
Steueramt verpasst Frist: Aargauer Millionärs-Ehepaar muss für ein Jahr keine Steuern zahlen
Eine Million Franken steuerbares Einkommen, 14 Millionen Franken steuerbares Vermögen – die Zahlen, die ein Aargauer Ehepaar für das Jahr 2008 meldete, sähe jedes Steueramt gerne. Der Steuerrechner auf der Website des Kantons Aargau liefert die ungefähren Werte dazu: Um die 300’000 Franken hätten Kanton und Gemeinde demnach zusammen einziehen können. Doch beide gehen leer aus, wie ein aktuelles Bundesgerichtsurteil zeigt.
Der Grund: eine verpasste Frist. Das Recht, eine Steuer zu veranlagen, verjährt fünf Jahre nach Ablauf der Steuerperiode, so sieht es das Steuergesetz des Kantons Aargau vor. Unbestritten ist der Tag der Veranlagung: der 24. Februar 2015. Umstritten hingegen, und zwar bis vor das oberste Gericht des Landes, war eine andere Frage: Lag dieser Zeitpunkt noch innerhalb der Frist?
Nein, findet das Ehepaar, das in seiner Ansicht erst vom Aargauer Spezialverwaltungsgericht, später vom kantonalen Verwaltungsgericht gestützt wurde. Vor Bundesgericht versuchte das kantonale Steueramt, den Entscheid abzuwenden – und doch noch an die Gelder zu kommen.
Irrtum in wichtigem Punkt
Zentral für den Ausgang des Verfahrens ist die Rolle einer Treuhandgesellschaft. Das kantonale Steueramt ging davon aus, diese vertrete die Interessen des Ehepaars. Das hätte zur Folge, dass die fünfjährige Frist im Frühling 2010 durch ein Schreiben der Treuhandgesellschaft unterbrochen worden wäre und die Gemeinde die Steuern rechtzeitig veranlagt hätte. Doch eine schriftliche Vollmacht des Ehepaars lag nicht vor.
Das Bundesgericht erinnert in seinem Entscheid an die Vorjahre, in denen die Treuhandgesellschaft nie als Vertreterin der beiden Steuerpflichtigen aufgetreten sei, vielmehr hätten diese immer selbst gehandelt. «Von etwas anderem ging nicht einmal die Gemeindebehörde aus, stellte sie doch insbesondere die Veranlagungsverfügung vom 24. Februar 2015 den Beschwerdegegnern direkt zu und nicht über die Treuhandgesellschaft», heisst es im Urteil.
Kurz: Das kantonale Steueramt täuschte sich nach Ansicht der höchsten Richter in diesem entscheidenden Punkt. Stattdessen steht für sie fest: Die Frist war zwar zwischenzeitlich unterbrochen, weil das Steueramt der zuständigen Gemeinde im November 2009 zusätzliche Unterlagen eingefordert hatte, aber spätestens am 10. Dezember 2014 abgelaufen – also über zwei Monate vor der Veranlagung.
Kosten von 12’000 Franken
Warum die Steuern für das umstrittene Jahr nicht früher veranlagt worden sind, geht aus dem Urteil nicht hervor. Klar ist hingegen: Das Bundesgericht weist die Beschwerde des kantonalen Steueramts ab und bestätigt die Einschätzung des Aargauer Verwaltungsgerichts, wonach der Anspruch des Staates, die Steuern zu veranlagen, verjährt ist. Statt der Steuereinnahmen kommen nun Ausgaben auf den Kanton zu: neben den Gerichtskosten von 6000 Franken auch eine Entschädigung für das Verfahren in gleicher Höhe an die Gegenseite.
Kanton: ein absoluter Einzelfall
Dave Siegrist, Vorsteher kantonales Steueramt, sagt zu diesem Urteil, es handle sich hier um einen Beurteilungsfall aus dem Jahre 2010. Das Bundesgericht komme zum Schluss, dass die Verjährungsfrist 2014 bereits abgelaufen sei. Das Urteil werfe Fragen betreffend zurechenbaren Stellvertretungshandlungen im Zusammenhang mit Treuhandmandaten auf.
Siegrist: «Der Kanton hat seine Aufsichtspflicht wahrgenommen, indem er die Verjährungsliste kontrolliert hat.» Mit dem vorliegenden Gerichtsverfahren habe der Kanton versucht, noch einen (kantonalen) Weg zu finden, um dennoch eine Verjährungsunterbrechungshandlung geltend machen zu können. Dies wurde allerdings vom Bundesgericht nicht gutgeheissen. Siegrist: «Dieser Fall stellt einen absoluten Einzelfall dar. Er wird nun analysiert und mögliche Weisungen im Zusammenhang mit der Zusammenarbeit mit den Gemeindesteuerämtern geprüft.»
Bundesgerichtsurteil 2C_222/2018 vom 7. Januar 2019