War ich überhaupt wirklich in den Ferien?

Stellen Sie sich folgendes Szenario vor: Sie verbringen wunderschöne und erholsame zwei Wochen in Kroatien am Meer. Sie geniessen das Wetter, die Landschaft, das Essen und die Leute. Als weitsichtiger Mensch halten Sie sich meistens im Schatten auf und schützen Ihre Haut mit Sonnenschutzfaktor 50. Sie wachen jeden Tag mit einem Lächeln auf und am Abreisetag verdrücken Sie eine Träne aus Wehmut. Aus Ihrer Sicht war die Ferienzeit perfekt. 

Was Ihnen zurück in der Schweiz bleibt, sind viele schöne Erinnerungen – und seltsame Aussagen aus dem Umfeld. So habe ich es zum wiederholten Male diesen Sommer erlebt. «Du bist ja gar nicht braun» ist eine dieser Aussagen, die mich arg ins Grübeln bringen. Korreliert denn der Teint meiner Haut direkt mit dem Erholungs- oder Spassfaktor meiner Ferien? Hat jemand, der sich mit Öl beschmiert und nach dem Mittagessen bis um 18 Uhr an der prallen Sonne liegt, mehr Verständnis für Feriengenuss als ich? Natürlich bescherte mir der Teller Pasta mit Trüffeln im Bauernhofrestaurant, wo ich eine grossartige Aussicht und ein feines Glas Weisswein genoss, höchstens ein paar zusätzliche Kalorien – und keine braune Haut. Aber ganz ehrlich: Wen interessierts? 

Damit wäre ich gleich beim nächsten Thema: Social Media. Einige können es sich kaum vorstellen, aber ich habe während zwei Wochen kein Foto auf Facebook, Instagram oder sonst einem anderen Social-Media-Kanal gepostet. Nicht, dass ich keine Gelegenheiten gehabt hätte. Die Aussicht vom Bergspitz Vojak auf 1400 Metern über Meer war atemberaubend. Die rot-orangen Farben jedes Sonnenuntergangs würden so manche weisse Wand als Bild verschönern. Und der farbige Cocktail mit dem stimmungsvollen Schirmchen schmeckte insbesondere deshalb, weil ich ihn am Strand genoss. Von all diesen Erlebnissen habe ich Fotos – und nicht wenige – aber keines fand den Weg in die sozialen Netzwerke. Wieso? Weil nicht jeder zu jeder Zeit wissen muss, wo ich bin, mit wem ich meine Zeit verbringe, was ich esse und trinke und wie meine Aussicht ist. Da treffe ich mich lieber im Nachhinein zu einem Bier, zeige die geschossenen Ferienfotos und schwelge nochmals in meinen Erinnerungen.