
Subventionen für ungeimpfte Event-Besucher?
Die Vorbehalte gegen die Corona-Impfung sind gross. Die Schweiz liegt mit einer Impfquote von unter 50 Prozent auf dem letzten Platz in Westeuropa. Im Kanton Aargau liegen derzeit 73 000 Impfdosen auf Halde. Auf der anderen Seite nehmen heute Montag die Schulen nach ihrer Sommerpause wieder den Betrieb auf. In den Klassen sitzen zahlreiche – unter 12-Jährigen wird das Vakzin ja auch noch nicht angeboten – ungeimpfte Schülerinnen und Schüler, die ihre Ferien auf dem Balkan, in Italien oder Spanien verbracht haben. Zurück vom Strand an seine Arbeitsplätze kehrt auch ein grosser Prozentsatz nicht immunisierter Erwachsener zurück, der sich auf Club-Besuche, Fussballspiele und das Heitere-Open-Air freut.
Die Delta-Variante, eine mangelnde Impfbereitschaft, die Ferienrückkehrer und der Schulstart – die Situation ist unübersichtlich und die Fallzahlen sind bereits im Steigen. Stehen wir vor einer vierten Welle? Der Bundesrat sei vorsichtig, sagte Bundesrat und Gesundheitsminister Alain Berset gegenüber der Sonntagspresse. «In der Schweiz soll es keine erneuten Schliessungen mehr geben. Dafür werden wir alles unternehmen.»
Was heisst das? Angedacht ist eine Verschärfung der Zertifikatspflicht und eine weitere Informations-Kampagne, mit der man versucht, Ungeimpfte – die sich schlecht informiert fühlen oder sich vor Nebenwirkungen und Langzeitfolgen fürchten – vom Vakzin zu überzeugen. Zusätzlich wird – allerdings (noch) nicht im Bundesrat – über eine Impfprämie nachgedacht. Schliesslich sinkt mit der Impfung die Gefahr einer Corona-Erkrankung, was wiederum die Krankenkassen entlastet – so die monetäre Logik. Verfolgt man diesen Pfad weiter, müsst jede und jeder, die oder der sich einer Vorsorgeuntersuchung unterzieht, finanziell belohnt werden. Und was ist mit jener Minderheit in unserer Gesellschaft, die Blut spendet? Sie bekommt heute nicht einmal ihre (Fahr-)Spesen vergütet.
Solidarität reduziert sich in unserem Land mehr und mehr auf das Portemonnaie. Hier gilt es Grenzen zu setzen – zwischen einer für den Kitt unserer Gemeinschaft nötigen Solidarität und einer nicht begründeten Zuschusspflicht für Freizeitaktivitäten zu unterscheiden. Ein grosses Fragezeichen ist deshalb hinter die Idee zu setzen, Impfverweigererinnen und -verweigerern für ihre Club- und Eventbesuche weiterhin gratis Covid-Tests zur Verfügung zu stellen. Der Bund zahlt so indirekt Subvention für Freizeitvergnügen, die nicht unbedingt der Gesundheit förderlich sind.
SP-Bundesrat Alain Berset besteht auf Gratistests. Letzte Woche sagte er gegenüber dieser Zeitung: «Der Zugang zu den Tests muss so einfach wie möglich sein»; deshalb übernehme man auch die Kosten: «Und das scheint mir ziemlich vernünftig.» Vernünftig? Wer in der Lage ist, sich ein teures Event-Ticket zu beschaffen und zu bezahlen, sollte eigentlich auch fähig sein, einen Termin für einen Test zu organisieren – respektive das meist vor Ort bestehende Angebot zu berappen.