«Stasi in der Schweiz» – Facebook-Gruppe greift «Blick» an und flyert gegen Maskenpflicht

«Tragen Sie selbst eine Maske? Halten Sie sich an die bundesrätliche Masken-Verordnung? Oder haben Sie Masken-Verweigerer angetroffen? Schicken Sie uns Videos und Fotos von Ihrem Arbeitsweg im ÖV». Mit diesem Aufruf an seine Leser begleitete der «Blick» die Einführung des Maskenobligatoriums zu Beginn der letzten Woche.

Auf Blick.ch wurden daraufhin zahlreiche Selfies von Lesern mit Maske veröffentlicht und vereinzelt auch Bilder von Passagieren ohne Maske online – mit verpixelten Gesichtern, aber mutmasslich ohne deren Einwilligung aufgenommen. Später änderte die Zeitung die Formulierung ab und fragte ihre Leser statt nach Begegnungen mit maskenlosen Passagieren nur noch: «Sind Sie ein Maskenverweigerer?»

Auch verpixelte Fotos sind wohl rechtlich unzulässig

Das kam nicht überall gut an. «Stasi in der Schweiz», schrieben die Administratoren der über 13’000 Mitglieder und Follower zählenden Facebook-Gruppe «StayAwake – für Freiheit und Selbstbestimmung» unter einen Screenshot des «Blick»-Aufrufs. Die Mitglieder sollen sich beim «Blick» und beim Schweizer Presserat beschweren.

Dort waren bis Freitag gegen 20 Reaktionen auf den Aufruf des «Blick» eingegangen, wie Geschäftsführerin Ursina Wey sagt. Viele davon sind offenbar auf den Aufruf bei «StayAwake» zurückzuführen. Die meisten beim Presserat eingetroffenen Reaktionen bezogen sich auf den Aufruf des «Blick». Unterdessen liegt auch eine Beschwerde gegen die publizierten Fotos von maskenlosen Passagieren vor. Beim«Blick»-Herausgeber Ringier ist aktuell aber noch keine offizielle Beschwerde des Presserats eingetroffen.

Rechtlich begibt sich der «Blick» auf heikles Terrain. «Es ist kein überwiegendes Interesse am Fotografieren und am Veröffentlichen dieser Bilder erkennbar», sagt Rechtsanwalt Martin Steiger, Experte für Medienrecht. Die Verpixelung ändere nichts daran, dass beim Fotografieren das Recht am eigenen Bild verletzt worden sei. Auch stelle sich die Frage, ob die Verpixelung genügt, um ein Erkanntwerden auszuschliessen. «Damit werden die Persönlichkeitsrechte der ungefragt fotografierten Personen verletzt».

Bei Ringier heisst es, der «Blick» achte bei Leserreporter-Bildern stets darauf, dass nur die Leserreporter selber, nicht aber andere Personen erkennbar seien: «Diese werden selbstverständlich verpixelt, damit sie nicht erkennbar sind und nicht in ihren Rechten verletzt werden», so eine Sprecherin.

Aufruf zum Flyerverteilen gegen das Maskenobligatorium

Bei«StayAwake» ist man nicht nur auf den «Blick» schlecht zu sprechen. In Posts wird die Gefährlichkeit des Coronavirus in Frage gestellt. Die Massnahmen zu dessen Bekämpfung seien hysterisch und übertrieben und dienten Regierungen dazu unter Mithilfe der Medien die Grundrechte von Bürgern einzuschränken, so der Tenor.

 
Passagiere mit Masken in einem Tram in Genf.

Passagiere mit Masken in einem Tram in Genf.

© Keystone / Salvatore Di Nolfi

Auch der Bundesrat und das Bundesamt für Gesundheit (BAG) kommen schlecht weg. In einem Post werden Mitgliedern dazu aufgerufen, für 15 Franken pro Tausend Stück Flyer gegen das Maskenobligatorium im öffentlichen Verkehr zu bestellen und unter die Leute zu bringen. Das Flugblatt behauptet, dass Maskentragen gegen das Coronavirus nutzlos sei, zu Bewusstlosigkeit und einer Vermehrung von Viren und Bakterien in der Lunge führe.

Die Pseudoforscher und die kremlnahen Medien

Wie «20 Minuten» berichtete, verteilte am Wochenende ein Mann diesen Flyer am Zürcher Hauptbahnhof. Beim BAG hat man haben den Flyer zur Kenntnis genommen und «öffentlich darauf aufmerksam gemacht, dass er falsche Behauptungen enthält».

Auf dem Flyer prangt ein QR-Code, der zur Website von «Swiss Policy Research» führt (bis vor kurzem «Swiss Propaganda Research», SPR). Deren anonymen Urheber betreiben entgegen ihres Namens keine Forschung, sondern erstellen pseudowissenschaftlich formulierte Dossiers mit fragwürdigen Quellen, auch zum Thema Corona. SPR promotet so genannte Alternativmedien und stellt etablierte Schweizer Medien als unkritisch und «NATO-freundlich» dar. Auffällig: Unter den von SPR empfohlenen Medien sind viele mit einer direkten Verbindung zur russischen Regierung im Kreml.