
Verkehrte Welt: Grüne Wiesen statt regionale Winterparadiese
Für eine ideale Skipiste müssen laut Bottenwils Skiclubpräsident Ruedi Zingg zirka 30 Zentimeter Neuschnee fallen. Damit könnten die Freiwilligen mit dem vereinseigenen Schneemobil innerhalb eines halben Tags eine Piste von maximal zehn Zentimetern Dicke schaffen, was für den Betrieb bereits reichen würde. So, wie der Skilift zurzeit steht, braucht es neben dem Planieren nur noch das Befestigen der Bügel und die Bereitstellung der Wirtschaft in der Hütte. Doch die kurzfristigen Wetterprognosen stimmen Zingg nicht optimistisch: «Vielleicht reicht der Schneefall für das Auge, zum Skifahren wird es nicht genügen, aber wir lassen uns gerne überraschen.» Es wäre nicht das erste Mal, dass sich der Winter erst spät von seiner guten Seite zeigt. Im Jahr 2008 kam es am 25. und in der Nacht auf den 26. März zu heftigen Schneefällen. Zum und vom Musikabend der Musikgesellschaft, der am Abend des 25. im Dorfkern von Bottenwil stattfand, kam man nur mit grosser Mühe. Das Gute: Auf dem «Piz Graben» lagen 60 bis 70 Zentimeter Neuschnee. «Wir hatten einen lustigen Nachmittag», erinnert sich Zingg zurück.
Lustig haben es die Vorstandsmitglieder des Skiclubs auch ohne Schnee. «Neun Monate im Jahr haben wir praktisch nichts miteinander zu tun und wenn es dann funktionieren muss, funktioniert es auch», so der 54-Jährige. Spontanität zeichnet nicht nur den Vorstand, sondern alle Helfer des Skiclubs aus. «Wenn Not am Mann ist, dann erhalten wir von überall her Hilfe. Das ist einfach genial.» Vier Ehrenamtliche brauche es, um den dritthöchsten von sieben Skiliften des Kantons (600 bis 630 m ü. M.) zu betreiben: Jemand hilft beim Anbügeln, jemand bewacht den Notknopf, jemand betreibt die Beiz und der Letzte verkauft die Tageskarten.
Breit abgestützte finanzielle Unterstützung für den Verein
Die Skipiste in Bottenwil hat eine lange Tradition. 1986 wurde eine Genossenschaft gegründet, um der Familie Wüthrich den zum Verkauf stehenden Skilift abzukaufen (siehe Box). Man konnte Anteilscheine im Wert von 100 Franken kaufen. Im Jahr 1996 wurde schliesslich der Verein gegründet, der finanziell nach wie vor gut aufgestellt ist. Obwohl man die Anteilscheine heute wieder zurückfordern könnte, mache das niemand. «Vor allem Eltern mit kleinen Kindern schätzen den Skilift sehr», so Zingg. Er ist sich sicher: «Wenn wir plötzlich doch Geld bräuchten, wäre es schnell da.» Ausserdem beteilige sich auch die Gemeinde Bottenwil mit einem Betrag, der ungefähr die Fixkosten decke. Mit einem einmaligen Mitgliederbeitrag von 100 Franken ist es möglich, dem Skiclub beizutreten.
Dementsprechend ginge einer allfälligen Schliessung des Skilifts kein finanzielles Problem voraus, sondern viel eher ein Personelles. «Wenn wir schliessen müssten, dann nur, weil wir keine Freiwilligen mehr finden könnten», so Ruedi Zingg. Doch an Ehrenamtlichen mangle es dem Skiclub zurzeit überhaupt nicht. So engagieren sich unter anderem die beiden Brüder der Garage Friedli AG, die jeweils das Feld planieren. «Man kriegt sie zeitweise gar nicht mehr vom Schneetöff runter», erzählt Zingg mit einem Lachen. Bei Schäden oder sonstigen Problemen schalten sich automatisch die regionalen Handwerker ein und reparieren diese zum Minimalpreis – ein echtes Dorfprojekt also.
Auch die Mitglieder des Langlaufvereins (LLV) Kalthof-Wiliberg hatten in dieser Saison wegen des mangelnden Schnees noch kaum Arbeit, abgesehen vom Ausstecken der Routen, das sie schon Anfang Winter erledigt haben. «Wir wären also parat», sagt Bernhard Aeschbach. «In zweieinhalb Stunden wären die Loipen präpariert und die Langläufer könnten kommen.»
Auf dem Kalt gab es vor Jahren schon Saisons ohne Schnee
Aeschbach ist zusammen mit Präsident Beat Buchwalder für den operativen Betrieb der sieben Kilometer langen Skating- und klassisch Loipe zuständig. Seit dem zweiten Vereinsjahr ist der 70-Jährige dabei, amtete lange im Vorstand und als Präsident. Vor zehn Jahren gab er dieses Amt ab, ist aber immer noch voll engagiert im Verein. In seiner langen Zeit beim LLV Kalthof-Wiliberg hat Aeschbach durchaus schon Saisons ganz ohne Schnee erlebt. «Wir hatten mal drei Jahre hintereinander, in denen wir nie Betrieb hatten», sagt Aeschbach. «Es ist aber schon so, dass in meiner Jugend die Winter viel intensiver und schneereicher waren.»
