Thomas Hostettler fluchte, jammerte und weinte

«In Pfaffnau wohnt er, aber in Zofingen ist er überaus bekannt», sagte eine der zahlreichen Besucherinnen der Lesung in St. Urban. Die Rede ist von Thomas Hostettler, geboren 1946 in Zofingen. Nach der Matura in Aarau folgte die Ausbildung zum Schauspieler am Bühnenstudio in Zürich. Schon früh fing Hostettler auch zu Schreiben an und landete als Regisseur beim Schweizer Fernsehen; ab 1984 hielt er dort mit der Serie «Motel» viele TV-Zuschauer in Atem. Unterschiedliche Bücher hat das Multitalent ebenfalls publiziert. Überaus bewegend ist der Band «Liebige» mit den Briefen an seine ungeborenen Zwillingstöchter.

An der traditionellen Lyrikveranstaltung waren denn auch zahlreiche «Fans» von Hostettler anwesend. Leider blieben aber einige der überaus treuen Besucherinnen und Besucher wegen dem Virus fern. Für die Lesung hatte Organisator Ulrich Suter vom altehrwürdigen Abtsaal in einen ebenfalls überaus stilvollen Salon disloziert. Das Ambiente war dadurch viel intimer, waren sich alle einig.

Ein Stück Weltliteratur in Mundart geschaffen

Der Schweizer Dichter Paul Haller schrieb mit «s Juramareili und seine Geister» ein Stück Weltliteratur. Eine überaus tragische Geschichte, verfasst vom ehemaligen Pfarrer in Kilchberg, der sich 1920 das Leben nahm. Es heisst, dass der Vers-Epos zum Besten gehöre, was die Schweizer Literatur zu bieten habe. Weil dieser aber in Mundart verfasst sei, kenne diesen Text fast niemand. Hostettler las nicht, sondern er präsentierte als Schauspieler die überaus tragische Geschichte des Mädchens und seiner Familie. Einfühlsam berichtete er über den Vater, den man ins Gefängnis sperrte, die kranke und sterbende Mutter und die Kinder, die von einer «Bäsi» aufgezogen wurden. Aber auch vom Mareili, über seinen kurzen Aufenthalt in der Fremde und als es ernsthaft erkrankte, von der «Madame im Welschland» heimgeschickt wurde. Im Alter von siebzehn Jahren verstarb das Mädchen an Schwindsucht. Zwischen den Erzählungen sorgte Lorenz Mühlemann – als Meister der Zither – für besondere Effekte.

Hostettler schrieb Epos neu

Eindrücklich war aber vor allem, wie Thomas Hostettler fluchte, jammerte und weinte. Er selber hatte Hallers Epos neu geschrieben, im authentischen Aargauer Dialekt. Seine Präsentation berührte tief. Zum Beginn der Darbietung schien noch an manchen Stellen die tief stehende Sonne einigen dern Besucher ins Gesicht. Mit der Zeit wurde es fast dunkel und bevor der Schauspieler sagte: «Zündet die Lampe im Raum an», gab es Gelegenheit, sich die Tränen aus aus den Augen zu wischen.