Varol Tasar: Die kleine Rakete des FC Aarau

Mai 2016: Varol Tasar schiesst den Zweitligisten FC Klingnau in der Nachspielzeit des Aargauer Cupfinals gegen die Eagles Aarau zum 2:1-Sieg. Kurze Zeit später wechselt der 20-jährige Deutsche zum FC Aarau, kommt fürs Erste aber nur im Team Aargau U21 zu Einsätzen.

August 2018: Tasar spielt längst in der ersten Mannschaft des FC Aarau und hat sich zum Stammspieler gemausert. Nach der Vertragsverlängerung bis 2020 vor gut einem halben Jahr ist der Flügelstürmer einer der auffälligsten Spieler im FCA-Dress. Tasar ist schnell, trickreich und hat Zug aufs Tor. Noch unterlaufen ihm allerdings viele Ballverluste ohne Not. Manchmal ist er in seinen Aktionen zu hektisch. Manchmal ist er unkonzentriert. Und im Abschluss fehlt es an der nötigen Kaltblütigkeit und Effizienz. Das ist für einen jungen, unerfahrenen Mann aber nichts Aussergewöhnliches. Eines ist klar: Tasar ist ein Versprechen für die Zukunft.

Vor zweieinhalb Jahren war Tasar noch Amateur. Dann ging es für ihn rasant aufwärts: Heute ist er Profi und wird beim FC Aarau je länger, je mehr zu einem sicheren Wert. Mehr noch. Das 1,74 Meter grosse und 65 Kilogramm schwere Leichtgewicht fällt mit seiner quirligen und unberechenbaren Art auf. Sein Stil ist eigenwillig, hin und wieder sogar eigensinnig, hat aber durchaus einen gewissen Unterhaltungswert. Antrittsschnelle und technisch starke Spieler wie er locken die Zuschauer in die Stadien und werden schnell zu Publikumslieblingen.

Wie das bei überdurchschnittlichen Challenge-League-Spielern üblich ist, geraten sie früher oder später in den Fokus von Scouts der Schweizer Grossklubs. Tasar ist ein solcher Spieler. Kein Wunder also, dass Lugano auf Tasar aufmerksam wurde. Die Tessiner zeigten zumindest Interesse. «Es gab im August tatsächlich Kontakte mit dem FC Lugano», bestätigt FCA-Sportchef Sandro Burki auf Anfrage der «Schweiz am Wochenende». «Ich habe mit Lugano-Sportchef Giovanni Manna über Tasar gesprochen. Wir verhandelten über die Höhe der Ablösesumme. Vonseiten Luganos gab es eine Offerte. Im Endeffekt haben wir uns aber nicht gefunden. Es gab also keine Einigung. Damit ist ein Transfer von Tasar zum jetzigen Zeitpunkt vom Tisch.»

Tasar selbst bestätigt das Interesse von Lugano an seiner Person. «Ich persönlich habe zwar nie Kontakte mit den Tessinern gehabt», sagt er. «Aber mein Berater Roland Haselbach hat mit Vertretern von Lugano ein erstes Mal im Mai und ein zweites Mal im August gesprochen. Natürlich würde ich gerne in der Super League spielen. Ich habe mich über das Interesse von Lugano sehr gefreut und war natürlich gespannt, ob es klappen wird oder nicht. Es war keine einfache Zeit für mich. Jetzt ist das Thema erst einmal erledigt. Ich habe den Kopf glücklicherweise wieder frei, kann mich auf den Fussball konzentrieren und werde mich in Zukunft voll und ganz für den FC Aarau einsetzen.»

In den vergangenen beiden Partien in Lausanne (1:1) und gegen Schaffhausen (3:1) liess Tasar seine Klasse aufblitzen. Gegen Lausanne war er vom Anpfiff an hellwach und verwertete in der zweiten Minute gleich seine erste Chance zum Führungstreffer. Und wie er gegen Schaffhausen Mitte der zweiten Halbzeit mit einem Freistoss aus gut 20 Metern das 2:1 für die Aarauer erzielte, war Extraklasse.

Selbstvertrauen aufgebessert

Das grosse Kapital von Tasar ist der linke Fuss. Positiv zu werten ist seine erfrischende, unbekümmerte, ja freche Art. Dass Tasar in den vergangenen Wochen und Monaten keine einfache Zeit hatte, hängt einerseits mit dem Flirt mit dem FC Lugano, andererseits aber auch mit dem sportlichen Absturz des FC Aarau zu Saisonbeginn zusammen. Die sechs Niederlagen in Folge nagten an seinem Selbstvertrauen. Nicht nur er, nein, alle jungen FCA-Spieler wie Martin Liechti, Edmond Ramadani, Mats Hammerich, Raoul Giger, Gezim Pepsi und vor allem Mickael Almeida kämpften mehr mit sich selbst als mit Bällen und Gegnern.

«Die guten Leistungen in Lausanne und gegen Schaffhausen mit dem Gewinn von vier Punkten waren für die Trainer, die Mannschaft und für die Fans extrem wichtig», sagt Tasar. «Jetzt wissen wir, dass Erfolgserlebnisse möglich sind und gehen deshalb wieder selbstbewusster in die Spiele. Ich hoffe, dass wir am Sonntag in Vaduz den Aufwärtstrend bestätigen können.»

Auf die Fortsetzung der Laufbahn von Varol Tasar darf man gespannt sein. Noch spielt der gebürtige Waldshuter «nur» für den FC Aarau und wohnt zusammen mit Teamkollege Linus Obexer in einer einfachen 3½-Zimmer-Wohnung in Rohr. Etwas Abwechslung in Tasars Leben bringt Freundin Maria. Aber der grosse Traum ist der Durchbruch als Profi, sprich die grosse Karriere. Schliesslich möchte er seinem grossen Vorbild Cristiano Ronaldo nacheifern. «Seit Ronaldo bei Juventus Turin spielt, bin ich ein grosser Fan der Juve» sagt er. Dann holt Tasar tief Luft und fügt mit einem schelmischen Lächeln hinzu: «Aber sollte ich tatsächlich einmal einen grossen Transfer machen, muss es ja nicht unbedingt Juventus Turin sein. Es wäre schon fantastisch, wenn es ein Klub in der Super League wäre.»