
So eroberte die süsse Caroline das Brügglifeld
Der letzte Heimsieg des FC Aarau? Ist 84 Tage her. Am 21. September 2019 gewann Aarau 3:1 gegen den FC Schaffhausen, zwei der drei FCA-Tore erzielte Stefan Maierhofer, dazwischen traf Damir Mehidic. Seither gab es gegen Stade Lausanne-Ouchy, Lausanne-Sport, Vaduz und Winterthur keinen Sieg mehr. Insgesamt hat Aarau nur drei seiner bisher acht Heimspiele gewonnen – so braucht man sich über Rang 7 und 12 Punkte Abstand auf den anvisierten Barrage-Platz nicht zu wundern.
Die dürftige Heimbilanz hat auch Auswirkungen auf anderer Ebene: Seit 84 Tagen wartet Remo Bachmann darauf, endlich wieder den Brügglifeld-Gassenhauer schlechthin durchs Stadion-Rund schallen zu lassen: «Sweet Caroline». Bachmann ist seit über zehn Jahren Speaker an den FCA-Heimspielen und «schuld» daran, dass es unter den Fans beim Bier vor dem Anpfiff heisst «hören wir heute wieder Sweet Caroline?» – und nicht «gewinnt Aarau heute?»
Von der persönlichen Bestenliste ins Stadion
Eine spontane Idee sei es gewesen damals im Frühling 2010, so Bachmann. Seit eh und je hätten die Speaker nach Siegen «Whatever you want» von Status Quo abgespielt – und dann nichts mehr. Er habe von vielen Leuten SMS erhalten mit der Bitte, noch ein Lied mehr anzuhängen. Als Bachmann vom damaligen Chefspeaker Michael Vock das Okay erhielt, musste er nicht lange suchen: «Sweet Caroline stand auf meiner persönlichen Liste für den Fall, dass es mal neue Songs im Brügglifeld geben sollte, ganz oben.» Und so feierte der Hit mit Mitgröl-Garantie am 24. April 2010 nach dem 2:0 im Brügglifeld gegen den FC St. Gallen Premiere – mit Erfolg: Vock, der an diesem Tag auf der Gegengerade stand und so hautnah miterlebte, wie die Leute mitgingen, nahm «Sweet Caroline» per sofort ins Standardrepertoire auf.
Heutzutage gehört «Sweet Caroline» nach Heimsiegen zum Feierprogramm wie der Kaffi Penalty im Restaurant Sportplatz. «Das macht mich schon ein bisschen stolz. Das Lied eignet sich ideal für das Zusammenspiel zwischen Stadion-DJ und Publikum», sagt Bachmann. Im Brügglifeld lassen Bachmann und seine Speakerkollegen jeweils die fetzigere Coverversion von DJ Ötzi laufen. Gewusst, dass das Original, gesungen und geschrieben von Neil Diamond, heuer den 50. Geburtstag feiert, hat Bachmann nicht. «Umso schöner wäre es, wenn ich am Sonntag nach dem Spiel gegen Chiasso Sweet Caroline abspielen könnte.»
1969 wurde Neil Diamond zu dem Lied inspiriert, als er in einer Zeitschrift ein Bild von Caroline Kennedy, der Tochter von John F. Kennedy, sah. Geahnt, dass «Sweet Caroline» dereinst die Sportstadien der Welt erobert, hat der US-Amerikaner nicht. Wie auch, der Songtext hat nicht im Ansatz etwas mit Sport zu tun. In Nordirland aber führte das Lied sogar dazu, dass sich Katholiken bei Länderspielen ins Stadion trauen: Nachdem der nordirische Nationalspieler Neil Lennon 2002 aus dem Nationalteam zurücktrat, weil er von protestantischen Fans für seinen Wechsel zu einem katholischen Klub Morddrohungen erhielt, sollten fortan keine Lieder mehr mit religiöser Bedeutung in den Stadien ertönen. Stattdessen lief «Sweet Caroline» und hatte grossen Anteil an der heutigen offenen und freundlichen Atmosphäre bei den Spielen. 2016, als sich die Nordiren erstmals für eine EM qualifizierten, sorgte der Chor aus zehntausenden Fans mit «Sweet Caroline» für Gänsehaut-Momente in den Stadien.
So viele werden es am Sonntag im Brügglifeld nicht sein. Was die Inbrunst bei «Sweet Caroline» nicht schmälern wird. Doch damit es so weit kommt, müssen FCA-Trainer Patrick Rahmen und seine Mannschaft erst vorlegen.
Positives Denken ist gefragt
Trotz bislang enttäuschender Vorrunde – vor dem letzten Spiel des Jahres gilt es beim FC Aarau, positiv zu denken: Mit einem Heimsieg gegen Schlusslicht Chiasso würde das Team seine Bilanz egalisieren (sechs Siege, sechs Remis, sechs Niederlagen), hätte bei Halbzeit 24 Punkte und somit einen mehr als zum gleichen Zeitpunkt der Vorsaison. Für dieses Vorhaben hilft sicher der Umstand, dass Markus Neumayr nach verbüsster Gelbsperre ins Team zurückkehrt: Die Kreativität des 33-Jährigen wurde beim 0:0 in Schaffhausen schmerzlich vermisst.
Dafür fehlt am Sonntag gegen die Tessiner (Spielbeginn 15 Uhr) Geoffroy Serey Dié, bei dem sich die Frage stellt, ob er überhaupt nochmals für den FCA aufläuft: Der Vertrag des 35-jährigen Ivorers läuft Ende Jahr aus, über das «Wie weiter» hat der FCA bislang nicht kommuniziert.