
Stammt Corona doch aus einem Labor in Wuhan? Der WHO-Chefforscher hält das nun plötzlich für «wahrscheinlich»
Wenn es bisher um die sogenannte Corona-Laborthese ging, war die Weltgesundheitsorganisation WHO sehr vorsichtig. Es sei «extrem unwahrscheinlich», dass das Virus Ende 2019 aus einem Labor in der Grossstadt Wuhan entwichen sei, erklärte ein WHO-Expertenteam nach einem Besuch in China im Februar.
Doch nun klingt der Leiter des Teams, der Däne Peter Embarek, plötzlich anders: Es sei vielmehr eine von mehreren «wahrscheinlichen Hypothesen», dass ein Zusammenhang mit einem Labor in Wuhan bestehe, erklärte er dem dänischen Fernsehsender TV2.
Zwar glaubt Embarek weiterhin nicht, dass Experimente zur Entstehung des Virus geführt haben, aber er hält es für gut möglich, dass ein Forscher oder eine Forscherin aus einem Labor in Wuhan sich bei einer Fledermaus angesteckt hat.

WHO-Experte Peter Embarek in Wuhan: Für den Dänen ist es eine «wahrscheinliche Hypothese», dass das Corona-Virus zuerst im Labor übertragen wurde – von einer Fledermaus auf einen Menschen.
Diese Person wäre damit Patient Null gewesen, der erste Mensch, der sich mit Corona infiziert hat – und nicht eine zufällige Person aus der Land- oder Stadtbevölkerung, die mit Fledermäusen oder anderen Wildtieren in Berührung kam und das Virus auf den Markt in Wuhan brachte, der seither traurige Berühmtheit erlangt hat.
Erkenntnisse aus Ermittlungen in China
Embarek, einer der weltweit führenden Experte für Zoonosen, von Tieren auf Menschen übertragene Infektionskrankheiten, betont, dass er keine direkten Beweise für diese Hypothese habe, wohl aber einige Erkenntnisse aus seinen Ermittlungen in China. Ein Hinweis sei: Ein Virus, dass dem Corona-Virus stark ähnelt, wurde in der Fledertier-Art Hufeisennase gefunden. Diese komme in Wuhan nicht vor.
Zugang zu diesen Tieren hätten jedoch die auf Fledermäuse spezialisierten Forscher in Wuhan bei ihrer Feldforschung gehabt. Embarek erklärte zudem gegenüber TV2, dass es in Wuhan mehrere relevante Labors gäbe, darunter eines der Gesundheitsbehörde CDC; zwei davon hätten er und sein Team – unter strenger Aufsicht der chinesischen Behörden – besuchen können.
Das CDC-Labor, nur wenige Hundert Meter vom Markt in Wuhan entfernt, sei erst Anfang Dezember 2019 dorthin gezogen und neu aufgebaut worden. «Man weiss, wenn ein Labor umzieht, man die Virus- und Probensammlung zügelt, stört das den ganzen Betrieb und die Arbeitsroutinen», sagt Embarek, der damit andeutet, dass es auch zu Sicherheitsmängeln hätte kommen können. Der Däne betont, dass weitere Nachforschungen sowie Einblick in Daten und Laborbücher nötig wären, um weiter zu kommen.
Chinas Behörden blockieren die Untersuchung
Dazu müssten sich aber die chinesischen Behörden kooperativer zeigen als bisher. Die WHO-Experten konnten nämlich bei ihrem Besuch das Thema «Labor in Wuhan» erst ganz am Schluss überhaupt mit den Chinesen diskutieren, berichtet Embarek. Schliesslich wurde ein Laborbesuch erlaubt, das Team konnte Fragen stellen, aber keine Dokumentation sehen. Und beim Schlussrapport durften chinesische Experten mitreden, weil es sich um eine wissenschaftliche Untersuchung handelte.
«Zuerst sollte gar nichts über ein Labor im Bericht stehen», so Embarek. Er erklärte den chinesischen Vertretern, dies sei dringend nötig, sollte der Bericht irgendwie glaubwürdig erscheinen. Die Labortheorie wurde danach im Rapport erwähnt – aber als «extrem unwahrscheinlich» bezeichnet. Ein sprachlicher Kompromiss, der die WHO und viele Regierungen weltweit keineswegs zufrieden stellte.
Im Juli schlug die WHO deshalb eine erneute Untersuchung in den Labors in Wuhan vor, diesmal mit Experten, die nicht nur wissenschaftlich untersuchen, sondern polizeimässig ermitteln dürften. Ein Vertreter der chinesischen Regierung lehnte dieses Vorgehen als «unvernünftig» und als «im Widerspruch mit der Wissenschaft stehend» ab. Niemand in China wolle das Gesicht verlieren, sagt Peter Embarek: «Das System fokussiert sehr darauf, dass alles perfekt ist. Es kann aber auch sein, dass jemand etwas verstecken will. Wer weiss.»