Was nützen Masken draussen an der frischen Luft?

Während am Anfang der Pandemie noch unklar war, welches die häufigsten Übertragungswege von Sars-cov-2 sind, weiss man inzwischen mehr darüber. Die Beschleuniger der Pandemie sind sogenannte Super-Spreader, also Leute, die eine extrem hohe Virenlast haben und gleichzeitig sozial sehr aktiv sind, das heisst, viele Leute zum Gespräch treffen oder sich an Anlässen mit vielen Leuten in geschlossenen Räumen aufhalten.

Dort können sich die Viren in kleinsten, schwebenden Partikeln, den Aerosolen, im Raum anreichern. Aktuell geht man davon aus, dass man sich ab rund 1000 eingeatmeten Viren ziemlich sicher mit der Krankheit infiziert. Dies basierend auf Studien zu anderen Corona- und Influenzaviren.

Draussen können sich Aerosole nicht anreichern, sie verteilen sich innert Sekunden. «Im Freien ist der einzige Weg, sich anzustecken – abgesehen von der Schmierinfektion via Hände – dass man grössere Tröpfchen einatmet», sagt Michael Riediker, Aerosolexperte vom Schweizerischen Zen­trum für Arbeits- und Umweltgesundheit SCOEH in Winter­thur. Grössere Tröpfchen bis zu 100 Mikrometer atmet man ein, wenn man anderen Leuten näher als eineinhalb Meter kommt und diese sprechen. Das Risiko steigt, wenn laut gesprochen wird, wie dies an Apéros im Freien schnell der Fall ist.

Ausgerechnet an Apéros ohne Maske

Wenn nun also eine Maskenpflicht im Freien als Massnahme diskutiert wird, muss man diese Situationen im Blick haben: Wo sich Menschen länger nahe kommen, sind oft Getränke im Spiel – die Maske wird abgezogen. Dass jeder beim Atmen und besonders beim Sprechen Tröpfchen ausstösst, lässt sich gut beobachten, wenn man sich vor eine Scheibe (z.B. Fernseher) stellt, spricht, und die Scheibe dann im dunkeln Raum von der Seite her beleuchtet.

Doch diese grösseren Tröpfchen sinken nach kurzer Distanz zu Boden. Ob trinkend oder nicht – wenn die Abstände tatsächlich eingehalten würden, wäre das Ansteckungsrisiko praktisch bei null. «Solange man Distanz hält, machen Masken im Freien nicht viel Sinn», bestätigt Riediker.

Selbst an belebten Orten, wie Plätzen oder Shoppingmeilen, ist das Ansteckungsrisiko gering: Passiert man zufällig eine ansteckende Person, die auch noch gerade spricht, dann atmet man zwar möglicherweise ein paar virenhaltige Tröpfchen ein, doch die Ansteckung ist immer noch wenig wahrscheinlich. Selbst bei sehr ansteckenden Super-Emittern braucht es gemäss den Berechnungen von Riediker 5 bis 50 Tröpfchen (mit je 10 bis 100 Viren), die direkt in die Nase fliegen, damit man sich infiziert. Allerdings reicht bereits ein sehr grosses Tröpfchen von 100 Mikrometern um sich anzustecken. Dieses Szenario ist innert weniger Sekunden zwar möglich – aber sehr unwahrscheinlich, solange man nicht gerade angehustet wird.

Exakte Zahlen gibt es nicht, aber eine ziemlich grosse Einigkeit

Das renommierte deutsche Robert-Koch-Institut stuft die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung im Aussenbereich als sehr gering ein, wenn der Abstand von 1,5 Metern eingehalten wird. Auch die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt in ihrem neusten, aktualisierten Bericht Masken vor allem für Innenräume. Darauf stützte sich auch der Bundesrat in einer Antwort zu diesem Thema im September.

Mit Zahlen und exakten Wahrscheinlichkeiten lässt sich die Ansteckung draussen nur schwer beziffern, Studien gibt es dazu noch kaum. Japanische Forscher kamen im Frühling zum Schluss, dass die Wahrscheinlichkeit, sich anzustecken in geschlossenen Räumen rund zwanzig mal höher ist.

Aerosolexperte Riediker weist im Zusammenhang mit Ansteckungen im Freien noch auf etwas anderes hin: «Diese Diskussion lenkt ab von den Super-Spreader-Events. Wir sollten zur Eindämmung der Pandemie versuchen, dass sich nicht Events ereignen wie das Jodel-Musical oder jener Kirchenbesuch in Südkorea, wo eine einzige Person direkt und über ihre Kontakte innert wenigen Tagen über 5000 andere ansteckte: «Wenn es draussen zu Ansteckungen kommt, sind das nie solche Super.-Spreader-Events, da steckt eine Person nur einzelne andere an.»

So viel Viren kann ein Tröpfchen enthalten

Michael Riediker berechnet die Volumenzahlen für einen Superemittenten, also einer Person mit extrem hoher Virenlast, wie sie nur bei 1 von 1000 Personen vorkommt, mit 1011 Viren pro Milliliter:

Tröpfchen-Durchmesser 1 µm: Enthält ca. 0.1 Viren pro Tröpfchen, sprich nicht jedes, aber jedes 10. Tröpfchen enthält einen Virus. Mit 1 Mikrometer Durchmesser wird die maximale Grösse eines Aerosols definiert.

Durchmesser 10 µm: ca. 100 Viren pro Tröpfchen

Durchmesser 50 µm: ca. 12’500 Viren pro Tröpfchen

Durchmesser 100 µm: ca. 100’000 Viren pro Tröpfchen