SVP-Präsident Glarner schweigt zur Kritik aus den eigenen Reihen – was er von ihr hält, zeigen frühere Aussagen

Barbara Borer-Mathys (37, Holziken), Präsidentin der SVP Bezirk Kulm und Tochter des früheren Nationalrats und Kantonalpräsidenten Hansueli Mathys, fordert eine Revision der grössten Partei im Aargau. Mehr Anstand, weniger Nein-Sagen, mehr Kompromissbereitschaft, Respekt gegenüber Andersdenkenden: Das verlangt sie in einem Diskussionsbeitrag, der heute publiziert wurde.

Dass die Kritik auf Nationalrat Andreas Glarner abzielt, der im Januar zum neuen Kantonalpräsidenten der SVP Aargau gewählt wurde, ist aus Borers Zeilen unschwer herauszulesen. Glarner ist der Hardliner, der immer wieder provoziert, zuletzt mit dem Eklat um Grünen-Nationalrätin Sibel Arslan auf dem Bundesplatz.

Vor einer pointierten Aussage scheut sich Glarner grundsätzlich nie – doch diesmal schweigt der SVP-Aargau-Präsident. Als die AZ ihn am Donnerstagmorgen auf die Kritik aus den eigenen Reihen anspricht, kommt nach einem kurzen Telefongespräch per Mail die Nachricht: «Wir haben entschieden, dass wir dies seitens der Geschäftsleitung oder des Präsidiums nicht kommentieren.»

Barbara Borer-Mathys fordert, die SVP müsse sich auch mal kompromissbereit zeigen.

Barbara Borer-Mathys fordert, die SVP müsse sich auch mal kompromissbereit zeigen. Ueli Wild

Was er von Uneinigkeit innerhalb der Partei und Kritik aus den eigenen Reihen hält, machte Glarner aber Ende August an einer öffentlichen Sitzung des Kantonalvorstands in Lenzburg klar. «Wir müssen dem Erfolg alles unterordnen, wir dürfen keine Problemfälle und Streitigkeiten in der Partei haben», sagte Glarner damals in seinem Referat. «Die Bevölkerung wählt uns nicht, wenn wir intern zerstritten sind», mahnte er die Mitglieder des Gremiums, das bei der SVP mehr als 100 Mitglieder umfasst.

«Kritisieren Sie niemals öffentlich ein Plakat»

Glarner war in früheren Wahlkämpfen oft mit umstrittenen Plakaten aufgefallen, zum Beispiel mit islamkritischen Sujets wie «Maria statt Scharia». Er hatte im Herbst 2019 auch das Plakat der SVP zu den Nationalratswahlen verteidigt, auf dem andere Parteien als Würmer dargestellt waren. Der damalige Kantonalpräsident Thomas Burgherr hatte sich von jenem Sujet distanziert und gesagt,  er hätte das Motiv nicht gewählt.

An der Sitzung des Kantonalvorstandes im August dieses Jahres sagte Glarner zu den SVP-Mitgliedern: «Kritisieren Sie nie öffentlich ein Plakat, darauf warten die Medien nur. Es ist wichtig, dass wir alle zusammenhalten, dass wir am gleichen Strick in die gleiche Richtung ziehen.»

Weiter gebe es bei der SVP Aarau offenbar Mitglieder, die seine Wahl zum Präsidenten nicht verdaut hätten. «Diese Leute fordere ich auf, mich zu kontaktieren, und nicht über Dritte etwas über mich zu verbreiten – mit mir kann man reden», sagte Glarner vor dem Kantonalvorstand.

«Wir wollen keinen Schönheitspreis, sondern Wahlen gewinnen»

An der Sitzung äusserte sich der Hardliner auch zur Frage des Stils, den die SVP in der politischen Auseinandersetzung pflegt. «Ich höre oft Sätze wie: Ihr habt ja eigentlich schon recht, aber der Stil ist schlecht, ihr müsst das anständiger sagen», berichtete er. Glarner sieht aber keinen Anlass, künftig weniger pointiert aufzutreten. «Wir wollen keinen Schönheitspreis holen, sondern Wahlen gewinnen», rief er den Mitgliedern des Kantonalvorstandes zu.

In der Politik brauche es «Leute, die sich nicht scheuen, heisse Eisen anzufassen, die senkrecht stehen, wenn der Gegenwind bläst, und klar ist: Wer die Hitze nicht erträgt, soll nicht in der Küche stehen», sagte Glarner zum Anforderungsprofil für Kandidaten. Und er schob hinterher: «Wir brauchen keine Leute, die gewählt sein wollen, um beliebt zu sein, sondern um ihren Job zu machen.»

Es muss wieder salonfähig werden, SVP zu wählen»

Eine grosse Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer könne hinter dem Programm seiner Partei stehen, sagte Glarner. «Aber es muss auch wieder salonfähig werden, SVP zu wählen und sich zu uns zu bekennen.» In den Städten habe die Partei am meisten Probleme, die Wähler dazu zu bringen, hielt er fest.

Es gebe aber auch Bezirke, wo die SVP besser werden müsse. «Auf die komme ich noch zu», kündigte Glarner damals an. Kulm, wo Barbara Borer-Mathys die Bezirkspartei präsidiert, kann er damit nicht gemeint haben: Dort erzielte die SVP bei vor vier Jahren mit einem Wähleranteil von 42 Prozent kantonsweit das beste Resultat.