Stephan Keller kritisiert Schiedsrichter: «Wir werden strukturell benachteiligt»

In den vergangenen Wochen hat die Schiedsrichter-Diskussion in der Schweiz kräftig Fahrt aufgenommen: Die Qualität der Referees, die Daseinsberechtigung des Videoassistenten (VAR), Konsequenzen für fehlerhafte Unparteiische – alles wurde medial und am Stammtisch verhandelt. Auch die «AZ» hat mitgemacht und nach der Aarauer 0:2-Heimpleite am vergangenen Freitag gegen Thun getitelt: «Und wieder eine Schiedsrichter-Diskussion» Dies, nachdem Alain Bieri dem FC Aarau beim Stand von 0:0 und nach einem klaren Foul an Raoul Giger einen Penalty verwehrt hat.

Vier Tage später trifft Aarau im Schweizer-Cup-Achtelfinal auf das oberklassige Lausanne-Sport. In der Schlussphase, als das Heimteam leidenschaftlich gegen den 0:1-Rückstand anrennt, kommt es zu einigen strittigen Szenen – und in der 91. Minute liegt dann plötzlich FCA-Stürmer Gobé Gouano im Lausanne-Strafraum am Boden und verwirft die Hände, als die Pfeife von Schiedsrichter Lukas Fähndrich stumm bleibt. Leider liefern die TV-Bilder keine endgültige Aufklärung darüber, ob im Zweikampf mit Lausanne-Verteidiger Anel Husic ein Penaltypfiff angebracht gewesen wäre oder nicht.

Trotzdem echauffiert sich FCA-Trainer Stephan Keller nach Spielschluss über den nicht gegebenen Penalty; Gouano habe ihm glaubhaft erklärt, dass er am Knöchel getroffen worden sei. So weit, so verständlich Kellers Aussagen in der Enttäuschung über die vermeidbare und knappe 0:1-Niederlage gegen den Superligisten.

Doch dann geht der 42-Jährige im Interview mit dem Klubsender «FC Aarau TV» einen Schritt weiter als die übliche Schiedsrichter-Kritik und sagt in seiner Spielanalyse: «Das ist jetzt im dritten Spiel hintereinander der dritte Penalty, der uns verwehrt wird. Ich werde erneut Dani Wermelinger (Chef der Spitzenschiedsrichter; Anm. d. Red.) zum Kaffee einladen, denn ich akzeptiere nicht, dass man strukturell benachteiligt wird. Mir tun meine Jungs leid.»

Ein krasser Vorwurf an die  gesamte Schiedsrichter-Gilde. Strukturelle Benachteiligung? Das heisst nichts anderes als: In Kellers Augen liegt es quasi in der DNA der Unparteiischen, den FC Aarau zu benachteiligen.

Mehr Pech als Glück mit den Schiedsrichtern
Fakt ist: In dieser Saison gab es vier Szenen, in denen der FC Aarau keinen Penalty erhalten hat, nach Konsultation der TV-Bilder jedoch das Gegenteil die richtige Entscheidung gewesen wäre: Am 2. Spieltag in Thun (Endstand 2:1 für Aarau), am 8. Spieltag in Winterthur (Endstand 0:0), am 10. Spieltag auswärts gegen Stade Lausanne-Ouchy (Endstand 2:0 für Aarau) und am 11. Spieltag gegen Thun (Endstand 2:0 für Thun). Wie bereits geschrieben: Ob im Cupspiel gegen Lausanne-Sport Gouano tatsächlich gefoult wurde, beantworten die TV-Bilder nicht.

Auch wenn der FC Aarau bis dato mehr Pech als Glück mit den Schiedsrichter-Entscheidungen hatte: Kellers Folgerung aus den Fehlentscheiden, seine Mannschaft werde strukturell benachteiligt, ist absurd und nicht belegbar – vor allem einfach unnötig. Das Image des FC Aarau, sonst in vielen Belangen ein Musterschüler, dürfte darunter leiden: in der Öffentlichkeit, beim Verband und bei den Schiedsrichtern. Ob das in Kellers Sinn und jenem der FCA-Verantwortlichen ist?

Beim Schweizerischen Fussballverband, zuständig für die  Rekrutierung der Schiedsrichter, hat man Kellers Äusserungen zur Kenntnis genommen und reagiert einigermassen verstimmt: «Wir wollen zu den happigen Vorwürfen keine Stellung nehmen und ziehen es stattdessen vor, Unklarheiten nicht via Öffentlichkeit zu regeln.»