Sollen auch Ausländer in den Gemeinden wählen und abstimmen?

Derzeit ist im Aargau gemäss Verfassung stimm- und wahlberechtigt, wer das 18. Altersjahr zurückgelegt und den Schweizer Pass hat. Die SP verlangt mit einem Vorstoss im Grossen Rat eine neue Regelung, die es Gemeinden erlauben würde, auf lokaler Ebene das Ausländerstimmrecht einzuführen.

Grossrätin Silvia Dell’ Aquila sieht dies als Chance: «Gerade in den Gemeinden werden Entscheide gefällt, die das Leben aller Einwohnerinnen und Einwohner betreffen», hält sie fest. Heute sei rund ein Viertel der Wohnbevölkerung, eben die Ausländer, von der Politik ausgeschlossen. «Viele dieser Menschen leben bereits seit Jahrzehnten im Aargau und tragen zum sozialen und wirtschaftlichen Leben des Kantons und der Gemeinden bei.»

SP: Wer hier Steuern zahlt, soll auch mitentscheiden

Dell’Aquila findet, dass alle, die in einer Gemeinde wohnen und dort steuerpflichtig sind, an politischen Entscheiden beteiligt werden sollten. Dies würde zur vollwertigen Integration der Ausländerinnen und Ausländer beitragen und wäre ein wichtiger Schritt für das Zusammenleben in den Gemeinden, hält die SP-Grossrätin fest.

Als Vorbild sieht Dell’Aquila zwei andere Deutschschweizer Kantone. In Graubünden und Appenzell Ausserrhoden haben die Gemeinden heute die Möglichkeit, das Stimm- und Wahlrecht für Ausländer fakultativ einzuführen. «Dies soll künftig auch im Aargau möglich sein», fordert die Grossrätin.

FDP-Grossrat: Weg soll über die Einbürgerung führen

In den knapp zehn Jahren, seit Adrian Schoop (FDP) in Turgi Gemeinderat ist, war die Einführung des Ausländerstimmrechts auf kommunaler Ebene kein Thema. «Es gab weder eine Petition, noch eine Wortmeldung an einer Gemeindeversammlung oder einen Vorstoss einer Ortspartei», sagt Schoop.

Der FDP-Grossrat ist der Meinung, dass der Weg zum Stimm- und Wahlrecht über den Schweizer Pass führen soll. Die heutige Regelung findet der freisinnige Gemeindeammann von Turgi gut. «Wer demokratisch mitbestimmen will, soll dafür etwas leisten und sich einbürgern lassen», sagt Schoop. So würden diese Personen beweisen, «dass sie mit unserem Staatswesen vertraut sind und unsere Sprache sprechen, das sind wichtige Voraussetzungen, um abzustimmen und zu wählen».

Initiative und Vorstösse bisher deutlich abgelehnt

1996 wurde im Aargau eine Initiative für das fakultative kommunale Ausländerstimmrecht mit 85 Prozent Nein an der Urne wuchtig abgelehnt. Später scheiterten im Grossen Rat zwei ähnliche Vorstösse. Eine Motion für das Stimmrecht auf Gemeinde-Ebene wurde 2015 mit 88 zu 30 Stimmen abgelehnt. Das Ausländerstimmrecht auf kantonaler Ebene verwarf das Kantonsparlament im Jahr 2016 mit 100 zu 28 Stimmen noch klarer.

Dennoch gibt es immer wieder Bestrebungen in diese Richtung. Seit 2015 steht im Integrationskonzept von Baden, dass der Stadtrat kantonale Grundlagen dafür erwirken wolle. Und auch Aarau will sich für eine Gesetzesänderung des Kantons einsetzen. Im April 2018 nahm der Aarauer Stadtrat das Ausländerstimmrecht auf kommunaler Ebene als Legislaturziel auf. Kurz vor Weihnachten 2020 überwies der Einwohnerrat Aarau eine Motion der SP, die ein Vorstossrecht für Ausländer vorsieht.