
Swiss Racing Academy: In den Beinen und im Kopf fit sein
«Radfahren ist mehr als einfach mal auf den Sattel zu steigen, Trainingskilometer abzustrampeln und dann irgendwo auf der Ausfahrt einen Kaffee zu trinken», sagt Pirmin Lang. Der Safenwiler sagt das als ehemaliger Profi und heute als Co-Gründer der Swiss Racing Academy. Mit jenem als Verein organisierten Unternehmen will der 34-Jährige den Radnachwuchs fördern, und zwar nicht irgendwie, sondern nachhaltig.
Bevor Pirmin Lang mit Thibault Hofer, den er von seiner Zeit bei IAM Cycling kennt, das Start-up lancierte, nahm er eine Auslegeordnung vor. «Ich wollte das weitergeben, was ich in den letzten Jahren gelernt habe, und ungehindert Einfluss nehmen können. Ein eigenes Team zu gründen, war die logische Folge», sagt Pirmin Lang. Der Name Swiss Racing Academy ist dabei Programm. «Unsere Fahrer sollen nicht nur ein Trikot anziehen und Rennen fahren, sondern in den Beinen und im Kopf fit sein für eine Profikarriere», betont Pirmin Lang. Er präzisiert: «Wir wollen Athleten so fördern und unterstützen, dass sie im Stande sind, selber zu denken und auch intuitiv zu entscheiden. Das braucht es in Rennsituationen: Du musst taktieren, denken, fahren und dann schnell handeln.» Vor einem Rennen beziehen die sportlichen Leiter und die Trainer die Athleten in die taktischen Überlegungen ein, «wir fragen, wie sie als Team das Rennen angehen würden, präsentieren unseren Vorschlag und suchen dann gemeinsam die beste Variante».
Der Begriff Academy spricht auch eine zweite Ebene an. «Die Zeit, während der du vom Profidasein zehren kannst, ist limitiert, es braucht einen Plan, was danach ist, ist ein Fundament für die Zukunft», weiss Pirmin Lang aus eigener Erfahrung. Er berät seine Fahrer deshalb auch punkto berufliche Laufbahn, zeigt Wege auf, Sport und Lehre oder Praktikum zu verbinden. Mit 17 oder 18 Jahren sei es nicht einfach, Ausbildung und Training zu kombinieren. «Wir versuchen, das Optimum herauszuholen, den Sport nicht zu vernachlässigen, den Trainingsaufwand aber zu minimieren, ohne allzu viel an Substanz zu verlieren», erklärt Pirmin Lang.
Das Team wächst
Weil das Kontingent an Fahrern seit der Gründung der Swiss Racing Academy Anfang 2018 zunahm, wurde auch der Staff erweitert. Der bisherige Trainer Rubens Bertogliati erhält Verstärkung von Marcello Albasini, der ebenso breite Erfahrung hat in der Radsport-Entwicklungsarbeit. Die Fahrer trainieren zudem in ihren Clubs oder mit eigenen Trainern und laden ihre Pläne und Tagebücher auf eine Plattform der Swiss Racing Academy hoch. «So haben wir den Überblick, wollen aber niemanden zu etwas zwingen. Wir appellieren an die Selbstverantwortung», betont Pirmin Lang. Er begleitet sein Team sporadisch wie die anderen sportlichen Leiter und Trainer an Rennen und zählt neu auf einen fixen Mechaniker.
Lernen würden bei der Swiss Racing Academy nicht nur die Fahrer, sondern auch er selber, sagt der ausgebildete Bankkaufmann Pirmin Lang. Zwar würde man die Athleten, die man aufnimmt, sorgfältig aussuchen. «Potenzial, persönliches Umfeld, Ausbildungswünsche, Ziele, die Persönlichkeit – wir achten darauf, dass möglichst viel mit unserer Philosophie zusammenpasst.» Trotzdem musste man sich bereits von einem Fahrer trennen, weil nicht alles stimmte. Es brauche eben auch die Bereitschaft zu einem intensiven Austausch zwischen Fahrer und Materialsponsoren, damit letztlich alle von der Swiss Racing Academy profitieren.
Eigene Erfahrung weitergeben
Aktuell investiert Pirmin Lang vor allem an Wochenenden viel Zeit in sein Start-up, das unter anderem von Sponsoren getragen wird und als Nonprofit-Unternehmen zu werten ist. Er hält sich daneben mit verschiedenen Aufträgen finanziell über Wasser. Langfristig hofft Pirmin Lang, hauptberuflich für seine Swiss Racing Academy (SRA) tätig sein zu können. Sein Ziel ist unter anderem, dass es wieder mehr Schweizer Radprofis gibt. Für 2019 haben sich die Inhaber der SRA vorgenommen, ihre Philosophie und das gesamte Firmengefüge noch mehr zu stabilisieren und die sportlichen Erfolge aus der ersten Saison zu bestätigen. Dass das Team 2019 wie rund 170 andere Equipen eine Lizenz in der dritthöchsten Continental-Klasse erhält, ist ein weiterer Schritt, den Pirmin Lang als «das Höchste der Gefühle» bezeichnet. Mit einer noch besseren Klassifizierung liebäugelt er nicht, sondern will weiter die Schiene Nachwuchsförderung und Heranführung an Profistatus fahren. «Ich weiss aus eigener Erfahrung, welcher Support mir fehlte, um vielleicht schneller an Eliteniveau heranzukommen, und den versuchen wir unseren Fahrern nun zu geben», sagt der gebürtige Pfaffnauer.
Selber wurde er erst mit 28 Jahren Profi und fuhr während vier Jahren bei IAM Cycling auch World-Tour-Rennen und zuletzt bei Roth-Akros bei internationalen Klassikern. Er weiss nach mehr als 20 Jahren im Radsport auch, was es nicht braucht auf dem Weg zum Profi. Ein Beispiel? «Messgeräte wie Wattkurbeln sollen wirklich als Messgeräte eingesetzt werden und nicht als Überwachungswerkzeuge.» Und ein Wohnmobil, wie es viele Teams nutzen, sei zum einen nützlich bei «Regenrennen», aber es dürfe nicht allzu viel Gemütlichkeit aufkommen vor dem Start: «Sonst fehlt die Anspannung, die es vor einem Rennen braucht.» Der dreifache Vater steigt heute nur noch selten selber aufs Velo: «Habe ich mal Freizeit, verbringe ich sie lieber mit meiner Familie.»
Pirmin Langs Karriere
Im Jahr 1996 lancierte Pirmin Lang seine Karriere als Radfahrer und durchlief danach alle Alterskategorien. 2003 schaffte er die Elitequalifikation. Von 2013 bis 2016 war er bei IAM Cycling als Profi unter Vertrag und fuhr seine letzte Saison 2017 bei Roth-Akros. Der gebürtige Pfaffnauer feierte zwischen 2010 und 2012 internationale Etappensiege bei der Boucle de la Mayenne (Fr) und dem An Post Ras (Irl), gewann den Klassiker Antwerpse Havenpijl (Be) und stand zweimal beim GP Luzern auf dem Podium. 2010 holte Lang Bronze an der Strassen-SM, 2011 SM-Silber im Radquer und 2016 im Profi-Strassenrennen. Er nahm sowohl an der Tour de Romandie als auch an der Vuelta (Sp) teil.