
Stromleitung über dem Grundstück: Aargauer Ehepaar erhält Entschädigung – aber wie viel?
Die juristische Gegenwehr schien sich für das Aargauer Ehepaar auszuzahlen: Von zwischenzeitlich 553 Franken stieg die Entschädigung auf 340’000 Franken. Das Bundesverwaltungsgericht hatte im letzten November jenen Betrag massiv erhöht, der den Niederwilern zusteht, weil eine Starkstromleitung über ihr Grundstück führt und den Wert der Liegenschaft vermindert. Diesen Betrag, den die Swissgrid dem Ehepaar hätte überweisen müsste, akzeptierte die Stromnetzbetreiberin nicht. Daher landete der Fall beim Bundesgericht – bereits zum zweiten Mal.
Seinen Anfang nahm der Rechtsstreit vor sechs Jahren. Damals beantragte die Swissgrid, ihr sei bis 2030 das sogenannte Überleitungsrecht einzuräumen. Und dies rückwirkend ab 2001. Damals war die Abmachung mit dem früheren Eigentümer des Grundstücks ausgelaufen, wonach die Stromleitung zu dulden ist. Doch das Ehepaar, das die Parzelle am Dorfrand vor über 30 Jahren erworben hat, und Swissgrid konnten sich nicht über die Höhe der Entschädigung einigen.
Ehepaar wollte sich mir dem Betrag nicht abfinden
Die umstrittene Frage beschäftigte fortan die verschiedenen Instanzen, einig wurden allerdings auch sie sich nicht: Die Eidgenössische Schätzungskommission sprach dem Ehepaar 2800 Franken zu. Das Bundesverwaltungsgericht reduzierte den Betrag später auf rund 550 Franken, wurde aber im Juli 2017 ein erstes Mal vom Bundesgericht korrigiert. In der Folge ging die Rechnerei von vorne los. Die Schätzungskommission kam nun auf über 12’800 Franken, womit sich wiederum das Ehepaar nicht abfinden wollte. Mit Erfolg zog es den Entscheid weiter ans Bundesverwaltungsgericht – und erhielt daraufhin die bereits erwähnten 340’000 Franken zugesprochen. Doch auch bei dieser Summe wird es nicht bleiben, wie das aktuelle Bundesgerichtsurteil zeigt.
Berechnung im dritten Anlauf
Die obersten Richter sind nicht einverstanden mit der Berechnung des Bundesverwaltungsgerichts und heben dessen Entscheid auf. Fest steht für sie: Die Stromleitung führt über den Garten hinweg, nur wenige Meter am Haus vorbei und wirkt sich daher negativ auf den Wert des Grundstücks aus. Als Grund nennt das Bundesgericht im Urteil unter anderem die «massive optische Belastung» durch die praktisch unmittelbar über dem Wohnhaus verlaufende Hochspannungsleitung. Dies werde von vielen Personen als Bedrohung empfunden, «auch wenn die Gefahr herabfallender Leitungen äusserst gering und ein strahlungsbedingtes Gesundheitsrisiko nicht nachgewiesen ist».
Entschädigung ist noch offen
Würde die Leitung hingegen nicht auf, sondern neben dem Grundstück des Ehepaars stehen, fielen die Immissionen geringer aus, was sich positiv auf den Verkehrswert der Parzelle auswirken würde. Allerdings müsse berücksichtigt werden, dass die negativen Auswirkungen dadurch zwar vermindert, aber nicht vermieden werden könnten, urteilen die Bundesrichter. Und genau diesen Umstand habe das Bundesverwaltungsgericht bei der Festlegung der Entschädigung zu wenig beachtet.
Das heisst: Entscheidend für die Berechnung ist nicht der Vergleich zwischen der aktuellen Situation und der Annahme, es gäbe in der Nähe keine Starkstromleitung. Ausschlaggebend ist vielmehr der Unterschied zwischen der Wertverminderung aufgrund der tatsächlichen Auswirkungen und den hypothetischen Immissionen, wenn die Leitung neben dem Grundstück vorbeiführen würde. Auf dieser Grundlage muss das Bundesverwaltungsgericht die Entschädigung – im dritten Anlauf – nochmals neu berechnen. Wie viel Geld das Ehepaar letztlich erhalten soll, lässt das Bundesgericht daher im Urteil offen.