In der jüngsten Vergangenheit war es die Saison 2013/2014, in der wegen zu wenig Schnee kein Loipenbetrieb erfolgen konnte. Im nachfolgenden Winter wurde mit 37 Betriebstagen aber ein sehr hoher Wert erreicht. Sogar ein Langlaufrennen konnte am 15. Februar 2015 durchgeführt werden, am 3. Februar lagen 35 Zentimeter Schnee.
Letzte Saison war die Loipe an 23 Tagen geöffnet, was ebenfalls ein guter Wert ist. Saisonanfang war am 11. Januar 2019, definitiv Schluss war am 9. Februar. «Gegen Ende der Saison wollten die Leute nicht mehr recht kommen, obwohl die Verhältnisse noch gut gewesen wären», sagt Aeschbach.
Um eine Loipe präparieren zu können, wären laut Aeschbach rund 18 Zentimeter Schnee nötig. «Gut wäre es, wenn es dazu auch kalt wäre, damit der Schnee nicht sofort wieder schmilzt. Und dann sollte es weiter schneien», so Aeschbach. Er hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass die Loipe diesen Winter noch in Betrieb sein wird. Umso mehr freuen würde es Aeschbach, weil die Loipe auf diese Saison hin wegen einer Baustelle eine Änderung erfahren hat. Neu gibt es eine kleine Abfahrt auf der Strecke. «Es wäre toll, wenn wir diesen neuen Streckenabschnitt noch ausprobieren könnten», sagt Aeschbach.
Neben den Vereinsmitgliedern werden auch die Fahrzeuge und Maschinen des LLV nicht gebraucht. Der Schneetöff, der 2013 als Occasion angeschafft wurde, sowie die Spurgeräte, stehen unverrichteter Dinge im Schuppen. Damit es zu keinen Standschäden kommt und die Maschinen für den Ernsteinsatz parat sind, werden ihre Motoren regelmässig von den zwei Zuständigen gestartet.
Wenn die Loipe nicht offen ist, hat das zudem finanzielle Einbussen für den Verein zur Folge. «Wir werden vom Swisslos-Fonds Aargau unterstützt, aber nur, wenn wir Betriebstage vorweisen können», sagt Aeschbach. Keine Betriebstage bedeuten also auch kein Geld. Darüber hinaus finanziert sich der Verein mit dem Verkauf von Saisonklebern à 20 Franken und dem Vereinsbeitrag von 30 Franken pro Mitglied. Zudem darf der Verein den Schweizer Langlaufpass im Wert von 140 Franken verkaufen und erhält davon einen Teil. Seit 2015 gehört der LLV Kalthof-Wiliberg dem nationalen Verband Loipen Schweiz an. «Dadurch profitieren wir von einem gesteigerten Bekanntheitsgrad», sagt Aeschbach.
Den Betrieb irgendwann einzustellen, steht laut Aeschbach nicht zur Diskussion. Im Gegenteil: der Verein will in ein neues Spurgerät investieren. An der Vereinsversammlung im November soll der Antrag präsentiert werden. Auch aus diesem Grund hofft Aeschbach, dass Frau Holle doch noch ihre Laken schütteln und für eine weisse Pracht auf dem Kalt sorgen wird.

Skiclub Bottenwil
Die Familie Wüthrich (Bottenstein) war Besitzer des Skilifts, der ab 1976 im Graben stationiert wurde. Zehn Jahre später übernahm die frisch gegründete Skilift-Genossenschaft das Zepter und kaufte der Familie den Lift ab. Zwei Jahre später wurden das Skilifthäuschen aufgerichtet und das erste Skirennen ausgetragen. Am 8. Mai 1996 wurde der Skiclub Bottenwil gegründet. Der Skilift ist 230 Meter lang und befördert rund 600 Personen pro Stunde. Der höchste Punkt des Skigebiets liegt auf 630 m ü. M. Der Verein hat aktuell rund 80 Mitglieder. Ein Höhepunkt in der Vereinsgeschichte des Skiclubs Bottenwil war das 6. Skirennen im Jahr 2005, an dem 130 Teilnehmer starteten und ein riesiges Volksfest im Graben Bottenwil stattfand. (ran)
LLV Kalthof Wiliberg
Der Verein Kalthof-Loipe wurde 1983 von 30 Langlauf-Enthusiasten gegründete und zählt heute über 100 Mitglieder. Seit 2013 heisst der Club Langlaufverein Kalthof-Wiliberg. Der Verein hat sich zum Ziel gesetzt, den Langläufern der Region eine professionell präparierte Loipe auf dem Wiliberg zur Verfügung zu stellen. Der höchste Punkt der Loipe liegt auf 685 m ü. M. Der Einstieg in die rund sieben Kilometer lange Loipe erfolgt beim ehemaligen Restaurant Kalthof ob Staffelbach, wo es auch genügend Parkplätze und Toiletten hat. (ran)


