Verliebt in die fussballverrückte zweite Heimat an der «reichen Küste»

Ungleicher könnte die Ausgangslage vor dem dritten und letzten WM-Vorrundenspiel für die Schweiz und Costa Rica nicht sein. Während die Zentralamerikaner nach zwei Niederlagen in Gruppe E bereits ausgeschieden sind, reicht den Schweizern im heutigen Direktvergleich (20 Uhr) in Nischni Nowgorod im Idealfall sogar eine Niederlage für den Einzug in die Achtelfinals.

Trotzdem kann Dominique Baumann dieser Situation viel Positives abgewinnen. «Weil es für Costa Rica um nichts mehr geht, kann ich das Spiel viel entspannter anschauen», sagt die 26-jährige gebürtige Rothristerin, die mittlerweile in Aarburg lebt. «Ansonsten hätte ich mich wahrscheinlich in mein Zimmer verkrochen und das Resultat abgewartet», vermutet sie und lacht.

«Wunderschöne Natur»
Das Schicksal der «Ticos» liegt Baumann nicht grundlos am Herzen. Nachdem sie ihren ausgewanderten Onkel mit der Familie zweimal in den Ferien besucht hatte, absolvierte die Projektmanagerin 2011 einen dreimonatigen Sprachaufenthalt in Costa Rica – und verliebte sich endgültig in das Land. Seither verbrachte Dominique Baumann beinahe jedes Jahr einen Teil ihrer Ferien in Lateinamerika. «Die Natur ist wunderschön und enorm grün. Es gibt viele Nationalparks, zu denen die Leute Sorge tragen», erzählt Baumann über den Staat an der «reichen Küste», der seinen Strombedarf seit Anfang 2016 komplett aus erneuerbaren Energien bezieht. 

Getreu ihrer Lebensphilosophie «Pura Vida» begegnen einem die Einwohner freundlich und zuvorkommend. «Es herrscht kein Stress. Wenn der Bus zu spät kommt, stört das niemanden», sagt Baumann. Die besondere Kultur hat auch in ihrem Alltag Einzug gehalten. Mit Freundinnen aus dem Sprachaufenthalt besuchte Baumann lateinamerikanische Tanzkurse oder kocht Costa-ricanische Menüs.

Kirche und Fussballplatz
Vor zehn Tagen stand zudem der Besuch mit einer Gruppe befreundeter «Ticos» in einer Zürcher Bar auf dem Programm. Mit ihnen verfolgte Dominique Baumann das erste WM-Spiel Costa Ricas gegen Serbien. Die Enttäuschung nach der 0:1-Niederlage war mindestens so gross wie letzten Freitag beim späten 0:2 gegen Brasilien. «Man hat sich einiges erhofft nach der WM vor vier Jahren, als Costa Rica mit der Viertelfinalqualifikation überraschte», sagt Baumann. Damals erlebte sie den Stolz hautnah mit. «Ich habe gesehen, wie Leute die Strassen blockieren und feierten. Die Freude war gross.»

Wie wichtig der Fussball generell für die Einwohner Costa Ricas ist, verdeutlicht eine Episode von ihrem ersten Besuch. «Bei einem Ausflug erzählte mir ein Guide, dass jedes Dorf zwei Bauten besitzt – eine Kirche und einen Fussballplatz. Das sagt viel über den Stellenwert aus», erzählt sie. Vor allem die jüngere Generation treffe sich immer abends zu einem Spiel in gemütlicher Atmosphäre.

Auswandern (noch) kein Thema
Die Schweiz hinter sich lassen, wie es ihr Onkel tat, kommt für Dominique Baumann vorerst nicht in Frage. «Costa Rica wird wegen der politischen Stabilität und den eher reichen Verhältnissen auch als die Schweiz von Lateinamerika bezeichnet. Und in den Bergen sieht es teilweise gleich aus wie hier», sagt Baumann zwar.

Sie schätze jedoch an der Schweiz viele Sachen, beispielsweise das Snowboarden im Winter. Endgültig sei ihr Entscheid aber nicht. «Man weiss schliesslich nie, was passiert.»

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