
Simon Enzlers Situation ist nicht so rosig, wie man auf den ersten Blick meinen könnte
Ende Saison wird Simon Enzler zum sogenannten «Free Agent». Da sowohl der Leihvertrag beim FC Aarau als auch jener bei seinem Stammklub FC Luzern auslaufen, wird der Goalie im Sommer frei über seine berufliche Zukunft entscheiden können – schöne Aussichten für den Innerschweizer, oder?
Nun: Wäre Enzler die Nummer 1 bei einem absoluten europäischen Topklub und die Konkurrenz würde sich um seine Dienste reissen – der 23-Jährige könnte in Ruhe die laufende Saison zu Ende spielen, anschliessend an einen paradiesischen Sandstrand fliegen und sich dort zwischen zwei Caipirinhas für eines der lukrativen Angebote entscheiden.
Doch Enzlers Realität heisst Challenge League, zweithöchste Liga der Schweiz, durchschnittlicher Monatslohn rund 3500 Franken. Kommt dazu: Für Goalies wie Enzler sind die Plätze naturgemäss rar, weil jeweils nur einer eingesetzt werden kann. Und nicht zuletzt hat Corona den schon bestehenden Verdrängungskampf um Profiverträge in der Schweiz erheblich verschärft: Die Klubs müssen sparen und tun dies, indem sie Löhne senken und die Kader verkleinern. Im Sommer 2021 dürfte die Liste arbeitsloser Fussballprofis Rekordlänge erreichen.
Wohl dem, der einen Vertrag für die nächste Saison in der Tasche hat. Und schon erscheint Enzlers Situation nicht mehr so rosig, wie man auf den ersten Blick meinen könnte.
Andererseits: Sie ist besser als die vieler Kollegen. Denn Enzler ist Stammgoalie, und das bei einem Verein, der sowohl seine Leistungen als auch ihn als Menschen schätzt. Die Gespräche über eine Zusammenarbeit über die laufende Saison hinaus haben kürzlich begonnen.
Enzler und die Frage, ob er pokern will
«Ich glaube, dass ich gut zum FC Aarau passe, und spüre, dass auch der Verein das so sieht», sagt Enzler, angesichts der gegenseitigen Sympathien könne er sich einen Verbleib gut vorstellen. «Bislang hat kein anderer Klub Interesse deponiert, zumindest habe ich von meinem Berater nichts Entsprechendes gehört. Aber auch wenn: Aarau ist mein erster Ansprechpartner, weil ich den Leuten hier viel zu verdanken habe. Nach einem Jahr auf der Ersatzbank beim FC Luzern hat es mir der FC Aarau ermöglicht, in einer ambitionierten Mannschaft Stammgoalie zu sein.»
Ob er zeitnah einen Vertrag unterschreiben würde? «Wenn es für beide Seiten passt, auf jeden Fall. Ich will nicht pokern und bis auf den letzten Drücker auf Angebote anderer Klubs warten.»
Grundsatzentscheidung für FCA-Sportchef Burki
Bis Ende März, dies der Plan, will FCA-Sportchef Sandro Burki die Zukunft der Spieler mit auslaufendem Vertrag geklärt haben. Neben Enzler haben Mats Hammerich, Randy Schneider, Filip Stojilkovic und Miguel Peralta noch keine Klarheit, wie es mit ihnen im Sommer weitergeht. In der Goaliefrage muss Burki einen Grundsatzentscheid fällen: Weiter auf Enzler setzen, der bisher mit tadellosen Leistungen überzeugt, Sicherheit ausstrahlt und das Zeug zum Matchwinner hat – sinnbildlich dafür die vier parierten Penaltys im FCA-Dress? Oder nach einem Jahr Pause wieder auf eines der drei Eigengewächse Nicholas Ammeter, Marvin Hübel und Joel Bonorand zurückgreifen und damit die Klubphilosophie «Aargauer first» durchboxen?
Die Tatsache, dass überhaupt Gespräche zwischen Enzler und Burki laufen, offenbart: Finden die Parteien eine Lösung, ist Enzler auch nächste Saison ein Spieler des FC Aarau.
FC Aarau nicht mehr die Liga-Schiessbude
In den 36 Partien der vergangenen Saison hat der FC Aarau 80 Gegentore kassiert – im Schnitt 2,2 pro Spiel. Liga-Minusrekord! In dieser Saison sind es nach 17 Spielen 29 Gegentore, womit Aarau aktuell zwar nicht mehr die Schiessbude der Liga ist (drei Teams sind schlechter); doch für eine Mannschaft, die in der Tabelle den Blick nach oben richtet, sind durchschnittlich 1,7 Gegentore pro Spiel zu viel. Die Erklärung, dass im Offensivsystem von Trainer Stephan Keller Gegentore einkalkuliert sind, taugt nur, solange der FC Aarau seine eigenen Torchancen effizient verwertet. Was zuletzt gegen Schaffhausen (1:2) misslang: Von zehn Schüssen auf das gegnerische Tor landete nur einer hinter der Linie. Immerhin: Aarau kam wieder zu Torchancen, nachdem eine Woche zuvor nicht nur das Resultat, sondern auch die Leistung enttäuschend war. Am Freitagabend auswärts gegen den SC Kriens (19 Uhr) ist das Keller-Team auf drei Punkte angewiesen, um aus eigener Kraft den Anschluss an die vordersten Tabellenplätze zu wahren.