
So will die neue McDonalds-Chefin mehr Vegetarier in den McDonalds locken
Es ist ruhig an diesem Donnerstagmorgen im McDonalds in Crissier. Nur ein paar wenige Kunden bestellen sich einen Kaffee und einen Donut. Doch der Eindruck täuscht, das McDonalds-Restaurant im Lausanner Vorort zählt zu den umsatzstärksten des ganzen Konzerns. Seit zehn Jahren rangiert die Schweizer Filiale unter den Top-Ten aller Standorte weltweit.
In Dollar umgerechnet erzielte im vergangenen Jahr einzig der McDonalds im Disney-Vergnügungspark in Paris mehr Umsatz als Crissier. Der Standort profitiert von der verkehrsgünstigen Lage, den nahen Einkaufsmöglichkeiten und den vielen Bürogebäuden rundherum. Hinzu komme das volle Programm: McDrive, Take Away, Restaurant und McDelivery, erklärt Aglaë Strachwitz, seit wenigen Wochen neue Chefin von McDonalds Schweiz. Gegen Mittag werde die Zahl der Kunden dann schnell anziehen, sagt sie.
Bei der Teileröffnung am 27. April nach dem Lockdown habe sich die Autoschlange dreimal ums Gebäude gewunden. «Diesen Tag werden wir McDonalds-Mitarbeitenden nicht mehr vergessen», sagt Strachwitz. Der Ansturm sei enorm gewesen. «Die Menschen haben den McDonalds-Geschmack offenbar vermisst, sie wollten dieses Stück Normalität wieder zurück.» Strachwitz habe erst am späten Abend nach Hause fahren können, da ihr Auto von den viele Gästen blockiert gewesen sei.
Vorgänger wurde nach Kanada berufen
Die 39-Jährige hat per 1. August von ihrem Vorgänger Jacques Mignault übernommen, der als Länderchef nach Kanada berufen wurde. Der Wechsel mitten in der Pandemie hat die Österreicherin nicht abgeschreckt. Sie arbeitet bereits seit 14 Jahren bei McDonalds, zehn davon in der Schweiz am Hauptsitz in Crissier gleich oberhalb des Restaurants. Zuletzt war das Sprachtalent – sie spricht neben deutsch, französisch, englisch, spanisch und ein wenig italienisch – Marketingchefin. Dabei arbeitete sie bereits eng mit dem Länderchef zusammen.
Strachwitz ist in Niederösterreich, südlich von Wien, aufgewachsen. Die Tochter eines Tschechen und einer Österreicherin hat viel Zeit auf dem Rücken von Pferden verbracht. Ihr Vater, 1968 aus Tschechien geflohen, war Mitglied des tschechischen Springerteams. Er trainierte seine Tochter, die bis zu ihrem 18. Lebensjahr professionell Military ritt. Die Disziplin umfasst Dressur, Crosscountry und Springen und gilt als sehr anspruchsvoll. Noch heute reitet Strachwitz regelmässig.
Als Helferin an den Winterspielen in Salt Lake City Simon Ammanns Triumph miterlebt
Nach dem Gymnasium studiert Strachwitz Wirtschaft im schottischen St. Andrews, der Universität an der auch die Mitglieder des britischen Königshauses an. Sie ist im dritten Jahr, als Prinz William sein Studium aufnimmt. Zurück in Österreich absolviert sie diverse Praktika. 2002 arbeitet sie während den Olympischen Winterspielen in Salt Lake City im Haus Österreich. Sie ist dabei als die Österreicher das Abfahrtsgold von Fritz Strobl feiern, und auch als Simon Ammann seine legendären zwei Goldmedaillen bejubelt. «Er hat unserem Haus einen Besuch abgestattet.»
Doch nicht nur die Sportler haben bei Strachwitz Eindruck hinterlassen. In Salt Lake City war Strachwitz in einem Neubau direkt vis-à-vis eines Spitals untergebracht. An jedem Bett habe ein Flyer darauf hingewiesen, dass das Gebäude später von der Ronald McDonald Stiftung genutzt werde. «Die Idee, dass es die Stiftung Eltern ermöglicht, in unmittelbarer Nähe ihrer kranken Kinder zu übernachten, hat mich stark berührt», sagt sie.
