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Vielleicht hätten sich die Eidgenossen gegen die Habsburger impfen lassen?

Vielleicht hätten sich die Eidgenossen gegen die Habsburger impfen lassen?

Als Rumpfteam trat die Schützengesellschaft Nennigkofen-Lüsslingen-heuer erstmals zum historischen Rütlischiessen an. Das Erlebnis war grösser als der sportliche Erfolg. 

Michel Schöpfer, 32 Jahre alt, Lichtplaner aus Lüsslingen. Hans Leutenberger, 72, pensionierter Elektroingenieur aus Nennigkofen, Patrick Affolter, 32, Elektroingenieur aus Lüssingen, Peter Flury, 30, Garagier aus Utzenstorf und Reto Gurtner, 30, Gebäudetechnikingenieur FH aus Solothurn – dieses Quintett vertrat die SG Nennigkofen Lüsslingen-beim Debüt der so 2002f usionierten Gesellschaft am ultrahistorischen Rütlischiessen. Rund 1000 Aktive waren insgesamt gekommen.  «Es war eine spontane Idee von Michel, eigentlich wollte ich gar nicht mitkommen. Ich hatte nur Ärger den Tag freizubekommen», lacht Kollege Gurtner. Er ist der stellvertretende Geschäftsführer der Gurtner AG (Solothurn).  Mit seine 75 von 90 möglichen Punkten erzielt der Heizung- und Sanitärfachmann ein gutes Resultat und landete schliesslich in der Einzelkonkurrenz auf Rang 193. Rang unter knapp 1000 Schützen.

Selbstverständlich war es für alle Nennigkofen-Lüsslingen effektiv ein Erlebnis, dabei zu sein. Als Nicht-Stammsektion ist es nämlich nicht selbstverständlich, auf dem Rütli mitmachen zu dürfen. «Früher musste man mehrere Jahre warten», weiss Routinier Leuenberger. Der Pensionär und 1. Schützenmeister des Vereins war anno 2000 schon mit dem Bezirksschützenverein Bucheggberg und 1985 mit dem Swiss Rifle Club Johannesburg am Start. In den 70er-Jahren hat der Solothurner fünf Jahre in Südafrika gelebt und als Experte für Sicherheitsanlagen gearbeitet. Unter Corona ist es gegenwärtig  etwas einfacher, als Gastsektion aufs Rütli eingeladen zu werden und auf die 250 Meter entfernten Scheiben zu schiessen.

Die Rütli-Impf-Transzendenz

Freilich trat Nennigkofen Lüsslingen ohne Fahne und nur mit fünf statt acht Mann an. Das Ding mit der Covid-Zertifikats-Pflicht ist auch bei den Bucheggberger nicht aller Schützenkameradens Ding. Just an diesem geschichtsträchtigen Ort erhält die Diskussion um die Pandemie Restriktionen eine fast schon einen nationalkulturhistorische Transzendenz. Es stellt sich für den Eidgenossen und Nachfahre der Schwurbrüder Fürst, Stauffacher und Melchtal die Frage: Lässt man sich als Freier Schweizer von nichts und niemanden zu etwas zwingen – erinnert sei an Gesslers Hut. Oder  steht man zusammen, verbündet und impft sich in dem Fall, um dem Feind  – hier Corona – in die Flucht zu schlagen. Wer weiss, vielleicht hätten sich Tell und seine Kollegen vor gut 800 Jahren gegen die Habsburger impfen lassen statt sich mit ihnen zu prügeln. Wenn sie denn die Wahl gehabt hätten. Leider kann man Corona nicht weder mit Sturmgewehr noch Armbrust besiegen. 

Die Nummer 1 von hinten

«Gerade hier ist Schiessen noch in seiner urtümlichen Art», sagt Peter Flury. Sprich: Es wird kniend hangaufwärts geschossen auf einer schrägen Feuerlinie. «Wir sind Standschützen und schiessen liegend. Hier braucht es wesentlich mehr Kraft und Kondition. Ausserdem ist es natürlich anspruchsvoller, das Gewehr ruhig zu halten», hält der Garagier aus Utzenstorf fest. Sportlich lief es dem Solothurner Quintett sosolala. Am Ende waren es 254 Punkte und Rang 1, wenn man die Rangliste auf den Kopf stellt. Kunststück, wenn drei Kumpanen dem Zertifikat ausfallen, weil sie dem Zertifikat ausweichen.

Aus Kantonaler Sicht sorgten die Stadtschützen Olten mit Rang 17 für das Topresultat.   Die Sieger ihrerseits kamen aus Obernau bei Kriens mit 607 Treffern. Bechergewinnner bei den Siegern übrigens wurde – weil er der Beste des Oktetts war, der noch nie einen Becher gewann – Fabio Sciuto. Notabene ebenfalls ein Meister seines Fachs – im wahrsten Sinn des Wortes. 2016 gewann der Oberbuchsiter mit sizilianischen Wurzeln ganz am Ende seiner internationalen Karriere erstmals den Schweizermeister-Titel mit dem Luftgewehr. Und? Hilft es, wenn man als ex Kaderschütze auf dem Rütli im Freien auf unebenem Boden kniend aufwärts in die Felsen schiesst? „Die ganze Wettkampferfahrung hilft sicher. Aber mit Kniendschiessen an internationalen Meisterschaften hat das wenig zu tun.“

Allein, Rütlischiessen ist viel mehr als nur ein Schiessen. Das ist ein Stück gelebte Heimat Geschichte. michael schenk