
Übersetzen ist seine grosse Leidenschaft
Eine grosse Liebe zu Sprachen spürte man bereits zum Beginn der Lyrik-Lesung im altehrwürdigen Abtsaal bei Kurt Steinmann. Er unterrichtete bis 2003 Latein und Griechisch an der Kantonsschule Reussbühl. «Es ist sehr schade, dass die beiden alten Sprachen an vielen Schulen nicht mehr unterrichtet werden», sagte der ehemalige Lehrer. Faszinierend ist seine Übersetzertätigkeit: Seit 1978 sind rund 30 Werke in diesen Sprachen von ihm erschienen.
Ein Epos von Homer
Für die Lesung las Steinmann Passagen aus seiner Übersetzung der Ilias. Ein anspruchsvolles Programm war dies sicher. Aber wie sagt man so schön: «Jeder kennt die Ilias als Geschichte des Trojanischen Krieges.» Bei vielen der Besucher waren diese Texte zudem Pflichtlektüre in der Schule.
Das Epos von Homer, mit 24 Gesängen und etwa 15 500 Hexameterversen, gilt als frühestes Zeugnis der abendländischen Dichtung. «Wahrscheinlich ist es um 730 vor Christus geschrieben worden», erwähnte Steinmann. In der Ilias wird der zehnjährige Krieg zwischen den griechischen Belagerern und den trojanischen Verteidigern beschrieben.
Eindrücklich und menschlich
In drei verschiedenen Teilen las Steinmann in der Folge aus seinen Übersetzungen. Er berichtete, was exemplarisch für die Zeit war, und wies auch darauf hin, dass er sein neustes Buch nicht habe mitbringen können. «Es ist so schwer, dass man sich einen Bruch beim Schleppen holen könnte», sagte er mit einem Augenzwinkern. Die Ilias wurde nicht nur übersetzt und viel gelesen, auch die Verfilmung fand im Jahr 2004 grossen Anklang. Verschiedene Hauptdarsteller, wie zum Beispiel Brad Pitt, halfen dabei.
In den drei Teilen seiner Lesung ging Steinmann auf verschiedene Themenkreise ein, an vorderster Front das Kriegsgeschehen, dann die Stellung der Frauen und überaus bewegend, Hektor in voller Kriegsrüstung. Er verabschiedet sich von seiner Gattin Andromache und seinem kleinen Sohn. Wohl ahnend – oder sogar wissend – dass er nicht mehr heimkehrt.
Eine überaus berühmte Szene, weil der kleine Sohn seinen Vater nicht erkennt und erst, als er den Helm abnimmt, kommt es zu einer berührenden Begegnung zwischen Vater und Sohn. «Eine sehr bekannte Szene, sowohl zum Lesen wie auch zum Übersetzen», erwähnte Steinmann.
Diener des Werks
Faszinierend für die Besucherinnen und Besucher waren auch die Erläuterungen zur Aufgabe des Übersetzens. «Ein guter Übersetzer nimmt sich selber zurück», sagte er. Er sei ein Diener des Werkes und nicht der Autor. Es brauche aber auch Kunstfertigkeit, Liebe und Glück für die Arbeit.
Zum Schluss forderte Steinmann die Besucher auf, Wörter in Mundart zu nennen und Vorschläge für die Übersetzung zu machen: «Chäre» oder «Chifle» waren Beispiele und es zeigte sich, dass sich nicht alle Worte einfach übersetzen liessen. Für seine Übertragungen erhält Steinmann am 25. Mai den Johann-Heinrich-Voss-Übersetzerpreis der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung.
Zuletzt erschienen von Kurt Steinmann sind «Die Orestie», «Die Apokalypse», «die Perser», «Ilias», Daphnis und Chloe». Zu erfahren war im Nachhinein, dass bislang immer die Übersetzung in ein Deutsch der Gegenwart fehlte. Die soeben als prachtvoll illustrierter Band erschienene Übertragung fülle genau diese Lücke aus.