«Vierthäufigste Todesursache»

 

Fensterstürze von Kindern beschäftigen Beratungsstellen und Ärzte regelmässig.

Das 16 Monate alte Mädchen, das am Montag in Aarburg Nord aus einem Fenster im zweiten Stock eines Wohnblocks fiel (ZT/LN von gestern), hatte Glück im Unglück. «Stürze sind bei Kindern und Jugendlichen die vierthäufigste unfallbedingte Todesursache», weiss Marc Bächler, Leiter Medienstelle der Beratungsstelle für Unfallverhütung (bfu).

Allein zwischen 2009 und 2013 seien neun Kinder bei einem Sturz tödlich verunfallt – vier davon stürzten dabei durch ein Fenster aus einem Gebäude. Insgesamt sechs dieser neun Todesfälle waren Stürze aus der Höhe. Unter dem Strich bedeutet das, dass alle zwei Jahre ein Kind durch den Sturz aus einem Fenster stirbt. Derartige Stürze aus Fenstern seien denn auch tatsächlich das grösste Problem bei Heimunfällen. «Dazu kommen die nicht–tödlichen Unfälle mit schweren Verletzungen, wobei eine detaillierte Auswertung mit den aktuellen Datengrundlagen kaum möglich ist», sagt Bächler.

1200 Kinderunfälle im Haushalt
Das gestürzte eritreische Mädchen wurde vom Heli-Rettungsdienst Alpine Air Ambulance (AAA) ins Kinderspital Zürich geflogen. Das Kinderspital verzeichnet jährlich etwa ein halbes Dutzend derartiger Fälle. Häufiger sind Stürze von Möbelstücken wie Wickeltischen oder Sofas und andere Unfälle wie Verbrennungen am Kochherd, so Mediensprecherin Manuela Frey. Auch Vergiftungen gehören zu den häufigsten Unfällen, wie es aus dem Kantonsspital Aarau heisst. Ein bis zwei Kinder unter vier Jahren, die aus einem Fenster gestürzt sind, behandeln Kinderklinik-Chefarzt Henrik Köhler und sein Team pro Jahr.

Die zuverlässigsten Zahlen indes führt das Inselspital in Bern. Es verzeichnet jährlich gegen 1200 Fälle von Kindern, die im Haushalt verunfallt sind. Die Hälfte der Notfallkonsultationen betrifft gemäss Auskunft der Medienstelle Kleinkinder unter vier Jahren. Stürze aus Fenstern oder von Balkonen kommen vor, seien aber eher selten im Vergleich zu Stürzen beispielsweise vom Wickeltisch. Mehrmals wöchentlich fliegen Rettungshubschrauber Kinder in den Notfall der «Insel». Zu den häufigsten Verletzungen gehören laut Daniel Garcia, Chefarzt Notfallzentrum für Kinder und Jugendliche, Rissquetschwunden, Hirnerschütterungen, Schädelbrüche sowie Verletzungen an Armen, Beinen und Zehen von Quetschungen bis zu Brüchen.

Verletztes Kind weiterhin im Spital
Dass das Mädchen überlebt hat, ist auch den Notärzten zu verdanken. Die Heli-Ärzte der AAA verfügen gemäss Mediensprecherin Petra Seeburger alle über Erfahrung in der Kindernotfallmedizin. Knapp 110 verletzte Kinder und Jugendliche transportiert der Heli «Lions 1» der AAA pro Jahr. Noch mehr ist es erwartungsgemäss bei der «grossen» Konkurrentin Rega: Diese flog im letzten Jahr rund 500 Einsätze allein für Kinder bis drei Jahre. Für Säuglinge kommt hier sogar ein spezieller Transportinkubinator zum Einsatz.

Aufgrund von Arztgeheimnis und Persönlichkeitsschutz waren gestern zum Zustand des Kleinkindes aus Aarburg keine offiziellen Neuigkeiten zu erfahren. Wie diese Zeitung aber weiss, ist es auf dem Weg der Besserung und ausser Lebensgefahr. Es wird weiterhin ärztlich betreut und muss wegen inneren Verletzungen sowie Wunden an Auge und Bauch beobachtet werden. Offenbar fiel es aus dem zweiten Stock in ein Rosenbeet, was den Sturz leicht abfederte. Nur Zentimeter daneben wäre es auf Asphalt geprallt.