
Sinisha Lüscher ist ein Schwingtalent der besonderen Art
Gregor Bucher lächelt. So wie er das fast immer tut. Auch dann, wenn er mal wieder unsanft im Sägemehl landet und dort von einem massigen Körper aufs Kreuz gelegt wird. Bucher ist der Trainer des Schwingklubs Olten-Gösgen. Der massige Körper gehört einem 15 Jahre alten Jungen. Dessen Name: Sinisha Lüscher. Sein Merkmal: Sehr talentiert – und dunkelhäutig.
Ein dunkelhäutiger Athlet in der urschweizerischen Sportart Schwingen? Das ist ungewöhnlich. Und Sinisha Lüscher ist gut. So gut, dass er am Sonntag, wenn sich in Schwarzenburg die besten Nachwuchsschwinger des Landes treffen, zum Favoritenkreis des Jahrgangs 2006 gezählt wird.
Der Trainer ist seine wichtigste Bezugsperson
Womit wir wieder beim lächelnden Gregor Bucher sind. Er ist die wichtigste Bezugsperson in der jungen Schwingerkarriere des Sinisha Lüscher, der zusammen mit seiner Mutter Petra und seinem Bruder Noah in Uerkheim lebt – der Vater, ein Ghanaer, ist wieder nach Afrika zurückgekehrt. Der Baselbieter Bucher ist der Grund, weshalb Lüscher zweimal pro Woche im kleinen, aber feinen Schwingkeller im Oltner Säli-Schulhaus trainiert. Und nicht etwa in seinem Heimatkanton Aargau – wobei der 15-Jährige jeweils am Mittwoch auch bei den Zofingern Gastrecht geniesst.
An diesem Donnerstagabend tummeln sich im Jungschwingertraining nur Bucher, Lüscher und Joana Degen im Sägemehl. Die anderen Trainingsteilnehmer haben aus unterschiedlichen Gründen abgesagt. So müssen eben der Trainer und die junge Frau als Sparringpartner für Sinisha Lüscher herhalten. 1,76 Meter gross und über 100 Kilo schwer ist der. Gardemasse für einen Schwinger. Bucher und Degen ergeht es so, wie es den meisten Gegnern von Sinisha Lüscher in der laufenden Saison ergangen ist. Sie haben keine Chance gegen das Kraftpaket.
Dabei ist Sinisha Lüscher keiner, der nur dank seiner Masse und seiner Wucht die Kämpfe gewinnt. Im Gegenteil: Er saugt die Tipps, die ihm sein Trainer gibt, auf wie ein Schwamm, feilt dauernd an seiner Technik und an verschiedenen Schwüngen. Auch deshalb mag es nicht erstaunen, dass Lüschers grosses Vorbild Nick Alpiger ist. Der Aargauer Eidgenosse ist ein technisch sehr versierter, klug taktierender Schwinger, der bei Bedarf aber auch unheimliche Kräfte freisetzen kann.
In der laufenden Saison ist Sinisha Lüscher bei den Nachwuchs-Festen in der Nordwestschweiz nur einmal nicht als Sieger aus dem Sägemehl gegangen. Der 15-Jährige hat seinen Jahrgang dominiert. Entsprechend wird er in Schwarzenburg am Sonntag als potenzieller Sieganwärter eingestuft. Wobei eine Prognose schwierig ist, da die Jungschwinger der verschiedenen Teilverbände nur innerhalb ihrer Regionen zu Gang waren und somit kaum Quervergleiche vorhanden sind.
Klar ist: Sinisha Lüscher wird auch in Schwarzenburg wieder mit einer ordentlichen Portion Nervosität ins Geschehen eingreifen. Er wird die beruhigende Art und die besänftigenden Worte seines Trainers brauchen und die Geduld seiner Mutter, die ihren Schützling stets an die Schwingfeste begleitet.
Petra Lüscher hat in den fünf Jahren, in welchen ihr Sohn mittlerweile den Schweizer Nationalsport ausübt, gelernt, mit den unangenehmen Begleiterscheinungen, die das exotische Aussehen Sinishas auf den Festplätzen mitunter provozieren, umzugehen. «Da hat es schon unschöne Sachen gegeben», sagt sie. «Er hat sich etabliert. Es kennen ihn alle. Aber es ist schon immer noch ein Thema. Und das wird es auch immer bleiben», macht sie sich keine Illusionen.
Der unverdrossene Kampf gegen Vorurteile
Sinisha Lüscher geht mit dem Problem vergleichsweise gut um, kämpft unverdrossen gegen die Vorurteile. «Ich kann solche Sachen gut ausblenden. Aber natürlich macht es mich traurig, wenn ich dumme Bemerkungen höre.» Wenn ihn etwas stört, dann spricht er inzwischen auch mal ältere Zuschauer an und sagt: «Ich bin genauso hier in der Schweiz geboren wie du.» Es gäbe einige Wenige, die ihre Vorurteile nicht überwinden können und ihre Abneigung immer wieder zeigen. Er betont aber auch: «Mit den meisten kann ich inzwischen reden, viele sind nett zu mir.»
Klar ist auch: Seine Gegner sollten sowieso besser auf verbale Provokation – die ja im äusserst fairen Schwingsport sowieso verpönt ist – verzichten: Die Chance ist gross, dass Sinisha Lüscher dann noch entschlossener an die Arbeit geht im Sägemehlring.
Das nächste Jahr wird für den Teenager spannend. Die Schulzeit endet. Klar, dreht sich bei der Suche nach einer geeigneten Lehrstelle alles um die Vereinbarkeit mit dem Training. Am liebsten würde Sinisha Lüscher, der auch noch bei den Junioren des FC Kölliken kickt, jeden Tag trainieren. Und dann kommt auch noch der Schritt zu den Aktiven. Mit 16 ist er endlich bei den «richtigen» Schwingfesten startberechtigt. «Ich kann es kaum erwarten», sagt er und lächelt – wie sein Trainer.
Eidgenössischer Nachwuchsschwingertag
Der Nordwestschweizerische Schwingerverband schickt eine 21-köpfige Delegation an den Eidgenössischen Nachwuchsschwingertag (ENST), welcher am Sonntag in Schwarzenburg stattfindet. Im Einsatz stehen insgesamt 150 Schwinger der Jahrgänge 2004 bis 2006. Aus der Region sind beim Jahrgang 2006 der Uerkner Sinisha Lüscher und der Hirschthaler Damian Eisenring dabei sowie der Kirchleerber Lunik Steffen vom Schwingklub Zofingen. «Ich möchte möglichst gut schwingen und verletzungsfrei bleiben», sagt Lunik Steffen, «mein Ziel ist es, alle sechs Gänge zu absolvieren und letztlich möglichst weit vorne zu landen.» Bei der Altersklasse 2005 startet Florian Eisenring (Hirschthal). Vor drei Jahren holte sich der Rothrister Yanik Bucher einen der drei Kategoriensiege.