sie Zwillinge erwartet und beruflich Pläne hat, wie sie auf Anfrage bestätigt. Auch Grossrat Christian Glur, Bezirksparteipräsident Zofingen, stand zur Diskussion, aber der Landwirt wollte nicht.

Ein nahe liegender Top-Kandidat wäre Benjamin Giezendanner gewesen. Doch der Unternehmer aus Rothrist möchte sich als Nationalrat profilieren und lieber das Präsidium des Gewerbeverbandes übernehmen. Giezendanner macht keinen Hehl daraus, wen er von den verbliebenen Kandidaten fürs SVP-Präsidium bevorzugt: «Rolf Jäggi ist die richtige Person, um die wichtige Basisarbeit in unserer Partei zu leisten.» Dass Giezendanner und Glarner das Heu nicht auf der gleichen Bühne haben, ist ein offenes Geheimnis. Jüngst lieferten sich die zwei öffentlich ein Scharmützel um den Sitzplatz im Nationalrat.

Glarner versucht es nicht zum ersten Mal mit dem Sprung an die Parteispitze. Bereits 2005 trat er an, unterlag damals aber Thomas Lüpold. 2012 brachte sich Glarner wieder als Parteipräsident ins Spiel, verzichtete dann aber zu Gunsten von Thomas Burgherr auf eine Kandidatur. Jetzt versucht es Glarner nochmals. Trotz Aufstieg in den Nationalrat und landesweiter Bekanntheit hat Glarner bei seinen Aargauer Parteikollegen aber einen schweren Stand. Wer sich umhört, stösst immer wieder auf Bedenken gegenüber Glarner als möglichen Parteichef.

«Andy Glarner ist ein Imageproblem für die SVP»

Offen und ungeschminkt sagt dies Werner Laube, der langjährige Wahlkampfleiter der SVP Aargau. Laube traut Glarner zwar durchaus zu, «das Amt als Präsident der SVP Aargau problemlos bewältigen zu können» und attestiert ihm, «mutig für seine Überzeugung hinzustehen» und «im rechten Spektrum der Partei Wähler mobilisieren zu können».

 
 

Aber für Laube überwiegen die Negativpunkte: «Seine provokative, manchmal unbedachte und oft auf die Person zielende Art wirkt auch für viele Wähler und Sympathisanten der SVP unsympathisch.» Vor allem Frauen und Junge, glaubt Laube, könnten sich nicht mit Glarner identifizieren. «Andy Glarner ist keine Identitätsfigur für die SVP Aargau; gemässigte Parteimitglieder und Sympathisanten könnten sich von der SVP abwenden.»

Laubes Fazit: «Andy Glarner ist aus meiner Sicht ein Imageproblem für die SVP und keine Identifikationsfigur für die SVP Aargau.»

Das sind harte Worte gegenüber einem Parteikollegen. Darauf angesprochen, kontert Glarner gewohnt angriffig: «Das sind keine echten SVPler», meint er zur Befürchtung, er würde gemässigte Mitglieder und Sympathisanten abschrecken. «Es geht hier nicht um die Ausrichtung», so Glarner, «Jäggi und ich sind inhaltlich nicht weit auseinander. Es geht mehr darum, wie wir unsere Politik verkaufen. Und da stehe ich für ein pointiertes Auftreten. Der Schmusekurs der letzten Jahre war nachweislich nicht erfolgreich.»

«Er kann Wähler hinter dem Ofen hervorholen»

Der Bremgarter Bezirksparteipräsident René Bodmer unterstreicht das: «Es braucht nun dringend einen Motivator, der Mitglieder und Wähler wieder hinter dem Ofen hervorholen kann.» Grossrat Bodmer versucht, die Bedenken gegen Glarner auszuräumen: «Ich kenne Andy Glarner seit Jahren und habe ihn als umsichtigen Gemeindeammann und Fraktionschef im Grossen Rat kennen gelernt. Er wusste stets, in welcher Funktion er sich wie zu verhalten hat.»

 
 

Während sich die Diskussion im Vorfeld der Wahl vorwiegend um die Wählbarkeit von Glarner dreht, mausert sich sein Konkurrent Rolf Jäggi im Stillen zum Favoriten. Der auf Ende Jahr zurückgetretene Gemeindeammann von Egliswil ist sich bewusst, dass er am Mittwoch mit guten Chancen ins Rennen geht. «Ich habe vor meiner Kandidatur sondiert, ob ich auf eine breite Unterstützung zählen darf.» Jäggi profitiert von den Vorbehalten gegenüber Glarner und bietet selber bisher wenig Angriffsfläche.

Jäggi kann sich Regierungsrat vorstellen, aber später

Wer nichts riskieren wolle, wähle Jäggi, ist eine weitverbreitete Meinung in der Partei; verbunden mit dem Fragezeichen, ob er allenfalls nicht zu brav sein könnte als Präsident. «Ich kann mit dieser Kritik leben», sagt Jäggi, «aber möglicherweise unterschätzen mich die einen oder anderen.»

An Selbstbewusstsein mangelt es dem Grossrat und Leiter Werkschutz des Kernkraftwerks Beznau jedenfalls nicht. Jäggi kann sich vorstellen, dereinst Regierungsrat zu werden, was ihm intern da und dort den Vorwurf einbringt, er strebe das Parteipräsidium nur als Sprungbrett für höhere Aufgaben an. Regierungsrat könne schon mal ein Thema werden, bestätigt Jäggi, betont aber: «Sollte es bereits bei den Gesamterneuerungswahlen im Herbst eine Vakanz geben, stehe ich definitiv nicht zur Verfügung.» SVP-Regierungsrat Alex Hürzeler hat noch nicht offiziell entschieden, ob er sich – wie erwartet wird – wieder antritt. Noch im Januar will Hürzeler zusammen mit seinen vier Regierungsratskollegen Klarheit schaffen.

Heisser und langer Abend im «Ochsen» erwartet

So geht der weniger bekannte Jäggi als Favorit in die Wahl, der einiges bekanntere, aber auch umstrittenere Glarner als Herausforderer. Dieser gibt sich kämpferisch: «Ich bin sicher, dass ich mit meiner Brandrede am Parteitag viele Delegierten überzeugen und entsprechend Stimmen holen werde. Wichtig ist, dass das SVP-Volk eine Auswahl hat. Ich politisiere nicht, um etwas zu werden, sondern stehe für meine Überzeugungen ein.»

Für einen heissen und langen Abend im Gasthof Ochsen in Lupfig ist am Mittwoch also gesorgt. Nachdem sich die beiden Kandidaten vorgestellt und für sich geworben haben, können die Delegierten kritisch nachfragen. Danach müssen Andreas Glarner und Rolf Jäggi den Saal verlassen. Es wird in ihrer Abwesenheit weiterdebattiert, bevor in einer geheimen Wahl die Entscheidung fällt.

 

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