Zurück in Österreich arbeitet sie zwei Jahre lang für einen ÖVP-Parlamentarier. Dabei habe sie kommunikativ viel gelernt. «Fakten sind wichtig, zentral ist aber auch, dass man sie mit einer Geschichte verbinden kann. Das weckt bei den Menschen Emotionen und hilft, sie zu überzeugen.» Etwas, das sie heute bei McDonalds gut gebrauchen könne. «Essen hat viel mit Emotionen zu tun. Ein Restaurantbesuch soll für unsere Kunden ein Genuss sein.»
Freunde machten sie schliesslich auf eine freie Stelle für Marketing und Fundraising bei der Ronald-McDonald-Stiftung aufmerksam. Sie bewirbt sich sofort und erhält den Zuschlag. Die McDonalds-Karriere nimmt ihren Lauf.
Die Fastfoodkette habe sie schon seit jeher fasziniert. Die starke Brand – und natürlich das Essen: «Ich beisse gerne in einen Burger – am liebsten in einen Klassiker wie den Cheeseburger Royal oder den Big Mac.»
Zwei bis dreimal pro Woche esse sie in «ihren» Restaurants. Sie koche aber auch gerne zu Hause für sich oder für Freunde. An der Schweiz mag sie die Vielfalt und die Natur. Von der Arbeit erholt sie sich gerne bei einem Spaziergang oder beim Wandern. Und natürlich fährt sie auch Ski.
Für McDonalds Schweiz hat sie klare Zielvorstellungen. Pro Jahr sollen zwei bis vier neue Standorte eröffnet werden. Strachwitz glaubt trotz Corona an die Restaurants. «Die Schweizerinnen und Schweizer gehen gerne ins Restaurant essen.» Nichtsdestotrotz soll auch der Lieferservice McDelivery ausgebaut werden. «Der Schlüssel liegt in der Kombination.»
Auch auf der Menukarte sind einige Änderungen vorgesehen. So wird in Kürze eine neue Pouletlinie eingeführt und das Angebot für Vegetarier erweitert. «Pro Tag besuchen 300’000 Kunden unsere Restaurants, diese Zahl soll weiter steigen», sagt Strachwitz. Wer kein Fleisch esse, sei bei der Auswahl bislang eingeschränkt gewesen. Das soll sich ändern: Jeder Pouletburger soll künftig auch in einer vegetarischen Variante zu haben sein. McDonalds setzt dabei auf ein Schnitzel aus Milchproteinen und Haferfasern.
Nur fünf Menus müssen zwingend angeboten werden
Dass ihr Handlungsspielraum aufgrund der Konzerndirektiven aus den USA eingeschränkt sei, treffe nicht zu. Natürlich gebe es Bereiche, die unantastbar seien. Dabei gehe es vor allem um Standards für Qualität, Sicherheit und Lieferanten. Doch: «McDonalds ist viel dezentraler, als viele denken.» Jede Ländergesellschaft habe gerade bei den angebotenen Speisen grosse Freiheiten. «Es gibt nur fünf Artikel, die wir zwingend führen müssen», betont sie. Dazu zählen der Big Mac, der Hamburger, der Cheeseburger, die Chicken McNuggets und die MacFries
Umgekehrt seien auch die Franchisenehmer in vielen Bereichen frei – selbst in der Preisgestaltung. «Wir machen unverbindliche Empfehlungen, den Preis etwa für einen Kaffee setzt aber der Franchisenehmer fest.» Dies erkläre zum Beispiel die Preisunterschiede für einen Kaffee zwischen Zürich und dem Tessin.
Um den Stallgeruch nicht zu verlieren, ist Strachwitz viel in den Restaurants unterwegs und spricht mit den Franchisenehmern und deren Geschäftsführern. Regelmässig zieht sich Strachwitz selber die Uniform an, um in einer Filiale zu arbeiten. «Nur so kann man erkennen, ob eine Strategie, die im Büro entworfen wurde, auch am Tisch mit den Gästen funktioniert.»